Das Bundesfinanzministerium (BMF) fährt dem eigenen Chef gehörig vor den Karren. In einer Studie zur Schuldentragfähigkeit rechnen die Experten Minister Wolfgang Schäuble (CDU) detailliert vor, wie dynamisch sich die Verschuldung in den nächsten Jahren entwickeln wird.
Spätestens ab dem Jahr 2025 gibt es nennenswerte Risiken für die öffentlichen Haushalte. Bei unveränderter Politik wird der Staat dann jedes Jahr deutlich mehr ausgeben als einnehmen und somit stetig neue Schulden machen. Selbst bei optimistischen Annahmen schreibt Deutschland ab dem Jahr 2030 stetig größer werdende rote Zahlen.
Die Prognosen von Schäubles Finanzexperten sind ernüchternd (siehe Chart). Greift die Politik in den nächsten Jahren nicht beherzt ein, steigt der Schuldenstand ab 2025 rasant. Ohne haushaltswirksame Reformen klettert das Minus auf 361% des Bruttoinlandsproduktes (BIP) im Jahr 2060. Zwar wird es vermutlich nicht zu diesem Szenario kommen. Aber die vom Ministerium als pessimistische Variante dargestellte Kurve ist die am ehesten Wahrscheinliche. In dieser Prognose sind moderate Reformen bei der Rente und der Beamtenversorgung enthalten. Die optimistische Variante dagegen ist reines Wunschdenken. Hier gehen die Experten von dem unwahrscheinlichen Fall aus, dass die Deutschen viel mehr Kinder bekommen, länger arbeiten, dennoch früher als heute sterben (was gar nicht optimistisch ist) und die Zahl der Einwanderer wieder stark ansteigt.
Um der absehbaren Entwicklung entgegen zu wirken, müsste die Politik äußerst unbequeme Baustellen bearbeiten. So müsste laut BMF der dynamische Kostenanstieg im Gesundheitssektor durch eine spürbare Verschärfung des Wettbewerbs begrenzt werden. Außerdem müsste eine Dienstrechtsreform für Beamten (Anpassung der Pensionsregelungen) erfolgen. In der gesetzlichen Rentenversicherung müssen die Altersgrenzen weiter nach oben gesetzt werden.
Genau solche konfliktträchtige Debatten umgeht die große Koalition aus CDU und SPD aber gezielt. Anstatt nachhaltige und generationengerechte Politik zu machen, wird diese Woche die teure Mütterrente (CDU-Programm) und die Rente mit 63 (SPD-Programm) im Bundestag verabschiedet werden – und beide Posten sind in der BMF-Prognose noch nicht berücksichtigt.
Fazit: Finanzminister Schäuble rechnet bewusst falsch. Seine Beteuerung, das Rentenpaket der großen Koalition „können wir uns leisten“ wird nur mit den noch optimistischen Zahlen der mittelfristigen Finanzplanung (MFP) unterlegt. Die langfristige Prognose seiner eigenen Fachleute ignoriert der amtierende Finanzminister geflissentlich.