Anlageberatung mit Blutdruckmessung
„Nähe, Solidität und Bodenständigkeit“ – dafür steht laut eigener Aussage das Beraterteam der Walser Privatbank in Stuttgart. Die Filiale der österreichischen Bank im „Ländle“ gibt es seit 2011, das Mutterhaus im Kleinwalsertal bereits seit 1894. Und bodenständig sind sie wirklich die Walser. Wer sich auf der Homepage umschaut, findet schnell in den Kontakten die persönliche Mail des Vorstands. Wo (abseits der „kleinen“ Vermögensverwalter) gibt es so etwas schon? Nähe und Bodenständigkeit können wir auch im Beratungsgespräch schnell bestätigen. Und wie steht es um die „Solidität“ der Beratungsleistung?
Auf der „Ewigen Bestenliste“ belegt die Walser Privatbank einen respektablen achten Platz. Die gute Platzierung spricht für eine langfristig sehr gute Beratungsleistung. Im Vorjahr gab es zwar einen negativen „Ausreißer“. Die Prüfinstanz urteilte: „Die Walser Privatbank lässt diesmal vor allem atmosphärisch Private Banking-Standards vermissen. Beim Thema Nachhaltigkeit fehlt es (noch) an Tiefe. Vom Zeitmanagement könnte alles ein wenig schneller gehen.“ Doch was im letzten Jahr nicht optimal lief, gelingt den Privatbankiers von Walser dafür in diesem Jahr umso besser.
Der Kunde und seine Anforderungen
- Anlagevolumen 3,5 Mio. EUR
- Vermögen stammt aus einer Erbengemeinschaft, Kunde verwaltet zusammen mit Schwester Immobilie in Berlin Grunewald
- Vermögensanlage als Altersvorsorge
- Langfristiger Anlagezeitraum – Kunde möchte in 15 Jahren in den Ruhestand gehen
- Kunde ist auf Sicherheit bedacht, Inflationsangst, extreme Staatsverschuldung, Angst vor sozialen Unruhen, Furcht vor Crash und Euro-Implosion
- Umzug nach Stuttgart geplant, daher Suche nach einer Bank mit Standort Stuttgart
Blutdruckmessung vor dem Beratungsgespräch
Die Beratungsleistung kann den potenziellen Kunden über große Strecken hinweg voll überzeugen. Das geht schon damit los, dass beim Interessenten der Blutdruck gemessen wird – freilich nicht so wie beim Medizincheck. Es geht um den „finanziellen Blutdruck“, also um die Frage: Wie viel Risiko ist der Kunde bereit in seiner Vermögensanlage einzugehen? Der Kunde wird gebeten, diese Selbstauskunft vor dem Beratungsgespräch auszufüllen.
Abgefragt werden Dinge wie ab wann der Kunde finanzielle Schwierigkeiten bekommen würde, sollte das Portfolio absacken. Auch die Risikobereitschaft in der Vergangenheit oder Entscheidungsfragen à la würden Sie ein Haus jetzt zu 300.000 verkaufen oder später zu 600.000, auch wenn diese Prognose mit Unsicherheiten behaftet ist? Am Ende wird der Fragebogen ergeben, dass der interessierte Kunde verhältnismäßig risikobereit ist – und das trotz seiner Ängste in Bezug auf Inflation, Staatsverschuldung, Konjunktur, usw. Der Anlagevorschlag wird das widerspiegeln.
Vorbildliche Betreuung
Die Berater sind sichtlich darum bemüht, den Kunden voll und ganz in seinen Bedürfnissen zu verstehen. Sie stellen viele Fragen: Müssen wir noch steuerliche Dinge beachten bei der Erbschaft? Wie steht es um Ihren Job? Sie wollen für das Alter vorsorgen – wie viel möchten Sie in 15 Jahren monatlich aus Ihrer entnehmen? Haben Sie Kinder? Im Anlagevorschlag und in den Gesprächsprotokollen (die in Zeiten digitaler Beratungen immer seltener werden) wird das alles korrekt wiedergegeben. Der Kunde fühlt sich im wahrsten Sinne verstanden.
Gelegentlich gilt ja der Spruch „Zu viele Köche verderben den Brei“ – bei der Walser Privatbank ist das nicht so. Am Ende des Beratungsprozess hat der Kunde zwei Berater und einen Portfoliomanager kennengelernt, die mit ihm zwei gut abgestimmte und strukturierte Beratungsgespräche führten.
