Wer kauft noch US-Staatsanleihen?
Auf den Finanzmärkten hält sich hartnäckig die Furcht vor einem Zinsschub in den USA. Der Grund: Donald Trumps Steuerpolitik. Derzeit wird in Washington ein Gesetz verhandelt, das die Steuersenkungen aus seiner ersten Amtszeit verlängern und zusätzliche Entlastungen bringen soll – ohne nennenswerte Gegenfinanzierung. Die Folge: Die US-Staatsverschuldung könnte in weniger als 30 Jahren auf über 200% des Bruttoinlandsprodukts steigen. Bereits jetzt schnellen die Renditen langlaufender US-Staatsanleihen nach oben – die 30-jährige liegt über 5%, die zehnjährige über 4,5%.
Haushaltsrisiken statt Zinssenkungshoffnungen
Dabei hatten viele Marktteilnehmer noch vor wenigen Wochen auf Zinssenkungen gehofft. Rezessionsängste und schwache Indikatoren ließen bis zu vier Zinssenkungen der US-Notenbank erwarten. Doch die Konjunktur zeigt sich robust, der Arbeitsmarkt bleibt stabil – trotz Handelskonflikten und geopolitischer Risiken. Die Realität heute: Höhere Zinsen statt geldpolitischer Entspannung.
Wer soll all diese Schulden kaufen?
Eine weitere Sorge treibt Investoren um: Wer wird all die neuen US-Staatsanleihen überhaupt kaufen? Die jüngste 20-jährige Auktion verlief enttäuschend, China hat seine US-Bestände über Jahre reduziert, Japan könnte folgen, und auch britische Anleger schichten um. Zwar denkt die Regierung über regulatorische Entlastungen für Banken und mehr kurzfristige Emissionen nach. Doch diese Maßnahmen lösen das strukturelle Problem nicht – sie übertünchen es nur.
Risiko-Repricing am Aktienmarkt möglich
Ein nachhaltiger Renditeanstieg würde die Finanzierungsbedingungen verschärfen. Wenn dann auch noch die Aktienmärkte einknicken, droht die US-Konjunktur abzubremsen. Schon jetzt ist der Risikoaufschlag zwischen Aktien- und Anleiherenditen historisch niedrig – kaum 20 Basispunkte trennen die 10-jährige Treasury von der Gewinnrendite des S&P 500. Die Märkte gehen damit ein gefährliches Spiel ein: Sollte es zu einer Aktienkorrektur ohne schnelle Erholung kommen, wächst das Rezessionsrisiko deutlich.
Anstieg des natürlichen Zinses?
Ein Rückgang der Zinsen auf breiter Front ist vorerst nicht zu erwarten. Vielmehr sprechen strukturelle Faktoren – wie hohe Schulden, anhaltende Inflationstendenzen, Trumps erratische Politik sowie institutionelle Erosion – für dauerhaft höhere Zinssätze. Die sogenannte Term-Prämie, also der Aufschlag für langfristige Anleihen gegenüber kurzfristigen, liegt mit 100 Basispunkten bereits auf dem höchsten Niveau seit 2014. Der „neutrale“ Zinssatz – also jener, bei dem Konjunktur weder stimuliert noch gebremst wird – dürfte steigen.
Fazit: Hohe US-Defizite, stabile Konjunktur und geopolitische Unsicherheit sprechen für anhaltend hohe Renditen. Anleihen bleiben riskant, Aktien nicht alternativlos.
Empfehlung: Anleger sollten die Duration verkürzen, Qualität bevorzugen und globale Diversifikation forcieren.