Bitte registrieren Sie sich neu, um alle nicht kostenpflichtigen Inhalte auf fuchsrichter.de einsehen zu können.
030-288 817-20
0,00 €
1984
20 Jahre Stiftungsboom

Auf dem Weg zu einem neuen Stiftungswesen?

Dr. Rupert Graf Strachwitz © Foto: privat
Die Stiftungsreform wurde offenbar politisch übers Knie gebrochen und hat viel Kritik auf sich gezogen. Doch Stifter und Stiftungen müssen jetzt damit umgehen. Hinweise, was sie tun können, gibt in seinem Gastbeitrag zum Stiftungsreport 2021 der FUCHS|RICHTER Prüfinstanz der Vorsitzender des Vorstandes der Maecenata Stiftung und Direktor des Maecenata Instituts Dr. Rupert Graf Strachwitz.

Spätestens seit den späten 1990er Jahren wurden Stiftungen in Deutschland vom Staat privilegiert. Der Grund dafür schien zu Beginn ganz einleuchtend: Angesichts einer angespannten Haushaltslage und zusätzlicher Belastungen durch den Aufbau Ost und hohe Arbeitslosigkeit glaubte man allen Ernstes, Stiftungen könnten einen nennenswerten Beitrag zur Finanzierung von Staatsaufgaben leisten. Die Gründung neuer Stiftungen wurde daher mit steuerlichen Anreizen gefördert – nicht ohne Erfolg: Die Zahl der Neugründungen stieg im 1. Jahrzehnt des neuen Jahrtausends steil an.

Wahrscheinlich hatte der Staat dabei noch etwas anderes im Sinn: Angesichts einer sich zunehmend emanzipierenden Zivilgesellschaft war ihm daran gelegen, deren strukturkonservativen Teil zu stützen. Dies mag zu einem gewissen Grad sogar funktioniert haben. Die Mitfinanzierung aber erwies sich aus zwei Gründen als Illusion. Zum einen blieb der Umfang aller von Stiftungen für Staatsaufgaben bereitgestellten Mittel im Verhältnis zum Steueraufkommen und den sonstigen Einnahmen des Staates verschwindend gering; zum anderen entfernten sich nicht zuletzt aus diesem Grund die Stiftungen zunehmend von der Finanzierung staatlicher Vorhaben und wandten sich verstärkt der gezielten Unterstützung zivilgesellschaftlicher Gemeinwohlaufgaben zu, sei es durch eigene Projekte, sei es durch Fördermittel für andere zivilgesellschaftliche Organisationen. Überdies nahm die Attraktivität nicht-finanzieller staatlicher Anreize, von akademischen Würden bis zu Orden, im Zuge eines sich wandelnden Gesellschaftsverständnisses immer weiter ab.

Finanzkrise minderte Finanzkraft der Stiftungen

Schließlich minderten die Finanzkrise und der drastische Rückgang des Zinsniveaus mit einer gewissen zeitlichen Verzögerung im zweiten Jahrzehnt nicht nur die Finanzkraft vieler, insbesondere mittlerer und kleinerer Stiftungen, sondern ließen auch die klassische Kapital-Förderstiftung als Instrument der persönlichen Philanthropie immer weniger attraktiv erscheinen; dies um so mehr, als alternative Instrumente entwickelt wurden (siehe dazu: Strachwitz im Stiftungsreport 2017). Da die Aussichten auf eine Belebung der Renditen nach wie vor schlecht sind, bleibt schon deshalb Raum für Überlegungen, persönliche oder auch unternehmerische Philanthropie auch langfristig anders zu verwirklichen als über den klassischen Weg der Stiftungsgründung.

