Der Aktiencrash in China ist keine große Gefahr für die chinesische Konjunktur. Ein Abgleiten der Weltwirtschaft in eine Rezession – wie von einigen Beobachtern befürchtet – ist noch viel unwahrscheinlicher. Deutsche Unternehmen müssen die aktuellen Entwicklungen im Reich der Mitte also nicht überbewerten.
Der Hauptgrund dafür ist die besondere Struktur des noch jungen chinesischen Aktienmarktes. Nur zehn Prozent der chinesischen Haushalte halten überhaupt Aktien. In den USA liegt die Quote bei ca. 50%. Hinzu kommt: Der dynamische Kursaufschwung im Reich der Mitte läuft noch nicht sehr lange. Darum ist in breiten Bevölkerungsschichten keine relevante Vermögensillusion entstanden. Auch die Abhängigkeit der Altersvorsorge von der Börse ist somit noch überschaubar. Ein Börsencrash im Reich der Mitte ist somit zwar schmerzlich. Der negative Einfluss auf Vermögen und Einkommen ist aber relativ gering.
Langfristig dürfte sich die chinesische Börse ohnehin moderater als in den vergangenen Monaten entwickeln. Denn sie wird im Trend die Transformation der Wirtschaft reflektieren. Damit verbunden ist, dass das Trendwachstum allmählich sinken wird. Dieses ist bereits seit 2006 leicht rückläufig. Damals lag das Wachstum noch bei 12%. Im Jahr 2014 waren es 7,8%, so die Bundesbank. Eine solche Entwicklung ist in allen Emerging Markets zu beobachten, deren innere Wirtschaftsstruktur sich verändert – von der Werkbank zu einer stärker dienstleistungs- und konsumorientierten Wirtschaft.
Kurzfristig reagieren Regierung und die Zentralbank in China ähnlich wie die Institutionen in Japan, den USA oder Europa. Durch energische Intervention an den Märkten ist die Notenbank zu einem relevanten Marktteilnehmer geworden. Vorrangiges Ziel der Interventionen ist, Chaos und Panik zu vermeiden – auch wenn der Exit aus einer solchen Politik nicht prognostizierbar ist. So ist der Staat, im Zuge der Aktienkäufe der letzten Wochen (chinesischen Medienberichten zufolge), in vielen eigentlich inzwischen überwiegend privatisierten Unternehmen wieder zu einem wichtigen Aktionär geworden. Dieses Engagement dürfte ihn länger binden, denn schnelle Aktienverkäufe großer Pakete dürften nicht so schnell möglich sein. Denn 85% der Kapitalisierung werden von privaten Anlegern gehalten, nur 15 von institutionellen Investoren. Das ist an westlichen Börsen genau umgekehrt.
Das Tempo der Liberalisierungsstrategie für Wirtschaft und Märkte dürfte sich etwas verlangsamen. Außerdem ist Peking gezwungen, seine Pläne auf Eis zu legen, die chinesische Unternehmensfinanzierung stärker über die Börse zu organisieren. Das wäre wichtig, um die hohe Abhängigkeit von Bankkrediten zu reduzieren.
Fazit: Der Aktien-Tumult in China wird keine stark negativen Auswirkungen auf die Realwirtschaft haben. Peking wird wirtschaftlich alles tun, um die Wachstumsraten aufrecht zu erhalten und harte Verteilungskonflikte im Land zu vermeiden. China wird weiter auf Wachstumskurs bleiben.