Individualität im Anlagevorschlag
Der Anlagevorschlag trägt den passenden Titel: „Ihr Weg in einen sorgenfreien Ruhestand.“ Damit greift er zwei zentrale Kundenwünsche auf. Denn der Kunde ist in der Tat besorgt – Walser verspricht diese Sorgen zu nehmen. Und der Ruhestand ist, wie bereits erwähnt, das langfristige Verwendungsziel der Anlage.
Dem Kunden gefällt auch, dass die Berater seine Ruhestandsplanung im Anlagevorschlag aufgreifen und grafisch gut darstellen. Anhand einer Kurve wird ihm verdeutlicht, wie sehr die Ausschüttungen für seine Rente jährlich steigen müssen, wenn er in 20 oder 30 Jahren noch dieselbe Kaufkraft erhalten möchte. Die wird bekanntlich durch die Inflation jährlich geschmälert. Die Walser rechnen vor, dass bereits bei einer angenommenen Inflation von lediglich 1,5% p.a. im Jahr 2065 20.000 Euro den heutigen Wert von 10.000 Euro entsprechen. Laut dem Anlagevorschlag sei das auch mit der Vermögensstrategie der Walser vereinbar.
Walser empfiehlt hohe Aktienquote
Da die Blutdruckmessung ergab, dass der Kunde trotz Ängsten bereit ist hohe Risiken einzugehen, empfiehlt das Beratungsteam eine Anlage in 80% Aktien und 20% Renten. 40% soll in europäische Aktien investiert werden, 20% US-Aktien, 10% Japan und 10% Emerging Markets. Hinzu kommen 20% europäische Unternehmensanleihen. Zudem wird nur in nachhaltige Titel investiert.
Für dieses Portfolio veranschlagen die Stuttgarter 1,19% inkl. UsSt. Nach diesen Gebühren, Steuern und der Inflation sollen dem Kunden netto 2,38% Rendite jedes Jahr verbleiben. Ein Blick auf historische Krisen (Dotcom-Blase, Finanzkrise 2008) zeigt, dass es bei größeren Verwerfungen in der Vergangenheit 45 Monate – also fast vier Jahre – dauerte, bis sich das Portfolio erholte. Diese Durststrecke ist im Falle des Falles der Preis, den der Kunde für seine Rendite-Ambitionen zu zahlen hat.
Schwächen der Beratung
Doch ganz ohne Kritik geht es auch bei dieser Beratung nicht ab. Der Themenschwerpunkt „Vermögensabsicherung“ hätte weitaus mehr Raum vertragen. Zwar erhält der Kunde nach dem Beratungsgespräch einen Kapitalmarktausblick aus dem hauseigenen Research, das durchaus optimistisch stimmen kann. Das ist insgesamt aber etwas wenig.
Auch zum Investmentprozess hätte es mehr Informationen geben können – gerade im Anlagevorschlag. Das Thema wird in der Beratung erläutert, Walser fokussiere auf solide Unternehmen mit starken Bilanzen und guten Perspektiven. Risikoreiche Jungunternehmen oder neue Trends (der Berater nennt Elektromobilität und Wasserstoff) seien aber nicht Sache der Stuttgarter. Auch zum nachhaltigen Investmentprozess finden sich im Anlagevorschlag keine Angaben.
Ein paar mehr Details hätten gut getan
Zudem vermisst der Kunde schmerzlich im Anlagevorschlag den Detailblick in die Vermögensanlage. Es gibt keine Auflistung über die Aktien oder Fonds, in die die Walser investieren wollen. Das ist ein echtes Manko.
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Fazit: Nach dem Negativ-Erlebnis des letzten Jahres ist die Walser Privatbank in diesem Jahr wieder „back on track“. Vor allem Betreuung und Individualität können überzeugen. Auch die Blutdruckmessung ist innovativ und aufschlussreich. Die Beratungsgespräche sind prinzipiell solide und nehmen sich viel zeit für den Kunden. Dennoch hätten einige Bereiche mehr Tiefgang benötigt. Gleiches gilt auch für den Anlagevorschlag.
Empfehlung: Trotz kleinerer Schwächen qualifiziert sich die Walser Privatbank für den Beauty Contest.