Beratungsgespräch: Voller (Zweck-)Optimismus
Eigentlich stellt Vermögensschutz ein originäres Thema im Private Banking dar. Letztlich geht es immer darum, große Vermögen zu erhalten (und bestenfalls zu vermehren). Umso erstaunlicher, wie häufig die Kunden mit schnellen Lösungen in Form eines Standardvorschlags abgefertigt worden sind und wie selten die Berater die Kunden mit ihren Sorgen und Ängsten abgeholt haben.
Regelmäßig herrscht bei den Bankern ein ungetrübter Zweckoptimismus vor. Mögliche Risiken werden von den meisten Finanzinstituten nur benannt, um sie im gleichen Atemzug zu entkräften. Hinzu kommt, dass die meisten Banken erstaunlich kurzfristig denken. Selten reicht der Marktausblick über das laufende Jahr hinaus. Was bei einem langfristigen Anlagehorizont von über zehn Jahren – im guten und im schlechten Sinne – alles passieren könnte, dafür fehlt es den Beratern offenbar an Fantasie und an der Bereitschaft, volkswirtschaftlich lange vorauszudenken.
Unverzeihliche Fehler
Ignoranz und fehlende Empathie
In vielen Fällen haben die Berater nicht erkannt, wie wichtig dem Kunden seine Konjunktursorgen sind, nämlich die konkreten Befürchtungen, dass das Finanz- und Währungssystem zusammenbrechen könnte. Deshalb verwundert es nicht, dass diese häufig einfach übergangen worden sind. Lieber widmet man sich dem Bereich, in dem man sich sicher und zu Hause fühlt: Sei es die Vorstellung des eigenen Hauses, der eigenen Vermögensverwaltung, der eigenen Produktpalette oder aber der formalen Risikoanalyse des Kunden (schlimmstenfalls das stupide Abarbeiten des WpHG-Fragebogens). Alles überschaubar im Unterschied zu volkswirtschaftlichen Szenarien, mit denen der Berater möglicherweise Gefahr läuft, sich auf’s globale Glatteis zu begeben und für seine Prognosen auch noch Verantwortung übernehmen zu müssen.
„Maulschellen“ und Zurechtweisungen
Wenn der Kunde seine Sorgen zu still vorträgt, wird er häufig nicht gehört. Trägt er sie indes sehr deutlich vor, so muss er möglicherweise mit hartem Gegenwind rechnen. So geschehen bei einer österreichischen Bank, wo der Kunde den Begriff der Hyperinflation in den Mund nahm und ein betagter Berater ihm daraufhin eine Maulschelle mit den Worten „alles Schwachsinn“ verpasste. Letztlich solle sich der Kunde mit seiner Laienmeinung zurückhalten und den Beratern das Feld überlassen. Tatsächlich weist ihn der Senior zurecht, indem er ihn dazu auffordert, sich den Bankkaufleuten widerspruchslos anzuvertrauen. Schließlich seien sie die Experten auf ihrem Fachgebiet – der Wirtschaft. Vergeblich versuchten die jungen Kollegen, ihren „altklugen“ Kollegen zur Ruhe zu bringen. Immerhin bat dieser am Ende des Beratungsgesprächs bei dem Kunden für seine Zurechtweisungen um Entschuldigung. Zu spät: Die Gesprächsatmosphäre hatte bereits zu sehr darunter gelitten und das Vertrauen war erheblich gestört.
Beschwichtigungen und Verniedlichungen
Viele Banken haben es sich einfach gemacht, indem sie die Kundensorgen kleingeredet haben. Immer wieder bekamen unsere Testkunden zu hören, bei Corona handle es sich um eine Gesundheits-, nicht aber um eine Finanzkrise. Dass diese „reine Gesundheitskrise“ jedoch dramatische Auswirkungen auf die weltweite Schuldensituation der Staaten sowie den globalen Handel hat, übergehen die Finanzexperten in dem Zusammenhang gern. Die Konjunktursorgen unserer Tester beschwichtigten einige Banker mit den Worten, dass die Gesellschaft mehr als die Wirtschaft gelitten habe. Und dabei blieb man gern auch im Hier und Jetzt. Nur wenige Banken waren bereit, einen Ausblick zu wagen, der über das Jahr 2021 hinausreicht.
