Bankhaus Metzler: Die Pflicht gemeistert, bei der Kür gepatzt
Wir sind im Bankhaus mit Eigen-Sinn, da wo Unabhängigkeit im Kopf als das Entscheidende gilt. Wo man Wert und Werte im Blick behält. Vielleicht braucht es zu einer solchen Haltung (großzügig gerechnet) 305 Jahre Unabhängigkeit wie beim Bankhaus Metzler. Solchen Eigen-Sinn haben wir bisher schmerzlich vermisst – die Bankenwelt wird doch eher von einem umfassenden Gemein-Sinn getragen. In weit überwiegender Mehrzahl der Fälle vertritt man die zweckoptimistische Ansicht: „Alles wird gut“. Ist das bei Metzler anders?
Doch worum geht es dem Kunden, einem Kaufmann im Ruhestand, mit gutem Alterseinkommen, der aus einem Immobilienverkauf 3,5 Mio. „übrig“ hat? Dieses Geld will er werterhaltend anlegen, also mit Inflationsausgleich.
Und schon treten Fragen auf:
- Wie könnte sich denn die Inflation angesichts der Corona-Geldschwemme entwickeln?
- Ist möglicherweise der Euro durch die Schuldenorgien der Staaten in Gefahr?
- Und wie werden die Gesellschaften mit der wachsenden (Vermögens-)Ungleichheit umgehen?
- Kann man sein Geld überhaupt noch mit einer langfristigen Perspektive von zehn Jahren und mehr anlagen?
Ein guter Ruf eilt der Bank voraus
Metzler, eine Privatbank in Familienbesitz, eilt tatsächlich der Ruf voraus, den Kopf zum Denken (und nicht nur zum Nachplappern) einzusetzen. Wir sind gespannt, ob dieser Ruf nach unserer beratungs-Session auch noch nachhallt.
Stärken des Gesprächs
Tatsächlich gelingt dem Bankhaus die Kür – das Beratungsgespräch – weitestgehend ohne Fehl und Tadel zu absolvieren. Schon die Webseite wirkt auf den Interessenten modern, aufgeräumt, ansprechend. Das Alleinstellungsmerkmal, die Traditionsbank in Familienbesitz, die schon so manchen Sturm der Geschichte ohne Bruch und Leck überstanden hat, steht im Mittelpunkt.
Der Kunde trifft beim Kontakt mit dem Haus auf freundliches, engagiertes und kompetentes Personal. Positiv findet er, dass in Corona-Zeiten eine Beratung am Bildschirm erfolgen kann. Das klappt technisch auch ganz gut.
Interessierter Berater
Das Vorgespräch kommt schnell und einfach zustande und der Berater zeigt sich interessiert am Kunden und kompetent in seinen Fragen. Er verschafft sich einen groben Überblick über den Grund des Anrufes, die Befindlichkeiten des Kunden, die er oftmals bestärkt und/oder sich zu eigen macht und Lösungen andeutet. Trotz einer gewissen Intensität hat der Interessent nie das Gefühl ausgefragt zu werden. Und was dem Kunden in spe insbesondere gefällt: Der Betreuer weist darauf hin, dass diese Befürchtungen auch im Bankhaus durchaus gesehen werden. Kurz, der Interessent fühlt sich gut aufgehoben.
Am eigentlich Beratungstermin nimmt ein weiterer Berater aus dem Anlagemanagement teil. Das ist prinzipiell gut. Vier Ohren hören mehr als zwei. Oder sollten es zumindest. Wir werden noch sehen, dass das bei Metzler nicht ganz funktioniert.
Schnell zum Kern der Sache – Ganzheitlichkeit fehlt
Die Berater halten sich nicht lange mit Randthemen auf, sondern kommen schnell zum Punkt: den Kernanliegen des Kunden, eine Perspektive aufgezeigt zu bekommen und Möglichkeiten, wie sich eine Brandmauer ums Vermögen ziehen lässt. "Wir wollen nicht klüger als der Kunde sein“, heißt es da. Wir setzen um, was Sie möchten. Sie sollen aber immer nachvollziehen können, warum wir handeln, gehandelt haben, aber auch warum eventuell nicht. So haben wir zum Beispiel italienische Staatsanleihen gekauft – aber das warum haben wir unseren Kunden erläutert". Ja, das wünscht man sich.