Behörden kontrollieren, reformieren, ruinieren

Die Stiftungsbehörden der Länder, deren Aufsicht ein Teil der Stiftungen unterworfen ist, verstärkten in den letzten Jahren ihre Kontrollen und erschwerten zunehmend die individuelle Gestaltung neuer Stiftungen und die Geschäftsführung der bestehenden. Beispielsweise versuchten sie gerade in der Phase, in der die Einnahmen aus Vermögensverwaltung rapide zurückgingen, durchzusetzen, dass die Stiftungen bürgerlichen Rechts – nur auf diese konnten sie ja Einfluss nehmen – ihr Vermögen real und nicht nur nominal zu erhalten hatten. Zwar wussten sie genausowenig wie jeder andere zu sagen, was Realwert wirklich bedeutet; das hinderte sie aber nicht daran, massiv in das Leben der Stiftungen einzugreifen und ihnen eine umfängliche Rücklagenbildung aufzunötigen – oft gegen den Willen der Stifterinnen und Stifter, die aktiv etwas tun wollten, und konträr zu Vorhaltungen der Finanzämter, die sich aus guten Gründen einer exzessiven Thesaurierung widersetzten.

Bis zum Ende des 2. Jahrzehnts war jedenfalls ein Zustand erreicht, der relativ viele kleine Stiftungen von der Verwirklichung ihrer Stiftungszwecke vollständig ausschloss. Wenn überhaupt, reichten die Mittel gerade noch aus, den von der Behörde verlangten Abschlußprüfer zu finanzieren.

Beamte bleiben unter sich, Fachexpertise ausgeschlossen

Nun hätte man sich ja vorstellen können, dass die behördlichen Stiftungsexperten in dieser misslichen Situation verstärkt den Kontakt mit anderen Fachleuten aus Wissenschaft und Praxis suchen würden, um Auswege zu finden. Stattdessen aber bildeten sie eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe, die ausschließlich aus Mitarbeitern der Landesbehörden und des Bundesjustizministeriums (BMJV) zusammengesetzt war, um eine bundesweite Vereinheitlichung „des Stiftungsrechts“ voranzutreiben. Zwar war dies außerhalb der Behörden nirgendwo als besonders dringliches Anliegen markiert; auch konnte es bei diesen Bemühungen nur um den Rechtsrahmen für eine Minderheit von Stiftungen gehen – nämlich die, die überhaupt dieser staatlichen Aufsicht unterworfen sind. Das alles kümmerte die Arbeitsgruppe wenig.

Sie legte 2019 einer Runde von Fachleuten einen Bericht vor, der nur die Autoren zu großer Begeisterung hinreißen konnte, zumal die dringenden Reformpunkte, bspw. eine Verbesserung der Transparenz, „zurückgestellt“ waren. Das BMJV hörte sich die Einwände an und marschierte bei der Erarbeitung eines ersten Referentenentwurfs genau in die entgegengesetzte Richtung.

Überraschender Referentenentwurf

Während aber spätestens mit Beginn der Pandemie-Krise allgemein vermutet wurde, das BMJV habe nun Wichtigeres auf den Weg zu bringen als ausgerechnet eine Reform des Stiftungsrechts, erhielten Verbände und Experten zu ihrer Überraschung im September 2020 einen Referentenentwurf mit der Bitte um Stellungnahme zugeschickt, der dann auch alsbald veröffentlicht wurde. Die plötzliche Eilbedürftigkeit hatte viel damit zu tun, daß in der Koalitionsvereinbarung von 2017 eine Gesetzesänderung für die Stiftungen vereinbart worden war. Sie war also noch ein offener Punkt auf der zu erstellenden „Erfolgsliste“ der Koalition.

Dass sich angesichts von Corona niemand für eine solche Erfolgsliste interessieren würde, hatte sich bis zu den Parteifunktionären und Ministerialbeamten offenbar nicht herumgesprochen; ebensowenig, dass eine gute und gut abgewogene Norm doch allemal besser wäre als eine schludrige, die schon bei ihrem Inkrafttreten änderungsbedürftig erscheint. Auch dass in der vielgepriesenen offenen Gesellschaft ritualisierte Anhörungsverfahren nicht dem entsprechen, was unter Teilhabe, politischer Mitgestaltung oder deliberativer Demokratie zu verstehen ist, muss das politische System der Beamten und Parteien offenkundig noch lernen.

Die Kritik der Experten

Die Kritik ließ nicht auf sich warten. Sie reichte von „handwerklich mangelhaft“ über „rückwärtsgewandt und kontraproduktiv“ bis „verfassungswidrig“. Zahlreiche Stellungnahmen gingen beim BMJV ein. In den großen Medien erschienen Gastbeiträge von Experten.