Mitteilungsbedürfnisse und „Fachvorträge“
Gefährlich kann es auch werden, wenn dem Asset Manager zu sehr das Wort im Beratungsgespräch überlassen wird. Selbst wenn er fachlich noch so korrekt vorträgt, kommt es immer wieder vor, dass der Kunde mit seinem Anliegen im Laufe des „Fachvortrags“ verloren geht. Dies war beim Bankhaus Metzler der Fall, wo das im Vorgespräch durch den Relationshipmanager aufgebaute Vertrauen schließlich zum Erliegen kam. War das Vorgespräch mit dem Kundenberater noch von Empathie und Verständnis geprägt, so bestimmte der Asset Manager das eigentliche Beratungsgespräch mit reichlich Zahlen und Fakten, jedoch mit wenig Einfühlungsvermögen für die konkreten Inflationsängste des Kunden sowie seine Sorge, dass aufgrund der zunehmenden Einkommensschere der soziale Frieden bedroht sein könnte. Der überforderte Kunde vermerkt schließlich: „Bei den Ausführungen des Asset Managers habe ich manchmal abgeschaltet, da zwar inhaltlich interessant, aber einfach zu viel des Guten."
Am Anfang einer jeden Kundenbeziehung heißt es „Fragen stellen und Zuhören“ und nicht etwa umgekehrt: „Ich weiß nicht viel über Ihre Ängste und Beweggründe, aber ich habe mir folgende Gedanken gemacht.“ Offenbar konnte dieser Finanzexperte der Bank Alpinum AG sein Mitteilungsbedürfnis nicht zügeln und startete daraufhin seine kundenferne Präsentation. Der Kunde blieb außen vor und wurde nur gelegentlich als Stichwortgeber beim Beantworten rhetorischer Fragen einbezogen. Manchmal ist es übrigens nicht nur die Fachsprache, die den Kunden vom Berater distanziert. Im Falle der Schweizer Privatbank Pictet zog man einen englischsprachigen Nachhaltigkeitsexperten hinzu. Diesem zu folgen, stellte nicht nur fachlich, sondern auch sprachlich eine Herausforderung dar.
Erfolgreiche Vermögensschützer
Nun stellt sich angsichts des besorgten Kunden die Frage: Wie kann der Berater es dem Kunden recht machen und ihn so „abholen“, dass dieser sich nicht nur verstanden fühlt, sondern darüber hinaus den Eindruck hat, dass die Bank und deren Vermöegensverwaltung für den Schutz seines Vermögens sorgen werde?
Schicksalsreiche Bankenhistorie als Vertrauensbeweis
Dies fängt mit der Vorstellung des eigenen Hauses an. Diese sollte immer kurzweilig sein und darf den Kunden auf keinen Fall ermüden. Einfühlsame Berater verstehen es, die Präsentation ihrer Bank so kurz wie möglich zu gestalten. Es spricht beispielsweise nichts gegen die Vorgehensweise des Münchener Beraters von Bethmann: Dieser hat den Kunden einfach gefragt, ob er weitere Informationen zum Bankhaus wünsche und es damit dem Kunden überlassen, wie weit er gehen soll. Wirklich wichtig ist vor allem die Frage, wie der Berater glaubwürdig Solidität und Sicherheit des eigenen Finanzinstuts vermitteln kann. Dabei haben es traditionelle Privatbanken per se leichter: Sie können in der Regel auf eine bewegte Bankenhistorie zurückblicken und haben damit indirekt bereits den Beweis angeführt, dass das Bankhaus unterschiedlichste Krisen zu meistern weiß.
„Schuster bleib bei deinen Leisten“ als Zeichen von Demut
Jüngere Häuser können einen solchen Vertrauensbeweis nicht anführen. Sie können möglicherweise auf ihr Wachstum, ihre wirtschaftliche Stärke und ihre solide Anlagepolitik hinweisen. Gerade bei den österreichischen Banken wie der Bank Gutmann und der Capital Bank (jetzt: Schelhammer Capital) bekamen die Tester häufig zu hören, dass die Häuser sich gemäß der Devise „Schuster bleib bei deinen Leisten“ von Spekulationen fernhalten und jenseits des etablierten Wertpapiergeschäfts keine Investitionen vornehmen würden. Und schließlich hielten einige Berater den Hinweis für nötig, dass das Wertpapierdepot unabhängig vom eigenen Haus existiere und selbst im Falle einer Insolvenz geschützt sei. Was die Euro-Skepsis einiger Kunden betrifft, da hatten die Schweizer Banker gewissermaßen ein „Heimspiel“, indem sie auf den Schweizer Franken als sicheren Hafen verweisen konnten.
Vom „Joker“ nur selten Gebrauch gemacht
Dem verunsicherten Kunden ist es wichtig, dass seine Bank die Börse versteht und trotz aller wirschaftlicher Unsicherheiten das Gefühl vermittelt, die Märkte „im Griff“ (oder zumindest immer im Blick) zu haben. Besonders profilieren konnten sich in diesem Jahr Banken wie etwa Julius Bär (CH) oder die VP Bank (Li): sie haben im Unterschied zu den meisten Banken, ihre Chefökonomen in die Beratungsgespräche miteingebunden. Wenn von der Wirtschaft die Rede ist, kann die Politik nicht gänzlich verschwiegen werden. Soll heißen: Wer ein nachvollziebares Big Picture entwirft, kommt nicht umhin, positive und negative wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen zu benennen. So ist auch das Bankhaus Carl Spängler vorgegangen. Die österreichische Traditionsbank ist ausführlich auf die Konsequenzen der US-Wahlen auf die globale Wirtschaft eingegangen.
