Auf der Suche nach einer Privatbank
Da wir unerwartet zu unerwartet viel Geld gekommen sind, brauchen wir einen Profi, der uns durch die Untiefen des Kapitalmarktes lotst. Unsere Erfahrungen mit dem Thema Geldanlage sind bislang überschaubar. Wir haben uns mithilfe eines Robo-Advisors ein ETF-Portfolio zusammengestellt, aber tiefere Kenntnisse über die Wirkungsweise der Kapitalmärkte fehlen uns.
Wir sind 33 Jahre jung, wohnen in Berlin und die Großmutter hat – ohne unser Wissen – eine Lebensversicherung für uns abgeschlossen. Diese wurde nun ausbezahlt und 750.000 € liegen auf unserem Girokonto. Wow, danke Oma! In drei Jahren erhalten wir noch einmal dieselbe Summe. Wir benötigen das Geld nicht, sondern möchten es langfristig anlegen, um finanziell auf eigenen Füßen zu stehen.
Solide Berater, gute Atmosphäre
Wir vereinbaren einen Termin mit den Experten der VolksbankRaiffeisenbank Würzburg. Das ist schnell und unkompliziert gemacht. Die freundliche Dame am Telefon stellt keine (unangenehmen) Fragen und erklärt uns lediglich, wohin wir zum Termin kommen sollen. Es folgt per E-Mail eine schriftliche Terminbestätigung.
Das Gebäude, vor dem wir wenig später stehen, macht zunächst einen unspektakulären Eindruck. Es versprüht weder besonders viel Seriosität, noch den Hauch einer gehobenen Privatbankatmosphäre.
Wir werden freundlich von zwei Beratern begrüßt und in ein Beratungszimmer direkt neben dem Schalterraum geführt. Da der Raum jedoch schalldicht abgetrennt ist, ergibt sich dennoch eine vertrauensvolle Beratungsatmosphäre.
Die freundlichen Berater erklären zunächst, dass sie Erstgespräche prinzipiell immer zu zweit führen würden, um einen detaillierteren und genaueren Eindruck von den Kundenwünschen zu gewinnen. Nach kurzem Smalltalk wird der Grund unseres Besuches abgefragt. Der Berater überreicht uns einen Notizblock, damit wir uns Notizen zum Gespräch machen können.
Wie funktioniert eine Genossenschaftsbank?
Die Berater starten mit einem Überblick über die Idee einer genossenschaftlichen Bank. Es wird betont, dass die VR Würzburg über ein Filialnetz von 38 Niederlassungen verfügt und die Mitglieder automatisch Teilhaber der Bank werden. Früher hätte man die VR Bank etwas abschätzig „Kartoffelbank" genannt, heute wüssten die mehrheitlich mittelständischen Kunden das Miteinander einer Genossenschaftsbank sehr zu schätzen. Vertrauen, Zuverlässigkeit, Nachhaltigkeit und Wertschätzung seien die Fundamente, auf denen das Bankgeschäft hier beruht. Keine halsbrecherischen Experimente oder kurzfristigen Spekulationen. Das klingt gut für uns.
Danach beginnt die große Fragerunde der Berater. Sie wollen etwas über unsere Lebensplanung wissen und informieren sich über unsere privaten persönlichen Präferenzen. Wird das Geld für einen teuren Autokauf oder eine Immobilie benötigt, wie sieht der Ist-Zustand in Sachen Finanzen, Versicherungen etc. aus? In welchen zeitlichen Dimensionen denken wir, welche Aspekte sind uns bei einer persönlichen Zusammenarbeit besonders wichtig?
Nur wenn die Bank die Lebensverhältnisse einschätzen kann, so die Berater, könnten sinnvolle und erfolgreiche Anlageempfehlungen ausgesprochen werden. Die Bank, so wird uns vermittelt, will uns bei unserer künftigen Finanzplanung eng begleiten. Zudem möchten die Berater einen Einblick in unseren Verdienst, unsere Risikoneigung und unsere Lebensführung erhalten. Sie empfehlen, einen Teil des Geldes als liquide Reserve zurückzulegen, um jederzeit handlungsfähig zu bleiben.
Mehr ETFs für eine schlanke Kostenstruktur
Manchmal verlieren sich die Berater etwas im Kleinklein. Anstatt die Idee einer ganzheitlichen Vermögensplanung vor uns auszubreiten, verzetteln sie sich in Nebensächlichkeiten. Ausführlich wird betont, dass wir eine Klumpenbildung im Portfolio auf jeden Fall vermeiden müssten, deshalb empfehlen sie, dass keine einzelne Anlageposition mehr als 5 Prozent des gesamten Anlagevolumens ausmachen dürfte.
Zudem betonen die Berater, dass die VR Bank die gesamte Bandbreite des Kapitalmarktes abdecken könne. Neben einzelnen Aktien würde die Bank auch ETFs empfehlen, weil die eine schlanke Kostenstruktur garantieren würden. Es folgt eine etwas ermüdende Erklärung über die Vor- und Nachteil von Fonds beziehungsweise passiven ETFs. Etwas beiläufig erwähnen sie, dass die Kosten so zwischen 1 und 1,5% per anno liegen würden. Dies erscheint uns auch im Vergleich zur Konkurrenz relativ teuer.