Was außerdem gut gefällt: Es herrscht eine ausgeprägte Fähigkeit zum fachlichen Diskurs. Der Kunde wird auf Augenhöhe bedient, man passt sich seinen Kenntnissen zu Kapitalmärkten an. Zudem sind die Aussagen des Kunden aus dem Vorgespräch parat, auch der Assetmanager kennt sie. Auch ist der Berater ehrlich: „Wenn Sie bei der Aussage bleiben, ich will in 5 Jahren kein Geld verloren haben, dann haben wir ein Problem, Ihnen ein Angebot zu unterbreiten. Ohne Risiko geht es nicht mehr, Ertrag zu erwirtschaften.“ Ehrlich währt am längsten …
Anschaulich erklärt
Die eigene Rolle des Hauses wird anschaulich erklärt: „Sehen Sie uns als Architekten. Sie geben vor und wir bauen die Anlage. Wir brauchen ein Ziel, Kapitalerhalt nach Inflation ist für uns eine Größe, an der wir ansetzen könnten.“
Und, Chapeau, der Berater hört wirklich zu: „Ich habe auch herausgehört, dass Sie mit Ihrem Geld etwas Sinnvolles machen wollen. Dann sollten wir auch das Thema Nachhaltigkeit einbauen.“ Klasse, und jetzt dazu das passende Anlagekonzept …
Die Schwächen von Metzler
Nun käme die Kür. Und hier patzt das Traditionsbankhaus. Und zwar gehörig. Der schriftliche Teil misslingt reichlich. In der Gesprächsdokumentation sind bereits etliche Schwachstellen zu finden. Es fällt auf, dass nicht gefragt und nicht aufgeführt wird, dass der Interessent verheiratet ist. Hier zeigt sich, dass bei Randthemen zu wenig nachgefragt wurde. Die Wortwahl ist oft indifferent: Direktimmobilien – was ist gemeint? Substanz-/Nominalvermögen: Das wurde nie erläutert, hier geht dem Banker sprachlich der Gaul durch. Und die Folie „Vermögensbilanz“ ist für den Kunden nur teilweise lesbar.
Weiter geht’s: Erwähnt wird eine Hausbank; doch eine solche hat der Kunde nie erwähnt; er berichtete nur, dass er mit seiner Vermögensverwaltung seit 20 Jahren bei einer Privatbank sei. Und diese Aussage ist geradezu falsch: "In Folge des Immobilienverkaufs in Berlin und der Verschiebung Ihrer Vermögensallokation denken Sie über eine Zusammenarbeit mit einem alternativen Vermögensverwalter nach." Nein, das ist nicht der wahre Grund. Der Interessent hatte offen über seine Ängste gesprochen und darüber, dass er den Eindruck habe, dass seine Privatbank nicht auf die geänderten Rahmenbedingungen reagiere.
Fehler im Protokoll
Irreführend ist ebenfalls die Aussage, dass Nominalwerte beim Kunden dominant seien. Der Kunde hatte angeführt, den Immobilienverkauf einem Makler übergeben zu haben und dass das Anlagekapital aus dem Verkaufserlös stammen werde.
Erwartet hätte der Kunde auch, dass Metzler näher auf seine Bitte, den Vermögenserhalt nach 5 Jahren sicherzustellen, eingehen würde. Dieser Passus fehlt im Gesprächsprotokoll.
Anlagekonzept von der Stange
Ähnlich schwach wie das Gesprächsprotokoll erweist sich auch das verschriftlichte Anlagekonzept. Ein Vorschlag von der Stange. Das Thema Nachhaltigkeit wird richtigerweise erwähnt, im Aktienanteil sucht der Kunde jedoch vergeblich nach einer Umsetzung – etwa zum Thema Energie. „Wir machen nicht alles“ – So soll die Aussage von Partner Emmerich Müller doch hoffentlich nicht verstanden werden?
Zu erwähnen bleibt auch: Metzler gibt auf Fragen der Redaktion keine Auskunft – Transparenz sieht anders aus. „Richtschnur unseres Handelns sind Transparenz und Glaubwürdigkeit“, lässt sich Partner Harald Illy auf der Webseite zitieren. Warum steht man dann nicht dazu?
Mangelnde Wettbewerbsorientierung?
Und auch als komparativ beweist sich die Bank der FUCHS|RICHTER PRÜFINSTANZ gegenüber nicht: Bei den Performance-Projekten muss man sie zum Jagen tragen. Im Performance-Projekt 5, vermögensveraltende Fonds, ist Metzler „passiv“ dabei, wenn auch nicht gerade mit übermäßigem Erfolg.
Schließen wir positiv: Das Absagegespräch verläuft wieder professionell empathisch: Der Berater erkundigt sich, warum die Wahl auf einen Konkurrenten gefallen sei und bietet auch an, im Gespräch zu bleiben. Er stünde gerne zu einem späteren Zeitpunkt für eine Zweitmeinung zur Verfügung. Erfreulich!
Kontakt
Zusatzinfos
- Institutsgruppe: Privatbank
- Dienstleistungen für Private Banking/Wealth Management-Kunden: Vermögensverwaltung
- Alleinstellungsmerkmal (USP) am Markt? keine Angabe im Fragebogen
- Verwaltete Kundengelder (assets under management): keine Angabe im Fragebogen
- Nettoneugeld 2020: keine Angabe im Fragebogen
- Teilnahme am FUCHS-Performance Projekt: ja (passiv in Performance-Projekt 5, vermögensverwaltende Fonds)
Fazit: Die Diskrepanz zwischen Beratungsgespräch und schriftlichem Anlagekonzept ist auffällig. Eigen-Sinn und Unabhängigkeit, beides war im Gespräch durchaus zu erfahren. Die Pflicht hat Metzler also mit einiger Bravour bestanden, doch bei der Kür gepatzt. Woran liegt’s? Ist ein Kunde mit 3,5 Mio. im Gepäck noch zu klein für diese Privatbank, damit diese dann auch „den letzten Meter“ geht? So jedenfalls fehlt es dem Kunden an Individualität. Da ist er ganz eigen-sinnig …