Eine Gruppe von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern schrieb einen offenen Brief an die zuständige Ministerin. Dieser blieb unbeantwortet, und auf die Stellungnahmen und Veröffentlichungen erfolgte keine Reaktion; nur einer der Beteiligten kommentierte, sie seien „unter der Gürtellinie“. Die von vielen Seiten vorgebrachten zivilrechtlichen, verfassungsrechtlichen und politischen Bedenken, die beispielsweise den zweifellos gründlichsten der kritischen Kommentatoren, Prof. Ulrich Burgard, zu dem Urteil veranlassten, 80% des Entwurfs seien mangelhaft, blieben unbeachtet.

Plötzlich Eile geboten

Man hatte es plötzlich eilig! Am 3. Februar 2021 wurde ein nur wenig veränderter Entwurf durch Kabinettsbeschluss zum Regierungsentwurf. Am 26. März stimmte der Bundesrat dem Entwurf zu und gab damit klaglos alte Länderzuständigkeiten an den Bund ab. Am 9. April wurde dieser Entwurf formell dem Bundestag zur Beschlussfassung zugeleitet.

Noch in dieser Legislaturperiode des Bundestags wird er wohl mit allenfalls marginalen Änderungen als Gesetz verkündet werden, nachdem keine der die Regierung stützenden Fraktionen ein Interesse an einer breiteren Diskussion – oder an dem Thema überhaupt – zu erkennen gegeben hat. Die Umsetzung in konkrete Verwaltungsvorschriften und Verwaltungspraxis in den Ländern wird sich naturgemäß etwas hinziehen; umso mehr, als Mitarbeiter der Landesverwaltungen seit 2020 immer wieder zur Behebung corona-bedingter Nöte vorübergehend in die Gesundheitsämter und andere Behörden abgeordnet werden und schon jetzt ein schleppender Verwaltungsvollzug deutlich zu spüren ist. Die von Verfassungsrechtlern prognostizierten Auseinandersetzungen, die voraussichtlich zu Verfahren vor dem Bundesverfassungsgericht führen werden, könnten sich über viele Jahre hinziehen. Die Folge werden auf längere Sicht ungesicherte Rahmenbedingungen für die Stiftungen bürgerlichen Rechts sein – keine günstige Voraussetzung für eine aktive Stiftungskultur.

Was folgt für das Stiftungswesen?

Auf alle bestehenden Stiftungen bürgerlichen Rechts kommt die Verpflichtung zu, ihre Satzungen an den neuen Rechtsrahmen anzupassen und entsprechende Satzungsänderungen von der zuständigen Aufsichtsbehörde genehmigen zu lassen. Zwar werden diese Behörden mit Sicherheit die Gelegenheit nutzen, um zusätzliche Änderungen zu verlangen – und nach einer personellen Verstärkung zu rufen, ein Ritual, das angesichts des im öffentlichen Dienst gebräuchlichen Besoldungssystems, das Beförderungen und Eingruppierungen an die Zahl der unterstellten Mitarbeitenden koppelt, von jeher beliebt ist. Es ist leicht vorauszusehen, dass es Jahre dauern wird, bis 23.000 Anträge auf Genehmigung von Satzungsänderungen abgearbeitet sind.

Besonders misslich ist dabei, dass diesen Stiftungen der Weg in eine andere Rechtsform verwehrt ist. Die Stiftung bürgerlichen Rechts ist bekanntlich eine Sackgasse. Eine Aufhebung wäre nur möglich, wenn der Zweck erfüllt oder nicht mehr erfüllbar wäre, bspw. wegen Vermögenslosigkeit. Für eine aktive Stiftung ist dies also keine Lösung.

Ein Relikt des Obrigkeitsstaats

Bleiben wird dagegen übrigens das schreckliche Relikt aus dem Obrigkeitsstaat, wonach die Behörde von sich aus eine Stiftung aufheben kann, wenn diese das Gemeinwohl gefährdet. Da der Staat selbst für sich in Anspruch nimmt, das Gemeinwohl zu definieren, bleibt der Willkür Tür und Tor geöffnet. Sowohl der NS-Staat als auch die DDR haben davon ausgiebig Gebrauch gemacht.

