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Geldpolitik in der Zwickmühle

Es kann nicht sein, was nicht sein darf

Chefin der EZB Christine Lagarde. Copyright: Picture Alliance
Dass die EZB unverhohlen Staatsfinanzierung betreibt, kann nur noch leugnen, wer eine rosarote Brille mit extra starkem Filter aufsetzt. Die gestrige Entscheidung geht von Annahmen aus, die nur schwer nachzuvollziehen sind.

Die geldpolitische Wende ist vollzogen. Die Zeichen stehen auf Straffung – selbst in der Eurozone (ein klein wenig). Aber das ist auch schon so ziemlich alles, was die Notenbanken der drei großen Währungsräume Dollar, Euro und Pfund gemein haben.

Während die US-Notenbank davon ausgeht, dass der Inflationsdruck erhalten bleibt und zu Zweitrundeneffekten führt, glaubt die EZB an einen wieder deutlichen Rückgang der Inflationsrate auf 1,8% im Jahr 2023 nach 3,2% im neuen Jahr 2022. Damit rechtfertigt die EZB – anders als ihre Schwestern in New York und London – dass sie die Leitzinsen auf lange Sicht unten halten und die Finanzminister der Eurozone fortgesetzt entlasten kann. Eine erste Zinserhöhung im Jahr 2022 sei sehr unwahrscheinlich, 2023 sei sie möglich, aber eher unwahrscheinlich.

US-Demokraten heizen Inflation an

Richtig ist, dass das Konjunkturpaket der US-Demokraten die Nachfrage dort anheizt. Gleichzeitig kommt das Angebot nicht nach, Stichwort: Lieferkettenproblematik, und der Arbeitsmarkt ist bereits leergefegt. Das treibt die Inflation jenseits des Atlantiks kräftig an. Das macht einen Unterschied. Schwerer nachzuvollziehen sind die Erwartungen der EZB für Europa:

  1. ein wieder deutlicher Rückgang der Energiepreise, die derzeit 49% der Preissteigerungsrate ausmachen – ohne Energie und Lebensmittel läge die Steigerungsrate in der Eurozone bei „nur“ 2,6%
  2. ein deutliches (und bedenkliches) Abflachen der europäischen Konjunktur von 5,1% in diesem, auf 4,2% im nächsten sowie 2,6% im Jahr 2023 und nur noch 1,6% im Jahr 2024.
  3. Und – anders als in USA und UK – ausbleibende Zweitrundeneffekte oder anders gesagt: Europas Arbeitnehmer bleiben genügsam und finden sich mit Reallohnverlusten ab. Schon in diesem Jahr lagen die Tarifverdienste in Deutschland mit einem Durchschnitts-Plus von 1,3% weit unterhalb der Jahresinflationsrate von 3%. Im nächsten Jahr rechnet das ifo-Institut mit einem weiteren Prozentpunkt Realverlust bei den Einkommen. Und das bei einem jetzt schon spürbaren und zunehmenden Mangel an Fachkräften.

EZB-Argumentation kaum nachvollziehbar

  • Damit bestätigt die EZB einerseits den anämischen Wachstumstrend in Europa, der angesichts der Bevölkerungsentwicklung bedenklich ist.
  • Sie liefert andererseits keine nachvollziehbare Begründung, warum die Weltmarktpreise für Energie und Rohstoffe wieder deutlich sinken sollten.
  • Und sie lässt unbegründet, warum die Arbeitnehmer in Europa dauerhaft die Folgen der Staatsfinanzierung durch die EZB – erhebliche Kaufkraftverluste auf Einkommen und Sparvermögen – bei einem immer knapper werden Angebot am Arbeitsmarkt hinnehmen sollten.

Fazit: Die EZB traut sich nicht an den Vollzug der Zinswende. Sie argumentiert und handelt nach dem Motto, es kann nicht sein, was nicht sein darf. Damit wächst das Risiko, dass sie das Ruder unerwartet und ruckartig herumreißen muss.

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