Aussagen, die Europäische Zentralbank (EZB) könnte ihr Anleihenkaufprogramm vorzeitig beenden, gehören ins Reich der Spekulation. Das bestätigen uns gut informierte Kreise aus dem EZB-Umfeld. Daran ändert auch die öffentlich geäußerte Skepsis von Bundesbankpräsident Jens Weidmann nichts.
Denn: Es geht im Kern um die Glaubwürdigkeit der Notenbank. Diese ist bei hochrangig besetzten internationalen Konferenzen stets ein wichtiger Diskussionspunkt und darf – hier herrscht Konsens in der Finanz-Community – keinesfalls aufs Spiel gesetzt werden. Die Märkte beobachten das Verhalten von Fed, EZB oder der Bank von Japan sehr genau. Wie weit stehen sie zu dem, was sie ankündigen? Sind ihre Szenarien verlässlich? Oder strahlen sie strategische Richtungslosigkeit aus?
Käme der Eindruck auf, die großen Zentralbanken hätten die Lage nicht im Griff, hätte das gravierende Folgen. Es käme voraussichtlich zu heftigen Kurskapriolen bei Aktien und Anleihen. Beide Anlageklassen werden maßgeblich von den Notenbanken bestimmt. Die Marktteilnehmer folgen deren Vorgaben. Denn es gilt der Leitspruch: Stelle dich niemals gegen die Notenbank.
Die Fundamentaldaten geben ebenfalls keinen Anlass für einen vorzeitigen EZB-Ausstieg. Richtschnur sind die mittelfristigen Inflationserwartungen. Diese misst die Zentralbank anhand des Survey of Professional Forecasters (SPF), der vierteljährlich die Einschätzungen von Experten aus dem Privatsektor für die Zentralbank zusammenträgt. Demnach rechnen die befragten Analysten derzeit nur mit einer gut 65%igen Wahrscheinlichkeit damit, dass die Inflationsrate in fünf Jahren über 1,5% liegt.
Auch der Europäische Gerichtshof (EuGH)wird der EZB keine Zügel anlegen. Am 16. Juni spricht er sein Urteil zu Mario Draghis Ankündigung, zur Not unbegrenzt Anleihen europäischer Staaten im Rahmen des OMT-Programms aufzukaufen (das war im Sommer 2012). Selbst wenn der EuGH dieses Programm einschränken sollte – was unwahrscheinlich ist –, wären die Anleihenkäufe durch das QE-Programm davon unbeeinflusst. Denn QE ist anders als das nie aktivierte OMT-Programm juristisch nicht anfechtbar.
Fazit: Die EZB wird ihre Geldschwemme planmäßig ausweiten. Somit wird die gesteuerte Hausse an den Aktienmärkten weiter gehen. Erst Anfang 2016 werden die Märkte neue Signale erwarten, wie es ab Sommer 2016 weiter gehen kann.