Den Stiftungen wird nichts anderes übrig bleiben, als sich entweder zu fügen und zu versuchen, im Verhandlungswege mit nicht voraussehbaren Erfolgsaussichten das eine oder andere abzumildern oder aber den mühsamen Weg der Verwaltungsgerichtsbarkeit zu beschreiten und, wenn dieser dann einmal ausgeschöpft ist, vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen.

An der Wirklichkeit vorbei

Für das Stiftungswesen insgesamt ergeben sich ganz andere Konsequenzen. Während die staatlichen mit dem Stiftungswesen befassten Stellen – und leider auch viele andere Juristen – nach wie vor die Ansicht vertreten, die Stiftung bürgerlichen Rechts sei die Regelform der Stiftung, ja eigentlich die Stiftung schlechthin, kann hiervon in Wirklichkeit überhaupt keine Rede sein. Tatsächlich bilden diese Stiftungen eine Minderheit: Den rd. 23.000 Stiftungen dieses Typs stehen bspw. (nach Schätzungen) rd. 40.000 Treuhandstiftungen, 100.000 Stiftungen kirchlichen Rechts und einige Tausend Stiftungen in der Rechtsform einer Kapitalgesellschaft gegenüber.

Die letzteren fallen zwar zahlenmäßig nicht sehr ins Gewicht, aber immerhin haben zwei der größten deutschen Stiftungen, die Robert-Bosch-Stiftung und die Stiftung Mercator, diese Rechtsform und sind doch ohne jeden Zweifel dem sozialen Phänomen ‚Stiftung‘ zuzuordnen. Sie sind weder „unecht“ noch, systematisch gesehen, Ausnahmen, sondern erfreuen sich einer legitimen und im übrigen auch international anschlußfähigen Form. Bspw. sind in den USA die meisten Stiftungen „incorporated“. Ein 100 Jahre altes, berühmtes Beispiel ist die Carnegie Corporation of New York. Mit Sicherheit werden Philanthropen in Zukunft dieser Option verstärkt ihr Augenmerk widmen, auch wenn sie (noch?) steuerlich gegenüber der rechtsfähigen und der Treuhand-Stiftung ein wenig benachteiligt ist.

Kirchliches Stiftungsprivileg wird wohl bald ausgedehnt

Die Stiftung kirchlichen Rechts, ein Ergebnis der verfassungsmäßig garantierten Kirchenautonomie, dessen Ausdehnung auf muslimische Gemeinschaften nur eine Frage der Zeit ist, wird dagegen wohl nur in sehr wenigen, besonders gelagtern Einzelfällen als Option zum Zuge kommen. Nicht nur ist die kirchliche Stiftungsaufsicht von jeher als Fachaufsicht sehr viel bestimmender als die staatliche Rechtsaufsicht. Entscheidender ist, dass Stiftungen kirchlichen Rechts im allgemeinen Rechts- und Geschäftsverkehr nur dann auftreten können, wenn sie zugleich eine Form nach staatlichem Recht haben. Überwiegend sind die zahlreichen Stiftungen kirchlichen Rechts Kirchen- und Kirchenpfründestiftungen, die nicht selbst auftreten müssen. Es ist aber nicht zu erwarten, daß viele moderne Philanthropen zur Verwirklichung ihrer Anliegen in die Tiefen des deutschen Staatskirchenrechts eintauchen wollen.

Weitere Optionen

Ganz anders sieht es mit der Treuhandstiftung (auch unselbständige oder nicht rechtsfähige Stiftung genannt) aus. Historisch gesehen bildet diese die Urform der Stiftung, die ja bekanntlich seit den frühen Hochkulturen Mesopotamiens und Ägyptens zu den Konstanten aller uns bekannten Gesellschaften gehört.

Bis heute fungieren in Deutschland vor allem Städte, Universitäten und Kirchen als Treuhänder für zahlreiche kleine und größere Stiftungen. Gerade in den letzten Jahrzehnten sind darüberhinaus private und zivilgesellschaftliche, auf die Verwaltung von Treuhandstiftungen spezialisierte Treuhand-Organisationen entstanden.

