Die ultralockere Geldpolitik der EZB lässt bei deutschen Ökonomen Überhitzungsängste aufkommen. Stefan Kooths, Leiter des Prognose-Zentrums im Kieler Institut für Weltwirtschaft (IfW), befürchtet, dass Deutschland in eine ähnliche Falle läuft wie Spanien vor einem Jahrzehnt. Damals erlebte das Land nach dem Beitritt zum Euro aufgrund rekordtiefer Zinsen einen Bauboom ohnegleichen und baute dramatische Überkapazitäten auf. Dies sagte Kooths bei einer Veranstaltung der Herbert-Giersch-Stiftung in Frankfurt. Seine Erwartung:
Bereits 2015 kann es zur Überauslastung der deutschen Wirtschaft kommen. Aufgrund des billigen Geldes würden die deutschen Unternehmen langfristig nicht auslastbare zusätzliche Kapazitäten aufbauen. Ob dies in der Automobilwirtschaft nicht schon der Fall sei, fragt sich Kooths im Gespräch mit Fuchs. Die Produktionslücke werde in diesem Jahr geschlossen, das heißt: Vollauslastung der Unternehmen. Die Baubranche stoße mit 70% Kapazitätsauslastung bereits jetzt in Spitzenregionen vor, die eine Kapazitätsausweitung nahelegten. Gleichzeitig entzöge die Bundesregierung mit ihrer Arbeitsmarktpolitik (Rente mit 63, Mindestlohn) dem Markt dringend benötigte Arbeitskräfte und verkürze damit das Produktionspotenzial. Auf diesem Wege sieht Kooths auf fünf Jahre für Deutschland eine Inflationsrate von 3% als Ausfluss der Überhitzung voraus. Es könne aber auch noch mehr sein.
Ganz anderer Auffassung ist allerdings Berenberg-Chefvolkswirt Holger Schmieding. Er sieht die Gefahr einer Überhitzung bei den Verbraucherpreisen nicht und auch nicht bei der Auslastung der Unternehmenskapazitäten. Der auch laut Kooths gerade erst beginnende Investitionsaufschwung sei gewünscht. Damit würden sich zugleich die Produktionskapazitäten erhöhen (und die Überhitzungsgefahr dämpfen). Auch ist Schmieding der Meinung, dass die EZB einen anhaltenden Boom in Deutschland keineswegs ignorieren würde. Der deutsche Immobilienmarkt komme aus einer hartnäckigen Flaute und habe deutlich Nachholbedarf. Eine Kreditblase in diesem Bereich gebe es nicht und in anderen Regionen Euro-Europas hätten die Preise gerade erst auf dem Boden aufgeschlagen.
Fazit: Deutschland ist im Konjunkturboom. Das BIP wird nach der jüngsten Prognose des IfW in diesem Jahr um 2%, im nächsten sogar um 2,5% steigen. Für die Unternehmen kommt es darauf an, sich vom billigen Boom nicht einlullen zu lassen. Vor allem sollten sie sich vor unbedachten Kapazitätsausweitungen im Maschinenpark hüten; besonders dann, wenn ihr Hauptmarkt Deutschland heißt.