„Ohne Zivilgesellschaft gibt es keine Demokratie.“
Herr Dr. Graf Strachwitz, könnten Sie uns erzählen, wie die Idee zur Gründung Ihrer Stiftung, der Maecenata Stiftung, entstand?
Dr. Graf Strachwitz: Die Maecenata Stiftung entstand aus meiner persönlichen Entwicklung. Nach meinem Studium in Politikwissenschaft und Geschichte und mehreren Berufsstationen gründete ich 1989 eine Beratungsgesellschaft für den gemeinnützigen Sektor. Während dieser Zeit wurde das Thema Stiftungswesen fast zufällig zum Schwerpunkt, da wir Kontakte nutzten und Daten sammelten – auch im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts. 1997 gründete ich das Maecenata Institut für Philanthropie und Zivilgesellschaft, später folgten weitere Programme, etwa das Transnational Giving Programm (2001). Die Maecenata Stiftung wurde 2010 als Dach über unsere gemeinnützigen Aktivitäten gebildet, als die Beratungsgesellschaft verkauft wurde.
Könnten Sie den Zweck Ihrer Stiftung in wenigen Sätzen zusammenfassen?
Dr. Graf Strachwitz: Wir sind keine klassische Förderstiftung, sondern eine operative Organisation. Die Maecenata Stiftung unterhält im Kern eine anerkannte außeruniversitäre Forschungseinrichtung. Dort erforschen wir Zivilgesellschaft, Stiftungswesen und bürgerschaftliches Engagement in den Sozial- und Geisteswissenschaften. In unserem Transnational Giving Programm nehmen wir zweckgebundene Spenden entgegen und leiten sie an Empfänger im Ausland weiter. Seit 2014 haben wir außerdem das Programm Tocqueville Forum, wo es um den Austausch mit der Politik und der Öffentlichkeit geht und seit 2019 das MENA Study Center, das auf den arabischen Raum und Westasien fokussiert ist.
Gibt es Regionen, in denen Sie weniger aktiv sind?
Dr. Graf Strachwitz: Unser Fokus liegt neben Europa und Nordamerika auf dem arabischen Raum sowie dem Kaukasus und Zentralasien. Für Lateinamerika, Subsahara-Afrika oder Südostasien fehlt uns die Expertise für intensive Arbeit. China spielt aber seit langem eine gewisse Rolle in unserer Arbeit.
Was treibt Sie persönlich an?
Dr. Graf Strachwitz: Es ist meine Leidenschaft für gesellschaftliche Zusammenhänge und die Förderung des bürgerschaftlichen Engagements weltweit. Ich möchte Brücken zwischen Kulturen und zwischen Wissenschaft und Praxis bauen und durch Erkenntnisse positive Veränderungen bewirken.
Was unterscheidet Ihre Stiftung von anderen?
Dr. Graf Strachwitz: Wir haben kein nennenswertes Vermögen, aus dessen Erträgen wir unsere Arbeit finanzieren könnten. Sie wird vielmehr durch einen kleinen Anteil an rund 90.000 im wesentlichen zweckgebundenen Spenden und durch Fördermittel für einzelne Projekte finanziert. Öffentliche Mittel spielen in unserem Finanzierungsmix praktisch keine Rolle. Außerdem sind wir von unserem Selbstverständnis her weniger eine philanthropische Institution, sondern sehen uns eher als Think Tank (Denkwerkstatt) und Unterstützungseinrichtung.
Welche Herausforderungen sehen Sie aktuell?
Dr. Graf Strachwitz: Im Kern geht es um die Bedrängung unserer offenen, demokratischen, auf Prinzipien und der Herrschaft des Rechts aufbauenden Gesellschaft durch autokratische, populistische, extreme Herrschaftssysteme. Die Zahl der funktionierenden Demokratien auf unserem Planeten nimmt seit Jahren ab. Die Herausforderung heißt daher: Was kann eine kleine Stiftung wie unsere zu dem Kampf für die Freiheit beitragen?
„Ich bin überzeugt, dass gesellschaftlicher Wandel nur durch informierte Akteure möglich ist – Wissenschaftler ebenso wie engagierte Bürgerinnen und Bürger weltweit.“ Dr. Rupert Graf Strachwitz
Wohin entwickelt sich das Stiftungswesen?
Dr. Graf Strachwitz: Es wird professioneller und spezialisierter. Wer heute philanthropisch aktiv werden will, hat eine Palette von Möglichkeiten. Die Zeiten, wo man gleich eine Stiftung bürgerlichen Rechts oder allenfalls eine Treuhandstiftung ins Auge fasste, sind vorbei. International nimmt die Vernetzung zu, Kooperationen zwischen Ländern werden wichtiger. Auch Spenden kennen keine nationalen Grenzen mehr.