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MiFID-Vorgaben in der Praxis kaum einhaltbar

Krisen-Kommunikation im Private Banking

(c) Verlag Fuchsbriefe, Bildmaterial envato elements
In der jüngsten Vergangenheit häuften sich extreme Marktereignisse. Seien es Lehmann-Pleite, Brexit, Trump-Wahl, Corona-Crash oder der Ausbruch des Ukraine-Krieges – unverhofft kommt oft und zuletzt sogar immer öfter. Die FUCHS|RICHTER Prüfinstanz wollte wissen: Wie schnell und in welcher Form informieren die Banken und Vermögensverwalter ihre Kundschaft?

Alle Banken und Vermögensverwalter haben Systeme entwickelt, um Kunden bei extremen Marktereignissen zu informieren. Das ist der eindeutige Befund der 55 Finanzinstitute, die der FUCHS|RICHTER Prüfinstanz dazu Auskunft gegeben haben. Gänzlich überraschend ist diese Antwort nicht. Denn die MiFID-Richtlinie verpflichtet die Häuser zu einem Verlustschwellen-Reporting – das heißt, wenn ein Kundenportfolio 10% an Wert verliert, muss es eine Mitteilung geben, bei weiteren 10% ist die nächste Mitteilung Pflicht.

Wie der Weg vom Extremereignis bis zur Kundeninformation konkret aussehen kann, stellt uns die Globalance Bank vor. Diese habe beim Ausbruch der Ukraine-Kriegs am 24.02.2022 kurzfristig eine Sitzung des Anlagekomitees initiiert und die Marktlage diskutiert. Dabei hätte sich das Team auf eine Reduktion der Aktienquote (Untergewichtung) in den Vermögensverwaltungsmandaten entschieden und dies am selben Abend in allen Portfolios umgesetzt. Die Kommunikation erfolgte am 25.02.

Taggleiche Mitteilung ist Pflicht

Wie die Globalance Bank, bemühen sich auch alle anderen Banken um eine schnellstmögliche Kommunikation. Schnellstmöglich heißt hier für die allermeisten eine Benachrichtigung noch am selben Tag, spätestens am nächsten Werktag. Nur in Ausnahmefällen erfolgt die Kontaktaufnahme erst nach zwei Tagen.

Mit der MiFID-Richtlinie konform ist dabei tatsächlich nur die taggleiche Mitteilung. Laut Art. 62 muss das Verlustschwellen-Reporting spätestens am Ende des Geschäftstags, an dem der Schwellenwert überschritten wird, erfolgen. Eine Mitteilung am Folgetag ist damit laut Wortlaut zu spät und stellt ein haftungsrechtliches Risiko für das Haus dar. Dass die Meldung am Folgetag aber gelebte Praxis ist – und wohl auch kaum anders umzusetzen – zeigt die praktische Problematik der Richtlinie.

E-Mail als Mindeststandard

Hinsichtlich der Qualität des Kunden-Informations-Prozesses zeigen sich deutliche Unterschiede. Am Anfang des Prozesses steht bei vielen Anbietern ein (automatisierter) E-Mail-Versand, wenn ein definiertes Ereignis (etwa 10% Wertverlust) eintritt. Bei Kunden ohne Mailzugang, erfolgt die Ansprache telefonisch. Das ist das gesetzliche Mindestmaß, das alle Banken und Vermögensverwalter einzuhalten haben.

Schön ist es natürlich, wenn die Häuser in ihrer Kommunikation über das gesetzliche Mindestmaß hinaus Engagement und vor allem Individualität zeigen. Beides sehen wir bei der Kathrein Privatbank. Deren Kundenbetreuer würden bei abrupt fallenden Märkten die Telefonhörer in die Hand nehmen und zudem individuelle E-Mails für jeden Kunden verfassen. Darüber würde flächendeckend die Markteinschätzung des Hauses mitgeteilt, so Kathrein gegenüber der Prüfinstanz. Auch bei vielen anderen Anbietern gehört das persönliche Telefonat zum Notfall-Service dazu. Insgesamt 21 Häuser (38%) teilen der Prüfinstanz mit, dass ein Telefonat Teil ihres implementierten Kommunikationsprozesses sei.

Tête-à-Tête mit dem CIO

Eine gute Kommunikations-Idee ist nach Ansicht der Prüfinstanz die Möglichkeit zur Video-Konferenz mit dem zuständigen Chief Investment Officer (CIO). Davon berichten uns die Bank Vontobel, Berenberg, Credit Suisse, Commerzbank, Hauck Aufhäuser Lampe und ODDO BHF. Darin würde über „die Ausrichtung der Bank in Bezug auf die Kapitalmärkte informiert,“ so die Credit Suisse. Die fragenden Kunden dürften hier den besten Ansprechpartner bekommen, den das Haus zu bieten hat.

Zudem informieren viele Anbieter ihre Kunden über Newsletter-Angebote. Die Commerzbank etwa verschickt jeden morgen zwischen 8:30 und 9:00 einen Konjunkturausblick. Auch die allermeisten anderen Häuser verwenden mittlerweile regelmäßige Newsletter als Kommunikationsweg – wenn auch nicht täglich, sondern im Wochen- oder Monatstakt. Regelmäßige Reportings (quartalsweise, halbjährlich, jährlich) sind ohnehin Pflicht.

Fazit: Die gesetzliche Pflicht zur Kunden-Ansprache bei Extremereignissen haben alle Anbieter auf dem „Radar“. Rechtlich kritisch ist es, wenn sie es nicht schaffen, diese Mitteilung noch am selben Tag zu versenden. Neben der Pflichtmitteilung stehen zudem selbstverständlich die Berater und Kundenbetreuer aller Anbieter auch sonst zur Verfügung – andernfalls gäbe es auch die Note 6 für Kundenservice.
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