Gute Ansätze, aber viele offene Fragen
Capitell ist mit seinen 20 Jahren ein noch relativ junger Vermögensverwalter. Allerdings mit einer doch beachtlichen und konstanten Entwicklung. 1,8 Milliarden Euro haben die etwa 1.000 Kunden dem Verwalter anvertraut, der sich mit 50 Mitarbeitern an sechs Standorten darum kümmert. Neben der Zentrale in Frankfurt am Main finden Kunden persönliche Ansprechpartner in Hamburg, Hannover, Baden-Baden, Mannheim und Ulm.
Nachhaltigkeit ist ein zentrales Thema, wie aus Interviews, Berichten und Informationen auf der Website zu entnehmen ist. Man verspricht Ausschluss kontroverser Geschäftsbereiche und die Vermeidung unethischer Geschäftspraktiken, die Förderung von Unternehmen mit positivem Beitrag für Umwelt und Gesellschaft, die Investition in handverlesene Einzeltitel auf dieser Grundlage bei gleichzeitiger Wahrung der wirtschaftlichen Sinnhaftigkeit von Investitionen. Explizit ausgeschlossen werden – neben anderen – Investitionen in Gold und Agrarrohstoffe, weil sich dies nicht vereinbaren ließe mit den Nachhaltigkeitszielen der Capitell´schen Investmentstrategie.
Werk von 48 Seiten
Mit diesem Wissen geht es ans Studium des Anlagevorschlags von Capitell als Stiftungsvorstand und informierter Laie. Und “Studium” erscheint das richtige Wort für ein Werk von 48 Seiten zu sein. Das ist ein ganz schön dicker Brocken! Aber es geht darum, sich nicht schon zu Beginn entmutigen zu lassen.
Nachdem Ausgangslage und Wünsche der Stiftung richtig dargestellt sind und das Unternehmen sich vorgestellt hat, stellen die Autoren des Vorschlags eine interessante Frage: “Vertrauen Sie Ihr Stiftungsvermögen noch der richtigen Bank an?” und machen als Antwort die Vorteile einer Trennung von Vermögensverwalter – also sie – und Vermögensverwahrer - also Bank - deutlich.
Vermögen ist gut geschützt
Der Grund: Da sich das Vermögen des Kunden nicht im Besitz von Capitell befindet, sondern bei einem Kreditinstitut verwahrt wird, greifen bei Problemen der Einlagensicherungsfonds des Bundesverbands deutscher Banken und die Entschädigungseinrichtung deutscher Banken oder vergleichbaren Institutionen. Mit anderen Worten: Das Vermögen ist weitreichend geschützt. Ein relevanter Aspekt.
Drei Ansätze fährt Capitell bei der nachhaltigen Geldanlage: Best in Class, Ausschlusskriterien und Positivkriterien. Und weist zugleich auf die bisher fehlende Regulierung in dem Bereich hin, was die Gefahr des “Greenwashing” implizieren würde, also, dass Anlagen grüner dargestellt werden als sie es tatsächlich sind. Gut zu wissen.
Straffung wäre wünschenswert
Im Folgenden ist zu erfahren, welche Maßstäbe Capitell konkret an die ESG-Kriterien anlegt, nach denen der Vermögensverwalter Produkte auswählt. Das alles fällt ein wenig zu ausführlich aus, obwohl es natürlich wichtig und interessant ist. Eine Straffung auf das Wesentliche hätte hier gutgetan. Das gleich gilt auch für die Darstellung des Investmentprozesses bei Aktien und Anleihen. Durch die Fülle an Informationen fällt es schwer, die eigentliche Botschaft herauszuarbeiten. Geholfen hätten hier Zusammenfassungen je Seite oder Thema.
Auf Seite 23 ist es dann endlich so weit: Der Anlagevorschlag! Zunächst erfolgt noch einmal ein Abgleich mit den Richtlinien und Wünschen der Stiftung. Unter anderem ist zu erfahren, dass die gewünschte Nachhaltigkeit im Portfolio mithilfe des “Leitfaden für ethisch nachhaltige Geldanlage in der evangelischen Kirche” (EKD-Texte 113) umgesetzt wird. Es wäre interessant gewesen zu erfahren, warum gerade diese Leitlinien genutzt werden.
