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r. Reinhold Festge, Präsident des VDMA, im Samstags-Interview

Interview: Wir brauchen in Europa klare Ziele

Dr. Reinhold Festge, Präsident des VDMA | © VDMA
Der Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) nimmt im FUCHS-Redaktionsgespräch Stellung zur Standort-, Industrie- und Bildungspolitik der Bundesregierung, zu TTIP und CETA - und nicht zuletzt zur Zukunft der EU.
Die Politik tut zu wenig, um den Standort langfristig attraktiv halten. Davon ist Dr. Reinhold Festge, Präsident des Verbands Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA) und zugleich persönlich haftender Gesellschafter der Drahtweberei und Maschinenfabrik Haver & Boecker OHG, überzeugt. Festge ist ein echter Weltbürger und gleichzeitig stark mit seinem Geburtsort Oelde in Westfalen verbunden. Er studierte Medizin und später Betriebswirtschaftslehre an den Universitäten in Münster und in München. Festge lebte und arbeitete in Brasilien ebenso wie in den USA und hat gute persönliche Beziehungen zu Unternehmern in Russland wie im südlichen Afrika. Er kennt die Länder und Menschen also aus eigener Erfahrung. FUCHSBRIEFE sprachen mit ihm im Samstags-Interview.

Herr Dr. Festge, wie zufrieden sind Sie mit der Standortpolitik der Bundesregierung?

Welcher Standortpolitik? Ich bin schon enttäuscht, dass die Politik keine Verantwortung verspürt, dafür zu sorgen, dass die Wirtschaft auch langfristig gut weiterlaufen kann. Sie schöpft aus dem Vollen und schafft uns eine Reihe sozialer Bürden, angefangen bei der Rente mit 63 bis hin zur Flüchtlingspolitik. Diese werden nur so lange bezahlbar sein, wie die Wirtschaft noch läuft. Ich möchte mir nicht ausmalen, wie es wird, wenn das hohe Steueraufkommen nicht mehr da ist und die Zinsbelastungen in den öffentlichen Haushalten wieder steigen.

Die Wirtschaft wächst doch. Was gibt es da zu klagen?

Ein bis zwei Prozent Plus können doch nicht befriedigen bei dem Rückenwind, den wir haben. Kredite sind so günstig wie nie. Der Euro ist günstig. Rohstoffe sind günstig. Dennoch wachsen wir Maschinenbauer im Ausland stärker als im Inland. Der VDMA veröffentlicht ja nur die deutschen Zahlen. Was wir im Ausland herstellen, steckt in unseren Zahlen ja gar nicht drin.

Die deutsche Industrie hat eine Offensive gestartet, beschäftigt sich intensiv mit den Konsequenzen der Digitalisierung, auch bekannt als Industrie 4.0. Es tut sich doch was im Inland.

Das Wirtschaftsministerium unter Sigmar Gabriel nehme ich auch aus von der Kritik. Im BMWi ist das Verständnis für die Belange der Wirtschaft gut. Aber wir brauchen für Industrie 4.0 auch eine entsprechende schulische und berufliche Bildung. Die jungen Menschen, die in sechs, sieben Jahren in der digitalisierten Industrie arbeiten sollen, müssen doch jetzt schon ausgebildet werden. Da tut sich viel zu wenig.

Der Wirtschaftsminister setzt sich auch für das Freihandelsabkommen mit den USA, TTIP, ein. Das ist eine langfristige Standortsicherungsmaßnahme.

Das ist richtig. Aber der Widerstand gegen TTIP ist bekanntermaßen groß. Jetzt müssen in Europa erst einmal die nationalen Parlamente das Abkommen mit Kanada, CETA, ratifizieren. Und auch da steht ein langwieriger Prozess bevor. Wenn aus TTIP nichts wird, ist das langfristig schlecht für den Standort Deutschland. Wir wachsen dann nicht in Zukunftsmärkte hinein, sondern die werden vor Ort bedient. Das merken wir hier erst in fünf, sechs Jahren. Es werden zwar keine Arbeitsplätze in Deutschland abgebaut. Aber Erweiterungsinvestitionen finden dann in den USA statt. Das trifft sich am Ende sogar mit den Interessen der Amerikaner, die selber reindustrialisieren wollen.

Deutschland wird für seine hohen Exportüberschüsse nach wie vor kritisiert, auch von internationalen Institutionen wie dem IWF. Übertreiben Sie jetzt nicht die Risiken für die deutsche Exportwirtschaft?

Wir stellen uns doch immer weiter Märkte zu. Ich akzeptiere die politische Absicht hinter den Russland-Sanktionen. Aber wir müssen aufpassen, dass wir es nicht übertreiben. Große Teile des Mittelmeerraums sind durch Krieg und Bürgerkriege für Handel und Investitionen dicht. Angefangen hat es mit dem Eingreifen der Amerikaner im Irak, das nördliche Afrika wurde unsicher durch die Arabellion, dann kam Syrien an die Reihe, jetzt könnte auch noch die Türkei politisch instabil werden – auch wenn sie wirtschaftlich immer noch ein interessanter Markt ist.

Die Amerikaner haben sogar gegen den ausdrücklichen Willen Israels die Gespräche mit dem Iran aufgenommen und zu einem guten Abschluss gebracht.

Dennoch bleibt es schwierig, mit dem Land Geschäfte zu machen. Als Mittelständler kommt man nach wie vor schwer an sein Geld. Da helfen auch keine Hermesdeckungen. Das Problem sind die Banken. Sie reklamieren fehlende Rechtssicherheit und fürchten, die USA könnten, wie bereits geschehen, auch künftig wieder hohe Strafen wegen angeblicher Verletzung von US-Sanktionen verhängen. Hier gibt es keine kurzfristige Patentlösung. Wenn die Banken nicht bereit sind, das eventuelle US-Restrisiko zu tragen, bleibt uns der iranische Markt zum großen Teil verschlossen. Unabhängig hiervon muss in Berlin grundsätzlich geklärt werden, wie ein derart massiver Einfluss anderer Nationen auf legales deutsches Auslandsgeschäft zukünftig verhindert werden kann.

Noch ein Wort zum Brexit. Sollten die Festland-Europäer auf eine schnelle Entscheidung drängen oder darauf hoffen, dass es sich die Briten noch einmal anders überlegen?

Wir brauchen jetzt zeitnah einen klaren Schnitt, sonst bricht die EU auseinander. Sollte sich Europa auf zu viele Kompromisse einlassen, wächst auch bei anderen die Lust, rauszugehen, im Glauben, man könne sich die Rosinen herauspicken.

Wie soll Europa mit der weithin hörbaren Unzufriedenheit über die Union umgehen?

Wir haben leider verlernt, die großen Vorteile der EU zu sehen: Frieden und speziell in Deutschland die Rückgewinnung von Reputation in der Welt. Die EU und die Mitgliedstaaten sind aufgefordert, alles zu tun, damit der Brexit ein Einzelfall bleibt. Wir müssen für ein starkes Europa kämpfen. Ständig zu lavieren, das geht auf die Dauer nicht gut. Wir brauchen klare Ziele. Und was die Zukunft Großbritanniens betrifft: Im Zweifel machen wir auch gute Geschäfte mit WTO-Ländern.

Herr Dr. Festge, wir danken für das Gespräch.

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