Was Kunden von einem guten Anlagekonzept erwarten dürfen
Vor der Zusendung des eigentlichen Vorschlags steht das Gesprächsprotokoll. Es handelt sich dabei nicht um das gesetzliche Beratungsprotokoll! Dieses müssen Banken und Vermögensverwalter seit der Finanzkrise erstellen, sofern sie Empfehlungen zu konkreten Produkten wie Investmentfonds, Aktien oder anderen Wertpapieren aussprechen. Aber dieses gesetzliche Protokoll ist für Sie in der Praxis nur begrenzt hilfreich. Nicht selten werden Sie mit einer Fülle von "Factsheets'' und sog. "Anlegerinformationen'' überschüttet. Die vielen Details lenken den Blick weg vom großen Ganzen, dem eigentlichen Beratungsziel.
Was ein gutes Protokoll auszeichnet
Fernab von gesetzlichen Vorgaben und formularmäßigen Protokollen zeichnet sich ein gutes Gesprächsprotokoll durch seine Individualität aus. Der Kunde sollte es drei bis fünf Tage nach der Beratung per Brief oder Mail erhalten. Darin sollten die wesentlichen Eckdaten des Gesprächs in einer verständlichen Form dokumentiert sein. Gute Protokolle haben – je nach Gesprächsinhalt – einen Umfang von zwei bis fünf Seiten. Sie beinhalten die Ausgangssituation, die finanziellen Eckdaten zum Vermögen und das konkrete Beratungsanliegen. Auch die persönliche Lebenssituation ist dokumentiert und natürlich der konkrete Anlagewunsch.
Vorsicht Floskeln!
Wenig hilfreich ist es, wenn Anbieter mit Floskeln und mehrdeutigen Formulierungen aufwarten. "Sie sind ein konservativer Anleger'', kann sehr unterschiedlich interpretiert werden. Die einen deuten das als Anlage strategie, bei der kein Risiko eingegangen wird. Andere meinen, dass das Vermögen langfristig erhalten werden soll. Und selbst diese Erklärung reicht nicht aus. Es muss dokumentiert werden, ob das Vermögen dem Nominalwert nach erhalten werden oder auch die Inflation ausgeglichen werden soll. Zudem versteht ein Aktienfreund unter "konservativ'' eher Dividendenaktien als Staatsanleihen. Sie sehen: Das Gesprächsprotokoll muss präzise formuliert sein.
Die Basis für alles Weitere
"Warum dieser Aufwand?", könnten Sie an dieser Stelle fragen. Der Grund: Weil es genau an diesem Punkt im Beratungsablauf darum geht, dass die weiteren Empfehlungen und Vermögensstrategien auf der richtigen Datenbasis entwickelt werden. Hat sich ein Missverständnis zwischen Berater und Kunden eingeschlichen, wird dies im Gesprächsprotokoll sichtbar.
Qualitätsorientierte Häuser erkennen Sie daran, dass sie das Protokoll nach der Beratung und vor der Entwicklung des konkreten Vorschlags zusenden. Der Vermögende wird hier richtigerweise in die Pflicht genommen. Sind nämlich Fehler in der Dokumentation vorhanden, muss er dies seinen Beratern mitteilen. Ansonsten trägt er eine gehörige Portion Verantwortung dafür, wenn die Vermögensstrategie doch nicht zu den gewünschten Zielen passt.
Erst jetzt: der Anlagevorschlag
Auf das (korrigierte) Gesprächsprotokoll folgt erst der eigentliche Anlagevorschlag. Auch hier gilt: Er muss für den Kunden verständlich und nachvollziehbar sein. Fehlt diese Eigenschaft, sind viele Fremdwörter und Fachbegriffe zu lesen und verliert man schnell die Lust, weiterzulesen, ist Skepsis angebracht. Offensichtlich kann oder will der Vermögensverwalter nicht kundengerecht kommunizieren. Ein Manko, das auch ein Indiz für die Kommunikation in der weiteren Geschäftsbeziehung sein kann.