Gute Darstellung der Titel
Der eigentliche Anlagevorschlag sieht eine Aufteilung auf 60,3 Prozent Anleihen, 35,4 Prozent Anleihen und 4,2 Liquidität vor. Insgesamt wird in 45 Wertpapier-Titel investiert, mit einer Dividendenrendite von durchschnittlich 3,6 Prozent sowie einem durchschnittlichen Nominalzins der Anleihen von 1,18 Prozent. Was die ordentlichen Erträge betrifft, darf laut Prognose 2021 mit 1,87 Prozent, 2022 mit 1,97 Prozent und 2023 mit 2,03 Prozent gerechnet werden.
Sowohl die Auswahl der Branchen als auch die der Länder, in die investiert werden soll, ist beeindruckend dargestellt. Die detaillierte Übersicht an Aktien und Anleihen führt noch einmal die breite Streuung vor Augen. Ob alle Aktien tatsächlich nachhaltig sind, ist hieraus nicht zu erkennen. Man kann aber wohl davon ausgehen, da es ja vorher angekündigt wurde. Bei den Anleihen wird ersichtlich, dass ausschließlich “Green Bonds” verwendet werden.
Drei Strategien werden vorgestellt
Interessant ist auch die Darstellung, wie sich die Performance der Anlage verändern würde, wenn man den Aktienanteil auf bis zu 70 Prozent erhöht. In dem beispielhaft dargestellten Fall wäre die Aufteilung 60,8 Prozent Aktien, 35,1 Prozent Anleihen und 4,1 Prozent Liquidität. Damit könnte sich die Rendite auf 2,55, 2,72 und 2,84 Prozent in den Jahren 2021 bis 2023 erhöhen. Nicht schlecht. Allerdings wäre das auch schon eine mehr risikoorientierte Anlagestrategie als eigentlich gedacht.
Zu welcher Strategie rät nun eigentlich Capitell? Welches Risikoprofil ist das Richtige für die Stiftung? “Bond+” mit maximal 40 Prozent Aktien, “Balanced” mit bis zu 70 Prozent Aktien oder “Equity” mit der Möglichkeit zu 100 Prozent Aktien? Und überhaupt: Warum wird nicht durchgehend von Anleihen statt Bonds und Aktien statt Equity gesprochen? Das würde die ungewohnte Thematik ein wenig unkomplizierter machen.
Risiken nicht recht transparent
Die Risiken der einzelnen Anlagemodelle zu finden, ist gar nicht so leicht. In einer Tabelle auf Seite 31, die sich mit der Historie der drei Strategien seit gemeinsamer Auflage im Jahr 2013 beschäftigt, verlieren sich die Werte optisch fast: Bond+ hatte 14,5 Prozent, Balanced 20,9 und Equity 22,5 Prozent maximale Verluste zu erleiden, bei einer Volatilität von 5,4, 8,2 und 11,8 Prozent. Das hätte ruhig an etwas prominenterer Stelle stehen dürfen, weil es für die Entscheidung ja nicht unerheblich ist, mit welchen temporären Verlusten zu rechnen ist.
Als Kostenmodell für ein mögliches Mandat bietet Capitell eine Variante an, die sich an der Höhe der erzielten ordentlichen Erträge orientiert, zugleich die seitens der Stiftungsbehörden geforderte Kostenquote von 25 bis 30 Prozent einhält, alle möglichen Vertriebsprovisionen an die Stiftung ausschüttet und den realen Erhalt des Stiftungsvermögens voraussetzt.
Gute Argumente für Kostenmodell
Damit, so die Argumentation, könne man angemessen hohe Erträge erwirtschaften, um den Stiftungszweck zu erfüllen, langfristig das Kapital erhalten, um die Dauerhaftigkeit der Stiftung zu demonstrieren, das Vermögen einfach und unkompliziert verwalten sowie Kosten und Erträge transparent darstellen. Zudem könne das eigene Haftungsrisiko minimiert werden.
Als Basisgebühr werden 0,25 Prozent und darüber hinaus eine erfolgsabhängige Komponente von 25 Prozent der über 1 Prozent hinausgehenden ordentlichen Erträge angeboten. Einschränkend wird mitgeteilt, dass die erfolgsabhängige Komponente ausschließlich dann berechnet wird, wenn im Beobachtungszeitraum das Stiftungsvermögen (ohne ordentliche Erträge) gegenüber dem Beginn der Geschäftsbeziehung unter Berücksichtigung von Aufstockungen real (d.h. multipliziert mit HVPI Index) erhalten wird.
