Zentralbank im Rettungs-Dilemma
Der hohe Wechselkurs des Euro ist Gift für die wirtschaftliche Erholung in der Eurozone. Denn er konterkariert den Versuch, über eine verbesserte preisliche Wettbewerbsfähigkeit den Weg aus der Krise zu schaffen, weil Exporte für Nicht-Euroländer wieder teurer werden. Außerdem drückt ein steigender Wechselkurs die importierte Inflation (Rohstoffpreise) nach unten.
Die Finanzlobby kolportiert, dass die Zentralbank sich ab einem EUR-USD-Wechselkurs von 1,42 zum Handeln gezwungen sähe. Der aktuelle Wechselkurs notiert bei 1,3885 – und der Aufwärtstrend des Euro ist intakt. Viele Marktteilnehmer rechnen daher damit, dass die EZB in den nächsten drei Monaten die Zinsen wohl doch nochmal senken wird.
Dahinter steckt aber auch viel Eigeninteresse. Denn die Banken würden enorm von einer weiteren Zinssenkung profitieren. Schließlich winken hohe und nahezu risikolose Profite. Aufgrund der Absicherung der EZB, im Notfall Staatsanleihen zu kaufen, sind die Bonds der Euro-Peripherie inzwischen sehr begehrt. Eine erneute Zinssenkung würde die Rally an den Anleihemärkten noch beschleunigen.
Auf den Wechselkurs hätte eine weitere Zinssenkung aber vermutlich nur minimale Wirkung. Der Hauptgrund für den starken Euro lässt sich dadurch kaum beeinflussen: Die Eurozone ist für das internationale Kapital derzeit der renditeträchtigste Markt der Welt. Nirgendwo anders gibt es momentan Nullrisiko-Anleihen mit höheren Realrenditen als in der Euro-Peripherie.
Solange die EZB ihr Rettungsversprechen aufrechterhält, wird der Eurokurs vorerst nicht signifikant sinken. Allerdings ist es vor allem dieses Versprechen, dass die Erholung in der Eurozone überhaupt ermöglicht hat. Es nun aufzuheben, wäre hochriskant – zumal die EZB keinerlei abfedernde Maßnahmen wie andere Zentralbanken zur Verfügung hat. So kann etwa die US-Notenbank ihre Anleihenkäufe schrittweise zurückfahren. Das Kauf-Versprechen der EZB gilt aber nur ganz oder gar nicht.
Fazit: Im letzten Dezember hatten wir geschrieben, dass das „Wechselkurs-Dilemma der Europäischen Zentralbank im kommenden Jahr noch viel Kopfzerbrechen bereiten“ wird. Das hat sich noch nicht geändert. Allerdings wird der Druck auf die EZB inzwischen deutlich größer.