Hausgemachte Probleme
Die Türkei befindet sich nach der Parlamentswahl in einer wirtschaftspolitischen Sackgasse.
Das bisherige Erfolgsrezept der knapp bestätigten Regierungspartei AKP geht nicht mehr auf. Die aktuelle Verfassung der türkischen Wirtschaft dürfte das Wahlergebnis erklären. Statt der 2010/11 erreichten Wachstumsraten um 9% wurden 2011-14 nur jeweils rund 6% erzielt. Und die Projektionen von OECD, IWF und EBRD für 2015/16 liegen nur knapp über 3%. Das starke Wachstum früherer Jahre stützte sich auf eine kreditfinanzierte Binnennachfrage. Kehrseite waren wachsende Defizite in der Handels- und Leistungsbilanz sowie ein unerfreulich hoher Inflationstrend. Zudem ist die Auslandsverschuldung (ca. 30% vom BIP) ungünstig strukturiert. Denn Direktinvestitionen trugen wenig zur Finanzierung bei. Etwa 80% der laufenden Defizite werden durch Kredit finanziert. Damit ist die Türkei in der aktuellen Lage besonders verwundbar. Auch die geografische Lage zwischen zwei Konfliktherden erweist sich als Belastung. Im Nordosten schwelt der Ukraine-Krieg. Im Süden blockieren der israelisch-arabische Konflikt sowie die Bürgerkriege in Syrien und im Irak die Möglichkeiten wichtiger Handelspartner der Türkei. Der Handel bleibt schwach, solange Russland immer tiefer in die Rezession abgleitet und die Nachbarn im Süden sich selbst zerstören. Diese Trends schlagen sich in steigenden Risikoprämien und Kreditsätzen nieder. Zudem sorgen sich die Währungshüter um die steigende Inflation (zuletzt 8,1%). Auch dies deutet auf steigende Zinsen. Das ist Gift für Investitionen und Konsum.
Fazit: Recep Tayyip Erdogans Politik steckt in einer Sackgasse. Neue Wachstumspotenziale wären nur durch Reformen erschließbar, die seinen konservativen gesellschaftlichen Vorstellungen entgegenstehen. Neuen Schub für die türkische Wirtschaft kann es daher nur durch politischen Wandel geben.