Dienstleistungen nur knapp formuliert
Das ist sicher günstig. Aber dass der HVPI-Index ein europäischer Verbraucherpreisindex ist, verrät erst Google. Warum kann das nicht gleich verständlich formuliert werden? Zu den Kosten von Capitell kommen noch Depotkosten und Kosten Dritter, die wohl im üblichen Rahmen liegen.
Im Nachwort ist dann noch zu erfahren, dass Stiftungen über das Netzwerk von Capitell bei den Themen Fundraising, Spenden- und Fördermitteleinwerbung, sowie bei rechtlichen und buchhalterischen Fragestellungen unterstützt werden können. Da diese Frage im Anforderungskatalog explizit gestellt wird, wäre hier eine etwas ausführlichere Antwort günstig gewesen.
Positiv- und Negativbeispiele
Nach dem Schlusswort ist allerdings nicht Schluss, sondern folgt eine ausführliche Darstellung des nachhaltigen Investmentprozesses. Schade, dass der nicht früher bekannt gegeben wird. Immerhin ist es eine Herzensangelegenheit der Stiftung nachhaltig zu investieren. Interessant sind vor allem die dargestellten Positiv- und Negativbeispiele.
Dort wird u.a. Nestlé als Negativbeispiel aufgeführt. Nestlé? Die Firma hat doch gute ESG-Noten, oder? Dank eines sehr umfangreichen Nachhaltigkeitsberichts besitzt das Unternehmen bis auf die Gleichberechtigung von Aktionärsinteressen auch Bestnoten im Bereich ESG bei verschiedenen Datenanbietern, ist zu erfahren.
Einheitliche ESG-Kriterien wünschenswert
Aufgrund der Vielzahl der Kontroversen und der Widersprüche zu den eigenen Nachhaltigkeitszielen - Beispiel Verkauf von teurem Wasser in Dürregebieten von Afrika - entspricht Nestlé allerdings nicht dem Anforderungsprofil von Capitell. An diesem Beispiel wird sichtbar, wie wichtig es wäre, einheitliche Kriterien für Nachhaltigkeit zu haben, damit sich Nutzer sicher sein können richtig zu investieren.
2020 (TOPs 2020) | Vermögensstrategie | Wichtige Standards verfehlt | im Shop |
2019 (TOPS 2020) | Beratungsgespräch | Mit Empathie zum Erfolg | im Shop |
2018 (TOPs 2019) | Qualifikation | Ordentlicher Start, verhaltenes Finish | im Shop |
2017 (TOPs 2018) | Beratungsgespräch | Capitell: Mit Köpfchen beraten | im Shop |
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2018 | Qualifikation | Knappe Information, wenig Stiftungsspezifik | im Shop |
2022 (Stiftung) | Qualifikation | Jung und doch erfahren | im Shop |
2021 (Stiftung) | Vermögensstrategie | Ausgezeichnet in der mündlichen Prüfung | im Shop |
2021 (Stiftung) | Qualifikation | Gute Ansätze, aber viele offene Fragen | im Shop |
2019 (TOPS 2020) | Capitell Vermögens-Management AG: Auch kleinere Vermögen sind willkommen |
Adresse
Capitell Vermögens-Management AG
Hedderichstraße 55-57
60594 Frankfurt am Main
Website: www.capitell-ag.de
Ansprechpartner
Sven Karkossa
Niederlassungsleiter
Hedderichstraße 55 - 57
60594 Frankfurt am Main
069 204561 120
Stefan Kramer
Portfoliomanager
Georgstraße 36
30159 Hannover
0511 7635168 16
stefan.kramer@capitell-ag.de
Fazit: Das Angebot von Capitell ist lang und ausführlich, hat gute Ansätze, macht es aber schwer, die wichtigen Botschaften zu identifizieren. Zudem beantwortet es nicht alle Fragen, sondern wirft eher Fragen auf. Welche Anlagestrategie wird empfohlen und warum? Wie ist das Risiko zu bewerten? Zu welchen Änderungen der Anlagerichtlinie außer einer möglichen Aktienerhöhung rät das Haus?
Empfehlung: Es gibt eine gewissen Unentschiedenheit bei der Gesamtbewertung; letztlich fällt sie im Marktvergleich gegen des Capitell-Angebot aus.
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