Türkischer Boom mit erheblichen Risiken
Die Türkei fährt wirtschaftspolitisch einen ganz heißen Reifen. Auf den ersten Blick überraschen zunächst die starken Wirtschaftszahlen. Die türkische Wirtschaft ist im dritten Quartal so stark gewachsen wie seit sechs Jahren nicht. Das BIP legte um 11,1% zu, so das türkische Statistikamt.
Getrieben wird das aktuelle Wachstum von mehreren Faktoren. Vom privaten Konsum, von steigenden Investitionen, von Dienstleistungen, Bau und Industrie. Erst auf den 2. Blick zeigt sich jedoch der wahre Treiber.
Massiv erhöhte Ausgaben
Die Wirtschaft des Bosporus-Landes verfeuert Finanzgeschenke Ankaras. Nach dem gescheiterten Putschversuch hat die türkische Regierung die Ausgaben massiv erhöht. Sie hat einige neue wirtschaftsfreundliche Steuerregeln erlassen und mit einem Kreditgarantiefonds die Wirtschaft angekurbelt. Die türkische Notenbank stützt zusätzlich mit niedrigen Zinsen.
Der Boom ist teuer erkauft. Die Inflation liegt mit über 12% auf sehr hohem Niveau, das eigentlich höhere Zinsen verlangt. Die Zahl der Unternehmensinsolvenzen ist doppelt so hoch wie 2016. Etliche Unternehmen produzieren auf Halde. Die Bestandsveränderung liegt 10% über dem Krisenjahr 2008. Und sie steigt steil an.
Negativer Handelsbilanzsaldo
Zugleich sind wichtige Fiskalzahlen alarmierend. Der Handelsbilanzsaldo ist negativ. Das Import- übersteigt also das Exportvolumen. Und das trotz stark gestiegener Exporte, die durch den niedrigen Wechselkurs der Lira befeuert werden. Der Leistungsbilanzsaldo ist im Minus (-3,8% vom BIP).
Parallel dazu gehen die ausländischen Direktinvestitionen zurück. Die Auslandsverschuldung steigt stark. Die US-Ratingagentur S&P warnt vor den Folgen. Denn die Türkei ist vor allem kurzfristig verschuldet. Daher ist sie auch besonders anfällig für eine globale Liquiditätsverknappung. S&P hat die Türkei unter die fünf Länder eingruppiert, die besonders krisenanfällig sind.
Fazit: Heute Top, morgen Flop. Auf diese Formel lässt sich die Situation zuspitzen. Die aktuell guten Wirtschaftszahlen sind teuer erkauft. Der Preis – ein Wirtschaftseinbruch – ist noch zu zahlen.