Zielkonflikt erkannt
"Wir erleben ein gutes, von gegenseitiger Sympathie geprägtes Gespräch, das trotz unseres laienhaften Wissens auf Augenhöhe stattfindet. Standardmäßig werden zwei Gespräch geführt, wobei das erste nur dem Kennenlernen dient, während beim zweiten der Anlagevorschlag bereits ausführlich diskutiert wird. Der Berater bietet sogar bei Bedarf ein drittes Gespräch an. Dadurch kommen wir in den Genuss sehr ausführlicher Erläuterungen, die ohne Zeitdruck gegeben werden."
Beratungsprotokoll
Wir erhalten keine Protokolle, die wesentlichen Eckdaten werden erst im Anlagevorschlag dokumentiert.
Anlagevorschlag
Die Zusammensetzung des Portfolios hat das Haus mit der so genannten Markowitz-Methodik optimiert. Wie die genau funktioniert, erläutern die Banker allerdings nicht. Hier helfen nur Google oder der Griff zum Wirtschaftslexikon, wenn wir Genaueres erfahren wollen.
Positiv fällt auf, dass die Bank unser Risikoziel in den Mittelpunkt rückt und es ihrer Herleitung der Vermögensstruktur zugrundelegt. Allerdings unterlässt sie es, kumuliert zu zeigen, wie viel jeweils in Aktien und Anleihen investiert wird. Das müssen wir also selbst addieren.
Gesamtsituation wird ausführlich erfasst
Unsere Gesamtsituation und unsere daraus resultierenden Anlageziele werden korrekt und auch ausführlich erfasst. Unsere Risikobereitschaft wird ebenfalls nochmals besprochen. Das Haus argumentiert, dass auf Basis der bekannten Kundensituation die Risikobereitschaft sogar erhöht werden könne.
Anschließend werden die Anlagestrategie und die erwarteten Renditen gegen die aktuelle Cash-Situation abgeglichen. Das Bankhaus präsentiert sogar zwei alternative Vorschläge und zeigt mit dem Mehraufwand, den es damit in Kauf nimmt, dass es sich individuell mit uns auseinandersetzen will.
Investmentansatz
Anlageideen gewinnen die Bodensee-Banker durch Unternehmensbesuche, Konferenzbesuche, Unternehmensanalysen und Marktdatenanalysen. Basierend auf Research erfolgt eine quantitative Beurteilung von Einzelunternehmen und deren Geschäftsmodellen. So genannte Fair Values werden berechnet – dabei handelt es sich um ein Konzept zur Bewertung von Vermögenswerten oder Schulden im angelsächsischen Rechnungswesen, im Deutschen wird dafür gelegentlich der weniger bekannte Begriff des beizulegenden Zeitwerts verwendet. Für Anleihen gibt es ein Scoring nach Ländern, Laufzeiten und Emittenten.
Die Portfolio-Konstruktion nimmt die Bank entsprechend des jeweiligen Mandats vor. Bei gewissen Kurszielen wird strikt verkauft. Anleihen und Aktien überwacht sie laufend und sichert sie notfalls abgesichert. Das Fondsmanagement kümmert sich dann um die tägliche Steuerung der Portfolios.
Finanzinstrumente
Im konkreten Portfolio sehen wir 40,57% Aktien, 53,69% Anleihen, 1,74% Gold und Edelmetalle, und 4% Liquidität. Damit will die Bank eine langfristige Rendite von 4,2% p. a. vor Kosten, Steuern und Inflation erzielen.
Auf der Aktienseite werden 10% in globale Aktien, 10% in europäische, rund 7,65% in Emerging Markets, 3,57% in Japan und weitere 9,35% in US-amerikanische Aktien investiert. Nähere Details erhalten wir allerdings nicht.
Nur ein geringer Anteil in europäischen Staatsanleihen
Im Anleihebereich möchte die Bank 5% in europäische Staatsanleihen, 13,5% in Unternehmensanleihen, 18% in globale Renten, 13% in High Yields und 4% in US-Renten anlegen. Auch hier fehlen genauere Angaben.
Im Alternativvorschlag sehen wir eine etwas höhere Renditeprognose von 4,95%. Allerdings wird dabei unsere Risikotoleranz deutlich überschritten. Der Vorschlag einer zweiten Variante wird damit begründet, dass unser Rendite-Ziel und unser Risikoziel nicht zusammen passen. Die Bank wählt hier eine gute Vorgehensweise, indem sie zwei Versionen aufzeigt – eine, in der unser Risikoziel gehalten wird und eine, die unsere Renditevorstellung einhält.
Portfolioqualität
Alle gemachten Angaben beschränken sich auf die Anlageklassen und die regionale Aufteilung, so dass wir kein vollständiges Bild gewinnen, was die Bank mit unserem Vermögen vorhat. Die Qualität des Portfolios können wir entsprechend nicht bewerten.
Stresstest
Als Stresstest legt uns das Haus vier Krisenszenarien vor: Die US-Subprime-Krise, die Neue-Markt-Krise, den Börsencrash 1987 und die Ölkrise. Als maximalen Verlust sehen wir -20,09% in der Ölkrise. Das hätte unsere definierte Verlusttoleranz von maximal 15% gesprengt.
Zudem sehen wir einen Überblick über die einzelnen Assetklassen und deren Wertentwicklung im Krisenfall. Der Maximum Drawdown beträgt hier sogar -23,78%.
Gebühren
Die Bank setzt ein Honorar von 1,19% an. Da alles in einem "Manufakturfonds" – was wohl so viel heißen soll wie handgefertigt – stattfindet, kommen dazu noch die Kosten auf Fondsebene, die sich auf jährlich 0,68% belaufen. Auch eine performanceabhängige Gebühr schlägt die Bank noch obendrauf: 10% der positiven Wertentwicklung, eine negative Wertentwicklung muss erst aufgeholt werden (sog. High Water Mark). Eine kumulierte Kostendarstellung fehlt, aber auf Basis der vorgelegten Informationen sind die Kosten bereits bei einer Überschlagsrechnung erheblich. Da macht unser selbst erstelltes ETF-Portfolio klar das Rennen.
Fazit
Das Bank zeigt klar den Zielkonflikt auf, der sich aus unserem Rendite- und unserem Risikowunsch ergibt. Das ist ein guter Weg. Aber: Wir sehen nichts vom konkreten Portfolio, obwohl der Bank bereits klar ist, welcher Fonds für uns richtig ist. Eine Bewertung der Portfolioqualität ist auf dieser Basis nicht möglich. Die Kosten sind bei der vorgeschlagenen Lösung hoch und nicht transparent aufbereitet. Trotz guter Ansätze kann das Bankhaus am Bodensee hier mit den Top-Wettbewerbern nicht mithalten.
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