Mit geballter Expertise
„Julius Bär bietet eine breite Palette von Lösungen nach Maß für Ihre Anlage-, Finanzierungs- und Vermögensplanungsbedürfnisse“. So steht es auf der Website der Schweizer Bank geschrieben. Der Kunde will wissen, was die Berater in Zürich in puncto Vermögenssicherung zu bieten haben und bittet um einen Termin. Er trifft auf einen Berater, der eine Beratung organisiert, die durchaus über das hinausgeht, was wir bei anderen Häusern beobachtet haben. Ein paar Schwachstellen gibt es dennoch.
Der Kunde und seine Anforderungen
- Anlagevolumen 3,5 Mio. EUR
- Langfristiger Anlagezeitraum 5 bis 10 Jahre
- Sicherheitsbedacht, möchte keine Verluste in den ersten fünf Jahren
- Zentraler Beratungsaspekt: Inflationsangst, extreme Staatsverschuldung, Angst vor sozialen Unruhen, Furcht vor Crash und Euro-Implosion
- Kundenwunsch: langfristige Vermögenssicherung, Kapitalerhalt, nachhaltige Geldanlage (insbesondere bezogen auf Klimaaspekte)
Den Experten zur Hilfe geholt
Um die Risiko-Sorgen des Kunden zu besprechen, organisiert der Berater von Julius Bär ein Gespräch mit dem Chefvolkswirt des Hauses. Sehr positiv ist, dass dieser eine klare Meinung hat zum künftigen Werdegang der Kapitalmärkte. Die muss man zwar nicht teilen; auf die Nachfragen des Kunden weiß er aber schlüssig und überzeugend zu antworten.
Seiner Einschätzung nach drohen vorerst keine erhöhten Risiken auf den Kapitalmärkten. Denn, so führt er aus:
- die Corona-Krise sei ein externer Schock gewesen und resultiere nicht aus einer Systemkrise heraus
- die Gesellschaften hätten im Jahr 2020 mehr gelitten als die Wirtschaft; trotz Verwerfungen sei die Wirtschaft durch die vielfältigen staatlichen Unterstützungsprogramme insgesamt gut aus der Krise hervorgegangen.
- Produktion und Kapazitäten würden inzwischen wieder hochgefahren und ausgebaut, wie man etwa mit Blick auf den Aufbau der Rohstoff-Förderung sehe.
- Die Inflation der Eurozone würde 2021 bis 2,5% steigen. Das sei auf Sondereffekte zurückzuführen. 2022 sollte sich der Inflationsanstieg wieder verlangsamen.
- Die Staatsverschuldung sei nicht bedenklich, da durch das Wachstum die Staaten versuchen würden aus den Schulden herauszuwachsen. Die Bedingungen dafür seien angesichts des Niedrigzinsumfelds günstig.
Strategien zur Vermögensabsicherung werden nicht besprochen
Der Kunde empfindet den Ausblick des Volkswirts als beruhigend. Der Berater versäumt es im Anschluss an das Gespräch mit dem Ökonomen, die sich daraus ergebenden Strategien zur Vermögensabsicherung zu erläutern. Alle Vorschläge, die der Kunde dazu erhält, entstammen dem Anlagevorschlag – und das sind nicht gerade viele und insgesamt auch eher oberflächlicher Standard. Doch dazu später mehr.
Was in der Beratung auch fehlt, ist eine Vorstellung des Hauses. Auch hier hätte der Berater punkten können, in dem er aufzählt, welche Sicherheit denn Julius Bär den Kunden bieten kann – etwa, dass Bär kein Kreditgeschäft macht und auch kein Investmentbanking betreibt. Die Chance bleibt ungenutzt. Auch die Risikotoleranz des Kunden wird aus dessen Sicht nur unzureichend eruiert.
Nachhaltigkeit als zweite Säule in der Beratung
Gut ist, dass der Berater auch noch ein zweites Herzensthema des Kunden aufgreift: nachhaltige Geldanlagen. Auch hier organisiert er ein Gespräch mit der Fachexpertin von Julius Bär. Der Kunde empfindet sie als äußerst kompetent. Im Nachhaltigkeitsresearch bediene man sich in einem ersten Schritt der ESG-Daten von MSCI, verfeinere sie aber noch um eigene, strengere Kriterien etwa zu Biodiversität oder Lohnfairness im Unternehmen. Das nachhaltige Universum vom MSCI verkleinert sich so von 1.700 Titeln auf 650 Titel.
Auch als der Kunde fragt, wieso denn Adidas im nachhaltigen Portfolio enthalten sei (Kontroversen wegen Umweltbelastung und Arbeitsbedingungen), hat die Beraterin zumindest ein gutes Argument: „Sie haben einen Turnschuh aus recyceltem Plastik herausgebracht, den man am Ende im Shop zurückgegeben kann und nicht wegwerfen muss.“ Der Fachmann spricht hier von Impact Investing, also ein Investment in ein Unternehmen, um so einen größtmöglichen positiven Einfluss (Impact) auf Mensch und Natur zu erreichen. Das Sahnehäubchen für den Kunden ist, dass bald auch der Temperaturanstieg im Portfolio berücksichtigt wird.