Treuhandstiftung als attraktive Alternative

Letztlich kann jede juristische – und, obwohl dies nicht sonderlich praktisch ist, sogar jede natürliche – Person Treuhänderin einer solchen Stiftung sein. Diese bildet eine höchst attraktive Alternative zu der angeblichen Regelform, die gerade dabei ist, ihre Attraktivität einzubüßen. In steuerlicher Hinsicht ist sie jener ohne jede Einschränkung gleichgestellt. Eine eigene zivilrechtliche Grundlage, die von der Änderungswut des Staates bedroht wäre, besitzt sie nicht; sie unterliegt vielmehr den Bestimmungen des allgemeinen Treuhandrechts, das im übrigen eine besondere staatliche Aufsicht nicht kennt.

Ältere Meinungen, wonach die Treuhandstiftung nur für kleine, mit Kapitalvermögen ausgestattete und auf eine reine Fördertätigkeit beschränkte Stiftungen in Frage kommt, haben sich längst als obsolet erwiesen. Beispielsweise hält die Zeppelin-Stiftung, treuhänderisch von der Stadt Friedrichshafen verwaltet, über 90 % der Anteile an der Zahnradfabrik Friedrichshafen AG, deren Verkehrswert auf über 10 Milliarden Euro geschätzt wird.

Gründung mit Umsicht durchführen

Die Gründung einer Treuhandstiftung bedarf einer gewissen Umsicht, damit zum einen tatsächlich ein Treuhandverhältnis begründet (und die Vermögensübertragung nicht als Schenkung unter Auflagen gewertet) wird und zum anderen durch Bestimmungen im Treuhandvertrag und der Satzung sichergestellt wird, dass ein einzurichtender Beirat die Funktion des Treugebers übernimmt und so über den Tod der Stifterin oder des Stifters hinaus wirksam den Treuhänder kontrollieren und diesem ggf. auch kündigen kann.

Es lässt sich leicht voraussagen, daß die Zahl der Treuhandstiftungen in den nächsten Jahren stark zunehmen wird. Auch dass sie künftig den gleichen (europäischen wie nationalen) gesetzlichen Transparenzregeln wie alle anderen Stiftungen unterliegen wird, kann ohne weiteres unterstellt werden. Dies wird sie endgültig von der üblen Nachrede befreien, sie sei einem Trust auf den Cayman Islands allzu nah verwandt. Davon kann in der Realität keine Rede sein.

Unselbständiger Fonds mit klarem Zweck als Alternative

Die Suche nach Alternativen ist damit noch nicht zu Ende. Der unselbständige, bei einer größeren Stiftung deponierte Fonds ohne eigene Steuer-Nummer, Gremien usw., aber mit eigenem Namen und Zweck, wird für kleine philanthropisch gewidmete Vermögen zunehmend eine Option bilden. Und natürlich lassen sich giving pledges, Schenkungsversprechen nach amerikanischem Muster, nicht, wie geschehen, durch die Bemerkung verunglimpfen, wir hätten doch die bewährte Form der Stiftung.

Für den ebenfalls in den USA entwickelten donor advised fund gibt es entgegen anders lautenden Meldungen auch in Deutschland inzwischen gut eingeführte und funktionierende Beispiele. Für Unternehmerfamilien kommt in besonderer Weise ein philantropisches Family Office in Betracht, in dem das Stiften und Spenden zahlreicher Familienmitglieder professionell betreut wird.

Die Verantwortungsgesellschaft als neue Rechtsform für gemeinwohlorientierte Zwecke

Die Liste möglicher Optionen ist damit keineswegs abgeschlossen. In naher Zukunft ist zudem mit der Einführung einer neuen Rechtsform zu rechnen, die zunächst unter dem zweifellos unglücklichen Namen ‚Verantwortungsgesellschaft‘ ins Gespräch gebracht wurde, als ‚Gesellschaft mit Vermögensbindung‘ aber gute Aussichten auf baldige Verwirklichung hat. Gemeint ist eine Verbindung von wirtschaftlichem und gemeinwohlorientiertem Handeln in einer Gesellschaft, ein Wunsch von jungen Start-Up-Unternehmern, in anderen Ländern bereits eingeführt, und durchaus auch für deutsche Philanthropen von Interesse.