Ehrlichkeit zahlt sich aus
Niemand lässt sich gern ein X für ein U vormachen – auch nicht Private Banking-Kunden. Wenn diese mit übertriebenen Renditeerwartungen an den Berater herantreten, so sollte sich dieser vor falschen Versprechungen hüten und stattdessen unrealistische Chance-Risiko-Verhältnisse geraderücken. Diesen Fall haben unsere Testkunden mehrfach erlebt. Und Banken wie die BW Bank oder die LGT haben dann auch desillusionierend, aber ehrlich auf den Kunden eingewirkt und ihm erklärt, dass in dem Dreier-Spannungserhältnis zwischen Sicherheit, Ertrag und Verfügbarkeit ggf. eine Kennziffer korrigiert werden müsste, um die anderen beiden Ziele zu erreichen. Die BW-Bank beispielsweise sah sich gezwungen, die Aktienquote deutlich anzuheben und musste dem Kunden trotzdem signalisieren, weder seine Renditeerwartung noch sein Sicherheitsbedürfnis voll erfüllen zu können.
„Standardfehler“
Und auch von den immergleichen und Jahr für Jahr wiederkehrenden Fehlern muss an dieser Stelle die Rede sein. „Same procedure as every year...“ heißt es hier. Doch wir wollen es kurz halten und uns auf die Kardinalsünden beschränken.
Inhaltsarme Vorgespräche
Zwar dienen die Kontaktaufnahme sowie das telefonische Vorgespräch in erster Linie der Terminvereinbarung. Dies soll aber nicht heißen, dass die wesentlichen Eckpunkte nicht schon erfragt werden können, ja sogar sollten. Nur wenn der Berater bereits im ersten Telefonat herausfindet, was dem Kunden bei der Vermögensanlage wichtig ist, ob es K.O.-Kriterien für ihn gibt und was die Rahmenbedingungen seiner Geldanlage sind, kann er disponieren und ggf. noch einen Experten hinzuziehen – sei es aus dem Bereich der Nachhaltigkeit oder der Volkswirtschaft. Auf den Nachhaltigkeitsexperten kann offenbar beim Erstgespräch kaum noch verzichtet werden. Zumindest ist er als Ansprechpartner bereits fester Bestandteil, um den Kunden mit seinem Anliegen besser kennenzulernen. Dies ein Ergebnis der diesjährigen Testreihe.
Anders verhält es sich mit dem Chefökonom oder Marktexperten. Ist der Asset Manager in den meisten Fällen beim Erstgespräch dabei, um die Depotstruktur und die Anlagestrategie zu (er)klären, so gab es nur wenige Banken, die angesichts der Konjunktursorgen den hauseigenen Volkswirt mit an Bord genommen haben. In vielen Fällen wäre besser der Volkswirt als der Nachhaltigkeitsexperte gefragt gewesen. Dies hätte viele Gespräche lebendiger und vielleicht auch etwas kontroverser gemacht. Darüber hinaus sind gute Berater in der Lage, Small Talk in Deep Talk zu verwandeln und so wichtige persönliche Informationen nebenbei zu erfragen, ohne das Gespräch dabei steif werden zu lassen. Und ja: Manchmal ist der Kunde schon abgeschreckt, bevor er überhaupt die Gelegenheit hat, mit dem Berater ins Gespräch zu kommen. So etwa bei der Frankfurter Sparkasse, wo sich der Kunde so unfreundich behandelt fühlte, dass er danach am liebsten auf weitere Gespräche verzichtet hätte.
Abschreckende Rechthaberei
Es gibt bekanntlich den Grundsatz: „Der Kunde hat immer Recht.“ Diese Maxime soll sicherlich nicht überstrapaziert werden. Wenn es aber nach einem überzeugenden Vorgespräch zu Missverständnissen bei der Terminabsprache kommt und dem Kunden dafür die Schuld gegeben wird, dann ist dies in der „Warming-Up-Phase“ des Beratungsgespräch eindeutig ein Eigentor. Denn nach derartigen „Beschuldigungen“ ist es in der Regel schwierig, verlorenes Vertrauen wieder aufzubauen. Dies war beispielsweise bei der Münchener Niederlassung der Traditionsbank Berenberg der Fall. Nach einem exzellenten Vorgespräch hat der Berater durch seine Rechthaberei den Einstieg ins eigentliche Beratungsgespräch vermasselt. Es ist nie verkehrt, für Fehler um Entschudligung zu bitten – selbst wenn es sich bloß um Missverständnisse handeln sollte. Von „Missverständnissen“ waren in diesem Jahr die Terminvereinbarungen des Kunden mit den Deutsch Bankern geprägt. Mehrfach hielt man sich nicht an die dem Kunden zugesagten Termine und ging dann im Beratungsgespräch darüber wortlos hinweg, ohne um Entschuldigung zu bitten.