Best-in-Class bei der Titelauswahl
Bei der Titelauswahl setzt das Portfoliomanagementteam auf einen Best-in-Class-Ansatz. Das heißt, dass in sechs von Julius Bär definierten Zukunftsthemen (Wasser, Low Carbon, Ressourceneffizienz, Wirtschaftliches Empowerment, Ernährung, Gesundheit) nach den besten Unternehmen (Branchenführer, gute Wachstumssausichten, Nischen-Champions) geschaut wird. Das ist ein marktübliches Vorgehen.
Langfristiger Blick bietet Sicherheit
Eine Portfolioabsicherung gegen Wertverlust, Finanzmarktrisiken und Crashs bietet Julius Bär durch strategische Investments mit dahinterstehenden längerfristigen Überlegungen, wie dem Anlagevorschlag zu entnehmen ist. Auch die Zusammensetzung der Anlagen kann je nach Risikoneigung auf den Anlegertyp zugeschnitten werden. Angaben darüber wie Julius Bär das Portfolio diversifiziert, finden sich leider nicht.
Risikokennzahlen werden nicht erläutert
Ob das moderate Portfolioangaben zur Risikoneigung des Kunden passt, ist aus dem Anlagevorschlag nicht ersichtlich. Zwar erfährt der Kunde, dass seit Auflage des Portfolios im Juli 2018 die Volatilität 8,1% und der Maximum Drawdown (also der maximale Verlust vom letzten Höchststand) 12,1% beträgt. Für den Kunden fehlt hier aber eine Einordnung. Wie soll er die Risikokennzahlen interpretieren? Ist eine Volatilität von 8,1% hoch? Wie lange hat es gedauert, den maximalen Verlust von 12,1% wieder aufzuholen? Der Berater weiß, dass er es mit einem auf Sicherheit bedachten Kunden zu tun hat - und versäumt die Gelegenheit bei diesem so wichtigen Thema tiefer einzusteigen und die Geeignetheit des Portfolios darzustellen.
Der Anlagevorschlag lässt leider noch einige weitere Fragen offen. Eine der vielleicht wichtigsten: Was soll das Mandat denn kosten? Weder in der Beratung noch im Anlagevorschlag findet sich dazu ein Hinweis. Beim Telefonat in der Nachbetreuung spricht der Berater auf Anfrage von einer All-in-Fee von 1% p.a. Das ist vollkommen in Ordnung.
Ein wenig mehr Individualität wäre gut
Was der Anlagevorschlag deutlich vermissen lässt, ist Individualität. In der Präsentation findet sich nicht einmal der Name des Kunden, Angaben zu seiner persönlichen Situation oder das Anlagevermögen. Die Standardpräsentation, die der Kunde auch schon als Gesprächsgrundlage vor der Beratung erhielt, wurde um vier zusätzliche Seiten zur Strategie „Sustainability Mandat Ausgewogen EUR“ ergänzt. Die historische Portfoliorückschau reicht leider nur bis 2019. Für ein aussagekräftiges Performance-Urteil ist das zu wenig.
Anleihen-Detailblick fehlt
Julius Bär sieht vor, das Vermögen in Aktien (52,6%), Anleihen (36,4%) und Alternative Investments (1,7%) zu investieren. Eine Ableitung des Portfolios aus den Kundenwünschen und dessen Risikotragfähigkeit und - bereitschaft ist nicht ersichtlich. 9,6% des Vermögens soll in Cash gehalten werden. Bei den Aktien gefällt dem Kunden, dass überwiegend in Einzeltitel investiert wird, neben einigen ETFs. Getreu dem Motto, „Da weiß man, was man hat“, ist so ein transparenter Blick möglich.
Bei den Anleihen fehlt der Detailblick. Zwar entnimmt der Kunde dem Anlagevorschlag, dass ein Drittel der Anleihen in Staatsanleihen und zwei Drittel in Unternehmensanleihen investiert werden sollen. Um welche es sich dabei genau handelt, erfährt er leider nicht. Nach der vorigen als so toll empfundenen Nachhaltigkeits-Beratung hätte sich der Kunde zudem auch gefreut, wenn er ein Nachhaltigkeits-Rating zu jedem Titel hätte erhalten können. Auch darauf muss er verzichten.
KMU im Portfolio
Positiv ist das alternative Investment: ein Mikrofinanzfonds. Der Kunde hatte bereits im Erstgespräch erwähnt, dass er KMU für aussichtsreich, weil wachstumsstark hält. Der Mikrofinanzfonds bildet diese Einschätzung im Portfolio ab.
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Fazit: Julius Bär erkennt die beiden zentralen Themen, die den Kunden umtreiben, und geht darauf vor allem im Gespräch gründlich und kompetent ein. Dem Anlagevorschlag mangelt es an Individualität. Dennoch eine deutlich überdurchschnittliche Gesamtleistung.
Empfehlung: Julius Bär hat sich mit dieser Leistung für die Endauswahl, den Beauty Contest, qualifiziert. Man möchte aber nicht teilnehmen. Fürchtet das Haus kritische Nachfragen?