Viele Indikatoren, an denen sich Unternehmer und Anleger lange gut orientieren konnten, haben ihre Aussagekraft verloren. Denn die Wirtschaftswelt wird immer komplexer. Einige Beispiele:
- 2013 reichte ein BIP-Zuwachs von 0,4%, um in Deutschland 250.000 zusätzliche Jobs zu schaffen und die Beschäftigtenquote auf 42 Mio. zu heben. Vor zehn Jahren war ein BIP-Plus von 1,5% nötig, um neue Arbeitsplätze zu schaffen.
- Trotz des Mini-Zuwachses beim deutschen BIP stiegen die Steuereinnahmen 2013 um 3,3% auf einen Rekord von 570 Mrd. Euro.
- Der EUR/USD-Kurs scheint für Unternehmen unproblematisch zu sein. „Ein Wechselkurs von 1,10 lässt den Export zusammenbrechen“, warnte der BGA im Jahr 2002 eindringlich. Doch selbst Kurse von 1,50 im November 2009 und der aktuelle Kurs von 1,37 haben dem Export nichts an – Deutschland weist einen Rekord-Außenhandelsüberschuss aus.
- Die Sparquote der Deutschen sinkt kräftig, dennoch stagniert der Einzelhandelsumsatz real – und das bei ebenfalls real wachsenden Einkommen.
Ein anderes Beispiel für die mangelnde Aussagekraft einst verlässlicher Indikatoren liefern die Ratingagenturen mit ihren Bonitätseinschätzungen. Obwohl die Risiken in den Problemländern Europas inzwischen enorm gesunken sind, halten die Ratingagenturen an ihren schlechten Bewertungen dieser Staaten fest. Dagegen verlangen die Märkte seit dem Rettungsversprechen der EZB im Sommer 2012 sukzessive geringe Aufschläge für einst gefährdete Anleihen. Auf diese Diskrepanz weist die Berenberg-Bank in einer aktuellen Studie anhand des Beispiels Portugal hin. Unsere eigenen Untersuchungen für Italien (vgl. Grafik) und Spanien zeigen dasselbe Bild.
Die Agenturen begründen das Auseinanderlaufen u.a. mit ihrer höheren Vorsicht nach den Fehleinschätzungen während der Krise. Doch diese Begründung trägt in der Realität nicht. Das zeigt ein Blick auf die aktuellen Ratings der wankenden Emerging Markets. So liegt z. B. das Rating der Türkei nur eine Stufe unter dem Italiens – bei deutlich höherem Risiko. Auch in der Krise 2008/09 liefen Standard & Poor´s, Moody´s und Fitch dem Markt bei der Risikobeurteilung hinterher. Sie passten ihre Ratings erst nach unten an, als die Spreads bereits in die Höhe geschossen waren.
Selbst die OECD beklagte vorige Woche, dass ihre Konjunkturprognosen 2007-2012 so unzutreffend waren wie zuletzt während der Ölkrise Anfang der siebziger Jahre. Die Vermutung der Volkswirte: Die Folgen der Globalisierung sind in den Rechenmodellen nicht ausreichend berücksichtigt.
Fazit: Die wachsende Verflechtung der Wirtschaft und der Finanzmärkte verändert globale Wechselwirkungen grundlegend. Das schmälert die Aussagekraft bisher gut funktionierender Indikatoren und macht Planungen für Unternehmen schwieriger. Wir werden nach neuen guten Indikatoren Ausschau halten.