Unternehmen unterschätzen ihre Kreditrisiken
Die Halbierung der Anleihenkäufe durch die EZB ging bisher spurlos an den Anleihemärkten vorbei. Die Notenbank kauft seit 1. Januar nur noch Anleihen im Volumen von 30 Mrd. Euro. Die Renditen sind seit Jahresanfang aber nicht wesentlich gestiegen. Bislang ist auch kein beginnender Aufwärtstrend erkennbar. Die Rendite der 10-jährigen deutschen Bundesanleihe schwankt weiter seitwärts zwischen 0,30 und 0,45%.
Die deutschen Unternehmen und Privathaushalte profitieren inzwischen enorm von der EZB-Politik. Das geht aus den jüngsten Daten der Bundesbank hervor. Seitdem die EZB mit ihrer Niedrigzinspolitik und den Anleihenkäufen auf die Finanzkrise 2008/09 reagiert hat, ist die Zinsbelastung enorm gesunken. Unternehmen mussten zwar noch eine „Durststrecke" bis 2010 überstehen. Danach ging die Zinsbelastung aber rapide von 10% auf 5% des Gewinns zurück. Ein guter Teil resultiert aus dem stark gesunkenen Zinsniveau.
Weniger Unternehmensinsolvenzen
Parallel dazu sinkt die Zahl der Unternehmensinsolvenzen kontinuierlich. Sie ging von 33.000 auf aktuell 21.000 zurück, so die Bundesbank. Der Eigenkapitalanteil steigt kräftig an (von 18 auf akt. knapp 30%).
Auch die privaten Haushalte profitieren von der Zinspolitik. Ihre Zinslast ging von 4% auf unter 2% des verfügbaren Nettoeinkommens zurück. Die Zahl der Verbraucherinsolvenzen ist seit 2008 um 20% auf knapp 80.000 p.a. gesunken. Das Verschuldungsniveau blieb etwa konstant. Die Nettogeldvermögen wachsen aber kontinuierlich. Die Zinsersparnis führt also direkt zu einem Vermögenszuwachs.
Risiko-Blindheit
Das Leben in der besten aller Welten führt jedoch zu Risiko-Blindheit. Viele Unternehmer und Verbraucher schreiben die seit Jahren systematisch zu niedrigen Zinsen in die Zukunft fort. Somit werden die Risiken unterschätzt. Das kann „bei einem konjukturellen Abschwung zu spürbaren Korrekturen" führen, warnt die Bundesbank.
Prüfung der Schuldentragfähigkeit
Unternehmen sollten prüfen, wie es um ihre Schuldentragfähigkeit bestellt ist. Wer das grob testen will, sollte prüfen, ob auch eine Zinslast von 8,5% bis 10% des Gewinns dauerhaft und leicht zu schultern wäre. Denn schon ein überschaubarer Zinsanstieg und eine moderate konjunkturelle Abkühlung könnten die Bilanz wieder in diese Richtung schieben. Wer zu dem Ergebnis kommt, dass diese Zinslast nicht dauerhaft tragbar ist, sollte sich intensiv um seine Schuldenstruktur, Erlös- und Kostenseite kümmern.
Fazit: Die Unternehmen leben weiterhin in der besten aller Konjunktur- und Finanzierungswelten. Die Kreditkonditionen bleiben günstig. Es steigt aber das Risiko, nicht gut genug auf grundlegende Veränderungen der Rahmendaten vorbereitet zu sein.