Fällt Auto, fällt Deutschland
Die Autoindustrie ist Deutschlands wichtigster Industriezweig. Doch es gibt bereits Muster des Niedergangs.
Dieselgate bringt ins Bewusstsein, worum es im kommenden Jahrzehnt am Standort Deutschland geht. Ein ganz wesentlicher Teil unseres Wohlstands steht zur Disposition, wenn die Autoindustrie schlapp macht. Nicht aufgrund gravierender, aber letztendlich verkraftbarer Skandale. Sondern, weil sie den Zug bei einer neuen Technik – Elektro-/Brennstoffzellenauto, Hybridmotoren selbstfahrender Pkw – verpassen könnte. Der schlagartige Niedergang des Handyherstellers Nokia ist eine deutliche Warnung. Noch 2007 – im Jahr der Markteinführung des revolutionären Apple iPhone – hatten die Finnen einen Weltmarktanteil von 50% bei Smartphones. 2013 war Nokia nach hohen Verlusten gezwungen, seine Handysparte zu verkaufen. Der Marktanteil lag damals noch bei 3,4%. Noch heute leidet Finnland an den Folgen des Niedergangs. In Deutschland beträgt der Anteil der Industrie am BIP noch 22,3%. Ein wesentlicher Teil davon ist mit der Autoindustrie verbunden. In einer Untersuchung zur Bedeutung der Autoindustrie kam das ZEW allerdings schon 2004 zu dem Ergebnis, dass der gesamte Anteil am deutschen BIP 7,7% beträgt. Laut ZEW dürfte der Anteil heute sogar etwas höher liegen. Umgerechnet auf das BIP 2014 bedeutet dies, dass 224 Mrd. Euro des BIP nur einer Industrie zuzurechnen sind. Demnach kommen 38% der industriellen Wertschöpfung in Deutschland aus der Autoindustrie! Diese Zahl entsteht durch die Addition der bei Autoherstellern und -zulieferern erreichten Wertschöpfung mit dem Anteil der Vorleistungen aus anderen Industrien, die in die Automobilproduktion einfließen. Dazu gehören etwa Stahlbleche und Gussteile aus der Metallindustrie, Lacke und Kunststoffe aus der Chemieindustrie und Maschinen, die in der Produktion eingesetzt werden. Dementsprechend hoch sind die Beschäftigtenzahlen. Berechnet man die Vorleistungen mit ein, waren 2014 über 1,7 Mio. Arbeitsplätze von der Autoindustrie abhängig. Dies sind Arbeitsplätze, die ein hohes Lohnniveau bieten. Der Stärke der deutschen Autoindustrie steht eine auffällige Schwäche in der Elektronik- und Softwareindustrie gegenüber. Und zwar in Deutschland und Europa insgesamt. Längst können wir auf Muster des Niedergangs blicken: In der Unterhaltungselektronik, der Fotoindustrie, beim Übergang von Schreibmaschinen zu PCs und zuletzt beim Ersetzen traditioneller Telefon-Vermittlungstechnik durch internetbasierte Kommunikation – Europa fiel aus dem Wettbewerb, sobald sich in einem Bereich elektronische Produkte durchsetzten.
Fazit: In den letzten Jahren ist die Autoindustrie zum dominierenden Industriezweig in Deutschland aufgestiegen. Nun steht sie vor revolutionären Veränderungen. Um die industrielle Basis abzusichern, müssen Deutschland und Europa diese breiter diversifizieren. SAP und Dassault Systèmes als einzige Größen in der Digitalindustrie sind viel zu wenig.