Berater muss künftig mehr können als die klassische Stiftungsberatung

Wer als Vermögensberater oder Anwalt potenzielle Philanthropen berät, macht sich künftig schwerer Beratungsversäumnisse schuldig, wenn er oder sie nicht eine größere Palette von Optionen aufzeigt, die für die Verwirklichung und Umsetzung von Philanthropie in Frage kommen könnten. Der einfache Griff zum Musterbuch, um schnell aus Ideen eine Satzung zu machen, mag schon immer etwas defizitär gewesen sein und hat viele Denkprozesse vorzeitig abgewürgt. Die neue Situation muss und wird dieser Art von „Beratung“ endgültig den Garaus machen.

Ausblick

Zum Schluss ein paar Bemerkungen zu größeren Zusammenhängen, in die sich diese Umwälzungen einordnen lassen. Sie sind vielleicht nicht auf den ersten Blick erkennbar, und es ist auch zu früh, diese eindeutig zu bestimmen. In Politik und Verwaltung und auch in den Medien sehen wir dazu große Unsicherheiten in der Beurteilung, zum Teil aber auch den Vorsatz, die Macht des Staates zu festigen.

Offenkundig kann die Pandemie-Krise, die seit über einem Jahr unser öffentliches und privates Leben bestimmt, nicht ohne langfristige Auswirkungen auf dieses Leben und zumal auf den öffentlichen Raum bleiben. Erkennbar ist auch, dass einige sich schon vorher abzeichnende, aber von unserem politischen System bewusst oder unbewusst verdrängte Entwicklungen in der Zukunft zwingend mit ins Kalkül gezogen werden müssen. Dazu gehört nicht zuletzt der Stellenwert, der dem freiwilligen Handeln Einzelner im öffentlichen Raum zukommt.

Die Zivilgesellschaft als stärker werdender Akteur im politischen Raum

Schon vor der Pandemie gab es eine, an einem Einzelfall aufgehängte Debatte über das Recht zivilgesellschaftlicher Organisationen, sich in politische Debatten einzumischen. Der Bundesfinanzhof hat dieses Recht zwar in korrekter Auslegung geltenden Rechts verneint, und das Parlament hat in dem im Dezember 2020 verabschiedeten Jahressteuergesetz diese Rechtslage bekräftigt; auf mittlere Frist werden jedoch, so wenig sie sich das auch wünschen mögen, die politischen Parteien eine aktive Mitwirkung an der deliberativen Demokratie mit anderen Akteuren teilen müssen – um so mehr, als sich die Parteien in der Krise gleich mehrfach blamiert und das Vertrauen der Bürgerinnen und Bürger verloren haben.

Insofern wird über den shrinking oder contested civic space, den wir zwar gern als Phänomen autoritärer Regime abtun, der aber ganz sicher auch ein Problem unserer Gesellschaft darstellt, noch viel zu reden sein. Daran werden sich auch Stiftungen und als Philanthropen engagierte Bürgerinnen und Bürger beteiligen wollen und müssen. Allerdings müssen sie zur Kenntnis nehmen, dass das Stiftungswesen aus nachvollziehbaren Gründen in die Kritik geraten ist; sei es wegen einzelner Fälle von unangemessenem Verhalten, sei es aus grundsätzlichen demokratietheoretischen Gründen. Seltsamerweise entzündet sich die Kritik auch daran, dass der Staat – Bund und Länder – selbst sich angewöhnt hat, immer neue Stiftungen zu gründen, die er dann über die Besetzung von Gremien ebenso wie über Mittelzuweisungen am engen Zügel führt.

Fazit: Nicht allein neue Formen werden daher die Philanthropie-Diskussion der nächsten Jahre bestimmen. Auch eine neue Debatte um den Wert, die Freiheit und die Grenzen philanthropischen Handelns wird, verstärkt durch die Suche nach einer neuen Ordnung nach der Pandemie, geführt werden. Die allein vom Verwaltungsdenken bestimmte Vereinheitlichung „des Stiftungsrechts“ bietet dazu, ohne dies natürlich beabsichtigt zu haben, einen guten Anstoß.

