Wunschdenken in der Asylpolitik
Zur Kosten- Nutzen-Rechnung des Flüchtlingszustroms kommen immer mehr Studien auf den Markt. Sie setzen zumeist die Kosten höher an als den Gewinn.
Der Flüchtlingszustrom wird auch auf lange Sicht (10 Jahre) keinen ökonomischen Nutzen bringen. Inzwischen liegen drei wissenschaftliche Studien vor, die die jährlichen Kosten eindeutig höher ansetzen als den wirtschaftlichen Gewinn. Nur eine Aussage aus dem ökonomischen Raum – die von DIW-Chef Marcel Fratzscher – behauptet das Gegenteil. Allerdings ohne fundierte Begründung. Es geht also im Kern darum, wie hoch die Belastung für die Volkswirtschaft ausfällt. Die jüngste Studie kommt von der „ordoliberal“ ausgerichteten Stiftung Marktwirtschaft. Danach kosten die Flüchtlinge langfristig mindestens 900 Milliarden Euro. Grundlage ist die Annahme von 2 Millionen Flüchtlingen, die bis 2018 ins Land kommen. Pro Jahr wären das 17 Mrd. Euro Kosten. Laut Studienautor Bernd Raffelhüschen ist das noch optimistisch gerechnet. Dafür müssten die Zuwanderer innerhalb von sechs Jahren im Schnitt die gleichen Steuern zahlen, wie die bereits hier Lebenden ohne deutschen Pass. Oder die zweite Generation der Zuwanderer zahlt die gleichen Steuern wie die bereits hier lebende deutsche Bevölkerung. Raffelhüschen stützt sich auf Vergangenheitsdaten des Statistischen Bundesamts. Seine Kernfrage an den Datenbestand: Wieviel haben frühere Zuwanderer im Laufe ihres Lebens netto in die Steuer- und Sozialsysteme eingezahlt beziehungsweise daraus bezogen? In der Rechnung enthalten sind auch Leistungsversprechen der Sozialversicherungen und Pensionsverpflichtungen. Im Vergleich zu den Deutschen zahlen Ausländer im arbeitsfähigen Alter im Schnitt deutlich weniger in die Systeme ein, während die Bezüge in jungen Jahren und im Alter etwa gleich sind. Ganz anders das DIW Berlin, das ebenfalls langfristig denkt. Nach dessen Überlegungen übersteigt selbst im pessimistischen Szenario der Gewinn die anfänglichen Kosten. Spätestens nach zehn Jahren würden die positiven Effekte (gestiegener Konsum, zusätzliche Arbeitskräfte) auf das Wirtschaftswachstum durchschlagen. Dadurch würde sich dann auch das Pro-Kopf-Einkommen in Deutschland steigern. Wissenschaftlich vorsichtig will das DIW seine Studie nicht als Prognose, sondern als Simulation verstanden wissen. Größtes Problem: Es trifft Annahmen für die Integration in den Arbeitsmarkt, die sehr optimistisch erscheinen, weil sie durch keine Erfahrung belegt sind. Das Forschungsinstitut zur Zukunft der Arbeit IZA sagt: Es wa?re eine Illusion anzunehmen, mit dem hohen Flu?chtlingsaufkommen ließe sich der Fachkra?ftemangel beheben. Laut IZA dauert es 5 Jahre, bis 50% einen Job haben, 10 Jahre für 70%; das heißt: 30% bleiben dauerhaft auf Sozialhilfe angewiesen. Und: Der „digitale Tsunami“ (Bitkom-Geschäftsführer Bernhard Rohleder) ist in diesen Berechnungen nicht berücksichtigt. Er wird vor allem Geringqualifizierte treffen. Das ifo Institut berechnet auf kurze Sicht direkte und indirekte Kosten. Pro Flüchtling ergeben sich dabei 1.000 bis 1.100 Euro für Verpflegung & Unterkunft. Zusätzlich 500-600 Euro für Schulen, Arbeitsmarktmaßnahmen, Verwaltungsausgaben, Polizei, Wachdienste, Bau von Flüchtlingsunterkünften. Insgesamt kommt das ifo Institut damit auf 19.200 Euro pro Jahr pro Flüchtling. Die in diesem Jahr kommenden Flüchtlinge werden den deutschen Steuerzahler demnach 21 Mrd. Euro kosten. Die Kosten der „Verstopfung“ öffentlicher Güter – längere Stauzeiten auf Straßen, Wartezeiten in Verwaltungen – seien nicht enthalten. Der Sachverständigenrat beschränkt sich dagegen auf die direkten Kosten. Danach liegen die Ausgaben für die Flüchtlinge zwischen 5,9 und 8,3 Mrd. Euro, im nächsten betragen sie 9,0 bis 14,3 Mrd. Euro.
Fazit: Die deutsche Flüchtlingsdiskussion lebt mit Blick auf Arbeitsmarkt und Sozialsysteme vor allem von einem satten Schuss Berufsoptimismus in Politik, Wirtschaft und Verbänden.