Ein guter Vorschlag kommt gleich zur Sache
Ein guter Vorschlag kommt gleich zur Sache und benötigt nicht zig Seiten, um die Bank oder die allgemeine Marktentwicklung vorzustellen. Schließlich geht es um den Kunden, und der gehört in den Mittelpunkt der schriftlichen Ausarbeitungen. Ein guter Anlagevorschlag beschreibt also kurz die Ausgangslage – als Extrakt aus dem Beratungsprotokoll. Danach sollte es um die Entwicklung einer Vermögensstrategie gehen. Konkrete Produkte und Wertpapiere haben hier noch nichts zu suchen.
Wichtig ist, dass der (neue) Grundaufbau Ihres Vermögens zu Ihren Zielen passt – und dies nachvollziehbar begründet wird. Ein Vermögender, der mit einem maximalen Verlust von 20% leben kann, ist mit einer Vermögensaufteilung mit 90% Renten und 10% Aktien schlecht bedient. Er verzichtet nämlich langfristig auf Rendite. Das "Produkt" passt dann nicht zu seinen Zielen als Anleger. Der Vorschlag ist nicht bedarfsgerecht.
Ihre Wünsche stehen im Mittelpunkt
Teilt der Kunde sein Vermögen in zwei Teile, so muss sich das auch im Vorschlag wiederfinden. Jeder Vermögensbaustein muss dann für sich erklärt werden. Oder wenn das Vermögen für den Ruhestand dienen soll, bedarf es auch einer plausiblen und nachvollziehbaren Prüfung, ob das dafür reservierte Vermögen tatsächlich reicht.
Ist aufgezeigt, dass die neue Vermögensstruktur zu den Wünschen des Kunden passt, muss das Risiko erläutert werden. Dazu können die Vermögensmanager zeigen, wie sich dieser Vorschlag in den letzten fünf oder zehn Jahren entwickelt hätte. Anleger sollten darauf achten, dass die Kursverläufe rund um das Jahr 2008 zu sehen sind. Die Zeit des Ausbruchs der Finanzkrise ist deshalb wichtig, weil viele Marktmechanismen nicht funktionierten und sich Panik und Irrationalität am Markt zeigten. Vorsicht ist geboten, wenn die Vermögensverwalter ihren Rückblick erst im Jahr 2009 oder 2010 beginnen. Dann liegt der Verdacht nahe, dass hier etwas verborgen bleiben soll. Als Begründung für den späten Beginn ist häufig zu hören, dass die empfohlene Strategie erst 2009 aufgelegt wurde. Dann stellt sich natürlich die Frage, warum eine neue Strategie entwickelt werden musste? Meist zeigt sich, dass die Vermögensmanager in den Jahren zuvor unerfreuliche Ergebnisse erzielt hatten.
Kasten: Der gute Anlagevorschlag
- Sie haben vor Zusendung des Anlagevorschlags ein gesondertes Gesprãchsprotokoll erhalten
- Alle Unterlagen sind für Sie nachvollziehbar und verständlich gestaltet
- Die vorgeschlagene Vermögensstrategie passt zu Ihnen und Ihren Zielen
- Die Risiken werden anhand eines Stresstests ausführlich erläutert
- Sie erhalten einen detaillierten Einblick in die konkrete Anlagestrategie und die eingesetzten Wertpapiere
- Es gibt eine übersichtliche Zusammenfassung
Blick zurück
Blick nach vorn
Andere Häuser verzichten auf einen Rückblick und simulieren die Vermögensentwicklung in die Zukunft. Dazu nutzen sie komplexe Rechenprogramme und Algorithmen. Sie sollten wissen, dass es dabei viele Gestaltungsmöglichkeiten gibt. Im Zentrum stehen die Renditeschätzungen der Vermögensverwalter. Die Ergebnisse weichen stark ab, wenn z. B. bei amerikanischen Aktien mit 6% oder 9% Jahresrendite gerechnet wird. Gleiches gilt für die Annahme der Renditen für Staatsanleihen oder Unternehmensanleihen. Daher zeichnet sich ein guter Anlagevorschlag dadurch aus, dass er die konkreten Renditeschätzungen benennt. Grundsätzlich gilt: Wer mit hohen Aktienrenditen im zweistelligen Bereich rechnet, ist (zu) optimistisch. Das gilt auch bei Anleiherenditen von vier oder mehr Prozent pro Jahr. Selbst wenn diese Werte im historischen Durchschnitt erzielt wurden, so ist das Enttäuschungspotenzial für den Anleger aus heutiger Sicht groß. Die vergangene Jahre zumindest brachten über einen längeren Zeitraum deutlich niedrigere Zinsen als im historischen Durchschnitt zu erwarten gewesen wäre.