Die Berater betonen, dass die VR Würzburg keine „Traderbank" sei, sondern dass hier auf einen systematischen Vermögensaufbau hin gearbeitet werde. Wie das aber in der Praxis laufen soll, erläutern uns die Berater leider nicht. Sie betonen, dass ihre Kunden in der Regel wohlhabend seien und dieses auch gern bleiben würden. Dies mag alles richtig sein, beantwortet aber nicht unsere Frage, welchen Vermögensaufbau sie für uns präferieren würden. Eine häufige Depotumschichtung, so fahren die Berater weiter fort, sei nicht die richtige Vorgehensweise. Es fällt uns auf: Immer dann, wenn es konkret werden könnte, verlieren sich die Berater in Allgemeinplätzen. Dies mindert nicht nur die Gesprächsspannung, sondern ermüdet auch die Kunden.
Ohne Aktien geht es nicht
Zudem betonen die VR-Banker, dass sie uns einen Online-Zugang zum Depot zur Verfügung stellen würden, so dass wir jederzeit die Entwicklung des Depots überwachen können und auch jederzeit schnell und sicher Kontakt mit den Beratern aufnehmen können.
Die Berater bohren noch einmal nach und wollen konkret wissen, welche Erfahrungen wir bereits mit der Geldanlage gemacht haben. Am Ende erklären sie uns, dass für uns eine sorgfältige Diversifizierung der Anlagen besonders wichtig sei. Nur so könnten wir die Bandbreite des Kapitalmarktes abdecken und gleichzeitig die Risiken unter Kontrolle halten. Zudem müssten wir uns auf jeden Fall mit Aktien anfreunden. Sie seien heute der einzige Weg zu einer auskömmlichen Rendite. Gleichzeitig würden Anleihen zwar nicht völlig ausgeschlossen, aber ohne Aktien könnten keinerlei Renditeziele mehr erreicht werden.
Gespräch lässt Kunden ratlos zurück
Gegen Ende des Gesprächs verständigen wir uns darauf, noch einen zweiten Termin zu vereinbaren, erst danach werde die Bank einen Anlagevorschlag unterbreiten. Zudem wollen die Banker wissen, ob wir noch mit anderen Instituten sprechen würden. Nachdem wir auf diese Frage keine direkte Antwort geben, meinen unsere Gesprächspartner, wir sollten auf jeden Fall noch andere Gespräche führen – das werden wir gewiss.
Zum Abschluss gibt es noch etwas Smalltalk über Würzburg, das Wetter und die Bahn. Die Berater bedanken sich für unseren Besuch und unsere Zeit und lassen uns mit der Bemerkung etwas ratlos zurück, dass sie hoffen, sie hätten uns nicht allzu sehr enttäuscht ... Ist das „fishing for compliments" á la Volksbank? Wir verlassen die Bank mit dem Gefühl, zwar eine freundliches und mitunter interessantes Gespräch geführt zu haben, aber wir wissen noch immer viel zu wenig, mit welchen Mitteln die Bank unser Ziel, unser Vermögen sicher und solide zu verwalten, erreichen will. Und wie sie die Mehrkosten gegenüber einem Robo-Advisor wie justETF rechtfertigt.
2019 (TOPs 2020) | Beratungsgespräch | Auf der Suche nach einer Privatbank | zum Shop |
2019 (TOPs 2020) | Beratungsgespräch | Verloren im Kleinklein | zum Shop |
2019 (TOPS 2020) | Keine Struktur, keine Beratung, keine Ahnung |
Fazit
Große Fehler unterlaufen den Beratern der VR Bank in Würzburg nicht, aber sie schaffen es auch nicht, uns von ihren Qualitäten zu überzeugen. Sie spulen ihr Programm ab und lassen den Kunden mit mehr Fragen als Antworten zurück. Mit Private Banking moderner Prägung hat das alles wenig zu tun. Die Berater verlieren sich im Kleinklein, eine zusammenhängende Strategie ist für uns nicht einmal in Ansätzen zu erkennen. Die VR-Banker halten auch mit ihrer Vorgehensweise, dass sie weder ein Gesprächsprotokoll senden noch einen aussagekräftigen Anlagevorschlag unterbreiten, nicht mal Standards des gehobenen Private Bankings ein.
Adresse der Bankniederlassung / Webseite
Volksbank Raiffeisenbank Würzburg eG, Theaterstraße 28, 97070 Würzburg
www.vr-bank-wuerzburg.de
HINWEIS: Dieses Bankenporträt beruht auf den Eindrücken aus einem individuellen Erstberatungsgespräch, das ein zuvor geschulter Testkunde durchgeführt hat. Die wiedergegebenen Eindrücke wurden während des Gesprächs oder unmittelbar danach schriftlich protokolliert. Subjektive Wahrnehmungen lassen sich nicht ausschließen. Der Testkunde hat sich zur Neutralität gegenüber dem getesteten Institut verpflichtet. Die Bewertung wurde nach einem festen Schema vorgenommen, das die Private Banking Prüfinstanz erstellt hat. Es beruht auf der jahrelangen – wissenschaftlich untermauerten – Beschäftigung mit dem Thema Beratungsqualität im Private Banking durch die Private Banking Prüfinstanz, Dr. Richter | IQF und Ralf Vielhaber | Verlag FUCHSBRIEFE.