Fiskus darf sich Schätzung nicht zu einfach machen
Das FG muss auf der Grundlage des Gesamtergebnisses des Verfahrens von der Höhe der Steuerhinterziehung in jedem Jahr der Schätzung überzeugt sein. Das Vorhandensein vom Vermögen zu einem bestimmten Zeitpunkt, hier 1.1.2002, reicht nicht aus, um dem Steuerzahler den entsprechenden Kapitalstamm auch in den Folgejahren 2002 bis 2007 unverändert als Grundlage der Erzielung von Einkünften aus Kapitalvermögen zuzurechnen. Das gilt vor allem dann, wenn wie im Urteilsfall Anhaltspunkte dafür vorhanden sind, dass das Depotkonto im betreffenden Zeitraum nicht mehr vorhanden war, erklärte der BFH in einem Verfahren.
Einer der Betroffenen klagte jetzt beim BFH wegen der anschließend bei ihm erfolgten Zuschätzung von Kapitaleinkünften für die Steuerjahre 1997 bis 2007. Zu diesen Unterlagen auf den von deutschen Behörden aufgekauften Datenträgern gehörten auch Abbildungen von Dokumenten, die auf Vermögensanlagen der Kläger hinwiesen, u.a. im Zusammenhang mit einer Stiftung in Liechtenstein.
Bei Hausdurchsuchung keine Unterlagen gefunden
Aufgrund eines Durchsuchungs- und Beschlagnahmebeschlusses des Amtsgerichts Bochum erfolgte im Jahr 2008 eine Durchsuchung der Wohnung der Kläger, bei der aber keine Unterlagen über ausländische Konten der Kläger vorgefunden wurden. Im Verlauf des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bestritten die Kläger, ein Ehepaar, ihre Berechtigung und den Bezug von Kapitaleinkünften aus der Stiftung. Die Daten, auf die die Steuerfahndung ihren Vorwurf stütze, seien offenbar von dem Verkäufer des Datenträgers gefälscht worden.
Dem Finanzamt lag lediglich ein Konto- und Depotauszug zum 1.1.2002 für die Stiftung vor. Zudem stand fest, dass die Stiftung im Jahr 1995 gegründet worden war. Ob und wie lange die Stiftung nach 2002 noch bestanden hat, konnte nicht geklärt werden.
Unzureichende Grundlage für Schätzung
Das Finanzamt rechnete die Stiftung den Klägern steuerlich zu. Es schätzte ausgehend von dem ihm bekannten Depot- und Kontostand zum 1.1.2002 im Wege einer schätzweisen Rückrechnung durch Abzinsung bzw. Weiterentwicklung des Depotstands für die Zukunft den Klägern Kapitaleinkünfte aus der Stiftung für die Jahre 1997 bis 2007 zu.
Der BFH teilte aufgrund der Aktenlage zwar auch die Auffassung, dass die Kläger hinter der Stiftung stehen und dass dem Ehepaar die Erträge und das Vermögen der Stiftung zuzurechnen sind. Finanzamt und Finanzgericht hätten aber Fehler bei der Schätzung gemacht. Der BFH beauftragte das FG mit der erneuten Prüfung der Sache.
Fazit: Das Finanzgericht muss bei der erneuten Prüfung zwar nicht jede theoretische Möglichkeit des Vermögenszuwachses ausschließen. Es muss aber naheliegende Alternativen prüfen und etwaigen plausiblen Einwendungen nachgehen sowie den beschuldigten Steuerhinterzieher zur weiteren Sachaufklärung auffordern.
Urteil: BFH VIII R 23/16