Der Deutsche Aktienindex (DAX) übertreibt gerade mächtig nach oben. Dabei hat er die obere Begrenzung der jüngsten Handelsspanne (10.200 Punkte) übersprungen. Nun nimmt der Index die Marke von 10.700 Zählern ins Visier. Auf diesem Niveau hatte der DAX das Jahr 2015 beendet. Das Jahr 2016 hat er aber mit einer Kurslücke (gap) von gut 200 Punkten eröffnet. Diese Lücke versucht der Index nun zu schließen.
Die Power dieses Schubs rührt hauptsächlich von Short-Eindeckungen her, aber nicht von fundamental überzeugten Käufern. Das erkennen wir beim genaueren Blick auf die Marktdaten. Diese zeigen an, dass in den letzten Tagen etliche spekulative Leerverkäufe (Wetten auf fallende Kurse) abgebaut wurden. Es ziehen sich momentan also einige Kurzfrist-Trader aus dem Markt zurück. Die sind für einen guten Teil der 1.000-Punkte-Rally der vergangenen drei Wochen verantwortlich.
Ein neuer langfristiger Aufwärtstrend im DAX wird erst dann realistisch, wenn fundamental überzeugte Käufer (z. B. Strategen wie Fonds) wieder zu DAX-Aktien greifen. Danach sieht es momentan aber noch nicht aus. Wir wissen auch von einigen institutionellen Anlegern, dass sie ihre Aktienquote gerade deutlich reduziert haben. Darunter ist z. B. der dänische Assetmanager DanskeInvest.
Auffällig ist auch, dass derzeit nahezu alle Anlageklassen gleichermaßen steigen. Sowohl die Notierungen von Aktien wie auch von Rohstoffen (voran Öl), aber auch die Preise für Sicherheits-Investments wie Gold (z. T. auch Silber) klettern. Das ist ungewöhnlich, denn wenn die Risikoakzeptanz von Anlegern steigt, wird eher Geld aus Sicherheits-Investments in andere Anlageklassen umgeschichtet. Auf der anderen Seite stehen gerade nur die Kurse der Staatsanleihen unter Druck. Allerdings sind diese bei Renditen von 0,15% für 10-jährige Bundesanleihen auch völlig überkauft und anfällig für eine Korrektur.
Diese Beobachtungen sprechen dafür, dass die Akienmärkte gerade übertreiben. Die alten Risiken (dauerhaft zu niedriger Ölpreis für viele Produzenten und kreditgebende Banken, Brexit, Griechenland-Schulden) sind nicht vom Tisch. Sie werden nur momentan nicht wahrgenommen. Die heutige EZB-Sitzung wird nur kurzen Einfluss haben.
Bleibt abzuwarten, ob der Dow Jones sein Allzeithoch (18.312 Punkte) überspringt. Das würde dem Index charttechnisch Luft nach oben verschaffen. Fundamental gute Gründe für einen Kursanstieg gibt es aber auch in Übersee nicht. Im Gegenteil: Die Börse ist hoch bewertet, die Zahlen der aktuellen Berichtssaison sind durchwachsen. Auch der Dow lebt wesentlich von der US-Notenbank Fed, der Zinsperspektive und den großen Aktienrückkäufen der US-Unternehmen, die nicht wissen, wo sie in der Realwirtschaft investieren sollen.
Fazit: Das Börsen-Momentum ist noch nach oben gerichtet. Wir haben den Schwung etwas unterschätzt, aber ein fundamental neues Bild sehen wir noch nicht. Der DAX-Abwärtstrend ist intakt, eine neue Bewegung nach unten überfällig. Gewinne sichern und im DAX wieder auf 10.000 Zähler warten.