Stresstest = QuaIitätstest
Zum guten Anlagevorschlag gehört also ein aussagekräftiger Stresstest. Sie sollten aber die ausgewiesenen Daten nicht zu wörtlich oder als feste Größen nehmen. Stresstests sind gut geeignet, um festzustellen, ob der Vorschlag zu Ihnen passt. Weniger geeignet ist die nackte Darstellung von Risikokennzahlen wie "Volatilität" oder simple Prozentangaben über die Schwankungsbreite. Besser und damit Kennzeichen eines guten Anlagevorschlags, sind verständliche Angaben wie der "maximale Verlust", meist auf eine 12-Monats-Periode angegeben. Noch hilfreicher ist die Angabe des absoluten maximalen Verlusts, denn Verlustphasen können auch länger als 12 Monate andauern. Dazu gehört die Mitteilung, wie lange es in etwa dauern wird, diesen Verlust wieder auszugleichen ("Unterwasser-Phase").
Was ist drin im Depot?
Wichtig: die Zusammenfassung
Ein guter Vorschlag zeichnet sich durch eine Zusammenfassung aus. Welche Ziele sollten erreicht werden – und ist das im Vorschlag auch umgesetzt worden? Grafische Elemente sind dabei besonders hilfreich. Manche Häuser setzen ein Ampelsystem ein. Ist die Ampel auf grün, wurde das Ziel erreicht. Rotes Licht heißt, der Kundenwunsch ist nicht erfüllbar. Das ist übrigens kein Manko, sondern spricht für eine ehrliche und ungeschminkte Kommunikation des Vermögensverwalters. Es werden keine Erwartungen geschürt, die nicht erfüllbar sind.
Und die Kosten?
Ein Vorschlag ohne konkrete Kostenangaben ist unvollständig. Der Kunde hat ein Recht darauf zu wissen, was er für die Leistung des Vermögensmanagers zu zahlen hat. Daher spielen die konkreten Angaben zu versteckten Provisionen (sog. Kickbacks oder auch Vertriebsfolgeprovisionen) eine wichtige Rolle. Im Honorarangebot muss stehen, was mit diesen passiert: Werden sie an den Kunden ausgezahlt oder einbehalten? Wenn der Vermögensverwalter sie behalten will, sollte er die genaue Höhe angeben. Inzwischen regelt hier die europäische Verbfraucherschutzlinie MiFid II genau, wie die Kosten aufgeschlüsselt werden müssen. Sehen Sie keine detaillierte und verständliche Kostenaufschllüsselung, ist etwas "faul".
Transparenz ist ein Qualitätsmerkmal
Hier befinden sich – so unsere Erfahrungen – die Banken und Vermögensverwalter noch immer auf der Suche nach eindeutigen und nachvollziehbaren Darstellungen. Nur wenige haben hier ein Format gefunden, dass den Anforderungen des gesetzgebers und dem Vorwissen der Kunden gerecht wird. Sehr konkret und eine vorbildliche Lösung ist es, wenn der Anbieter z.B. sagt: "Wir berechnen Ihnen 1% p. a. vom Vermögen zzgl. Umsatzsteuer als Honorar. Darin sind auch alle Depotgebühren und Transaktionen enthalten. Zusätzlich erhalten wir Kickbacks, die auf Basis des konkreten Vorschlags 0,35% p. a. betragen. Diese können schwanken, daher teilen wir Ihnen regelmäßig mit, welche Gebühren wir insgesamt vereinnahmen''. Fachbegriffe sollten stets in verständlicher Form erläutert werden – am besten direkt bei ihrer Verwendung. Aber auch ein "Glossar" am Ende des Vorschlags erfüllt diesen Zweck.