Der Autor: Dr. phil. Rupert Graf Strachwitz (geb. 1947) ist Politikwissenschaftler, Lehrbeauftragter an mehreren Hochschulen, Vorsitzender des Vorstandes der Maecenata Stiftung und Direktor des Maecenata Instituts. Er studierte Politische Wissenschaft, Geschichte und Kunstgeschichte an der Colgate University (USA) und der Universität München. Er gründete nach mehreren Berufsstationen im In- und Ausland 1989 in München die Maecenata Management GmbH als spezialisiertes Beratungs- und Dienstleistungsunternehmen für den gemeinnützigen Bereich und war bis 2011 deren geschäftsführender Gesellschafter. Seit 1997 leitet er das Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft, Berlin, und seit 2011 auch die Maecenata Stiftung, München. Nebenbei ist er als freiberuflicher wissenschaftlicher Publizist und Berater im Stiftungswesen tätig. Graf Strachwitz ist Beirat für die Stiftungspublikationen der FUCHS|RICHTER PRÜFINSTANZ.

Mehr erfahren zum Stiftungsmanager-Rating

  • Sie haben Anmerkungen zu diesem Thema? Kontaktieren Sie unsere Redaktion jetzt über redaktion@fuchsbriefe.de – wir freuen uns auf Ihre Rückmeldung!

Meist gelesene Artikel
  • Fuchs plus
  • Falsche "Fairsprechen" entlarven

Unis basteln Greenwashing-Indikator

Viele Unternehmen setzen auf Nachhaltigkeit, einige mogeln dabei aber auch. Das nennt sich Greenwashing und ist ein Image-Risiko. In einem Forschungsprojekt soll nun ein Greenwashing-Indikator entwickelt werden.
  • Fuchs plus
  • Doppelter Urlaubsanspruch bei unrechtmäßiger Kündigung?

Bundesarbeitsgericht löst auf

Bei einer zeitlichen Überschneidung einer rechtswidrigen Kündigung mit einer neuen Beschäftigung könnte theoretisch ein doppelter Urlaubsanspruch entstehen. Das Bundesarbeitsgericht musste jetzt entscheiden, wie damit umzugehen ist.
  • Fuchs plus
  • Forschung zur Rückeinspeisung von Strom aus dem E-Auto

Geld verdienen mit dem Strom-Verkauf aus E-Autos?

Können E-Autos das Stromnetz stabilisieren und der gespeicherte Strom vielleicht sogar ertragreich wieder verkauft werden? Diese Fragen werden in einem Forschungsprojekt untersucht.
Neueste Artikel
  • Fuchs plus
  • Im Fokus: Rendite vom anderen Ende der Welt

Aktien aus Neuseeland

Neuseeland liegt am anderen Ende der Welt - und darum selten in den Depots deutscher Anleger. Dabei bieten die Aktien aus dem vielseitigen Land durchaus attraktive Renditen. Nun kommen auch noch Chancen auf Währungsgewinne dazu. FUCHS-Kapital stellt Ihnen aussichtsreiche Aktien mit doppeltem Rendite-Hebel vor.
  • Fuchs plus
  • Bundesfinanzhof urteilte zu verdeckter Gewinnausschütung

Irrtum ist keine vGA

Verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) können nur bewusst vollzogen werden, nicht aber durch einen Irrtum entstehen. Das ist die Stoßrichtung des Bundesfinanzhofes. Der musste in einem Fall urteilen, in dem einem Gesellschafter unwissentlich Vorteile gewährt wurden.
  • Fuchs plus
  • Teilentgeltlicher Verkauf von GmbH-Anteilen an Angehörige

Verkauf unter Wert ist steuerlich aufzuteilen

Wer GmbH-Anteile unter seinen Anschaffungskosten verkauft, muss den Verkauf steuerlich betrachtet aufteilen. Das hat der Bundesfinanzhof entschieden. Das Urteil hat Folgen für Verkäufer, deren Gewinn dadurch höher ausfällt.
Zum Seitenanfang