Die Bank im Mittelpunkt
Manchmal ist die (Selbst-)Vorstellung einfach raumfüllend, so dass kein Platz mehr für den Kunden mit seinem Anliegen verbleibt. So etwa bei der Vermögensverwaltung FOCAM: Hier fiel es dem Kunden schwer, sich mit seinem persönlichen Anliegen Gehör zu verschaffen, so sehr war das Gespräch geprägt von den Ausführungen der Berater über ihr eigenens Haus, ihre eigenen Produkte und ihre eigene Strategie. Es scheint fast so, als fürchteten einige Berater, sich und das, was sie alles anzubieten haben, nur unvollständig vorzustellen. Und selbst wenn es gut gemeint sein sollte, dem Kunden das gesamte Dienstleistungsportfolio auszupacken, so hat es in der Regel doch eher eine überfordernde und abschreckende Wirkung. Dies erlebte ein Testkunde bei einer Stuttgarter Filiale der Commerzbank, wo man ihm den umfangreichen Bauchladen der Großbank feilbot, es hingegen versäumte, ihn mit seinem spezifischen Anliegen abzuholen. Auf diese Weise wandelt sich das ergebnisoffene Beratungsgespräch schnell in ein vertriebsgetriebenes Verkaufsgespräch um. Auch in diesem Jahr war es wieder erstaunlich, das Mitteilungsbedürfnis vieler Berater zu erleben. Bei dem Vermögensverwalter PEH Wertpapier erschien es dem Kunden am Ende, als ob er selbst ein und der Berater 99 % des Gesprächs bestritten hätte. Dabei sollte inzwischen bekannt sein, dass sich gute Beratungsgespräche durch empathisches Zuhören und die richtigen Fragen zum richtigen Zeitpunkt auszeichnen.
Ungleiche Rollenverteilung
Zu den immer wiederkehrenden unverzeihlichen Fehlern zählt es auch, wenn die anwesenden Banker sich gegenseitig klein machen oder wenn die Gesprächsbeiträge so verteilt sind, dass der eine alles und der andere nichts „zu melden hat“. Dies erlebte beispielsweise ein Kunde bei der Bayerischen Vermögen. Hier führte der Vorstand das Beratungsgespräch im Alleingang und ließ den als Kundenberater und Relationshipmanager vorgesehenen Niederlassungsleiter gar nicht zu Wort kommen. Sein geforderter Einsatz beschränkte sich darauf, seinen redseligen Boss zwischendurch mit einem Glas Wasser zu versorgen. Das wirkt auf den Kunden unterwürfig und peinlich. Teamwork sieht ohnehin anders aus.
„Nur“ durch einen WpHG-Bogen vom Kunden getrennt
Immer wieder mussten wir auch in diesem Jahr erleben, wie sich der WpHG-Bogen in den Weg stellte, wenn der Berater bereits dabei war, den Kunden für sich und seine Dienstleistung zu gewinnen. Spätestens wenn die geforderten Kundendaten Frage für Frage abgelesen werden, ist die Gesprächsatmosphäre dahin. Wer wie das Wealth Management der Deutschen Bank darauf pocht, erst einmal der gesetzlichen Regulatorik zeitintensiv Genüge leisten zu müssen, um dann den WpHG-Fragebogen mühsam abarbeiten zu müssen, verliert irgendwann auf der langen Strecke seinen Kunden. Dass es auch deutlich charmanter und individueller geht, haben zahlreiche andere Banken vorgemacht. Auch sie haben im Laufe des Gesprächs die notwendigen Informationen vom Kunden eingeholt, um einschätzen zu können, welche Anlagerisiken der jeweilige Kunde eingehen darf. Doch haben sich die Fragen aus dem Gespräch heraus ergeben. Im Dialog hat sich der Kunde bereitwillig geöffnet und dabei en passant die notwendigen Daten für eine umfängliche Evaluierung preisgegeben. Auch bei der Beachtung der regulatorischen Vorschriften kommt es eben auf das „Wie“, also auf die Umsetzung an. Das „Herunterbeten“ eines WpHGFragebogens, wie es der Kunde bei der Deutschen Bank erleben musste, sollte – wenn überhaupt – dem Retail Banking vorbehalten sein.