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Interview mit Rechtsanwalt Hans Witt, Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht, Heidelberg

Gräben zwischen Banken und Kunden wachsen

Gräben zwischen Banken und Kunden wachsen. Copyright: Pixabay
Rechtsanwalt Hans Witt ist der Ansicht, dass MiFID II das Verhältnis von Banken zu ihren Kunden nicht verbessert. Der Anwalt geht hart mit den Geldhäusern ins Gericht. Er meint, dass die Banken nicht, wie vielleicht noch vor 30 Jahren, mit dem Kunden etwas erreichen wollen, sondern oft nur noch auf Kosten des Kunden. „Die Banken haben es in der Vergangenheit versäumt, selbst dafür Sorge zu tragen, dass bei fehlerhaften Beratungen durch Mitarbeiter ernsthafte Konsequenzen gezogen werden“, so Witt

FUCHS | RICHTER PRÜFINSTANZ: Wie wirkt sich MiFID II auf die Kundenberatung und -zufriedenheit aus? Ist ein positiver Trend zu erkennen?

RA Hans Witt: Mehr Bürokratie schafft weder mehr Zufriedenheit noch mehr Klarheit. Die Banken haben es in der Vergangenheit versäumt, selbst dafür Sorge zu tragen, dass bei fehlerhaften Beratungen durch Mitarbeiter ernsthafte Konsequenzen gezogen werden. Stattdessen wurden Fehler von höchster Stelle nicht einmal eingeräumt und noch versucht, diese juristisch zu verteidigen. Bestes Beispiel sind die Skandale um die Deutsche Bank. Jeder dieser Skandale hätte bei einem Unternehmen, welches anständig handelt, dazu führen müssen, dass der Vorstand entlassen wird.

Flut von Vorschriften

Die zunehmende Flut von Vorschriften wird nicht die in den letzten Jahren entstandenen Gräben zwischen den Banken und ihren Kunden zuschütten, sondern unserer Meinung nach eher vergrößern. Denn viele Kunden lesen das schon alles nicht mehr durch und die Bankmitarbeiter sind genervt, weil sie bei einem einfachen Darlehensvertrag dem Kunden Berge von Papieren zur Unterschrift vorlegen müssen. Das liegt sicherlich aber nicht nur an den Vorschriften, sondern auch daran, dass die Banken nicht, wie vielleicht noch vor 30 Jahren, mit dem Kunden etwas erreichen wollen, sondern oft nur noch auf Kosten des Kunden. Hier liegen die eigentlichen Probleme. Einen positiven Trend können wir jedenfalls nicht erkennen.

Zahl der Klagen hat sich verringert

Wie hat sich die Fallzahl der Kundenklagen entwickelt?

Die Zahl der Klagen, die uns erreicht, hat sich zahlenmäßig verringert. Sie müsste unseres Erachtens an sich höher liegen, was aber aus mehreren Gründen nicht der Fall ist. Ein gravierender Grund ist sicherlich darin zu finden, dass die Rechtsschutzversicherungen zwischenzeitlich praktisch den kompletten Bereich des Bank- und Kapitalmarktrechts ausgeschlossen haben. Ferner sorgt insbesondere der Bankensenat dafür, dass sich eine immer mehr verbraucherunfreundliche Rechtsprechung entwickelt. Bestes Beispiel ist aktuell eine Entscheidung des Bankensenates des Bundesgerichtshofes vom 19.1.2021 zum Thema Prospekthaftung (BGH XI ZB 35/18). Das Urteil widerspricht in krasser Weise der jahrelangen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes, und es ist schon abenteuerlich, dass der Bankensenat überhaupt über diese Fragen zu entscheiden hat, die üblicherweise vom II. Senat des BGH zu entscheiden gewesen wären.

Banken halten sich mit Empfehlungen aus grauem Kapitalmarkt zurück

Welches sind die häufigsten Anlässe für Klagen heute?

Die Banken halten sich sicherlich im Vergleich zu früher mit Empfehlungen zu Anlagen aus dem grauen Kapitalmarkt stark zurück. Das hat aber aus unserer Sicht eher weniger mit der Regulierung des Marktes zu tun als vielmehr mit den negativen Erfahrungen, die die Banken hier in der Vergangenheit gemacht haben, aber auch an fehlenden Angeboten aus dem Markt. Durch die negativen Zinsen sind die Leute heute zudem schon froh, wenn sie kein Geld mehr verlieren. Wir haben jetzt schon den ersten Fall einer Familie, die sich darüber beschwert, dass sie ein Verwahrentgelt an die Bank bezahlen soll. Die Tatsache, dass Klagen nicht mehr wie früher von der Vielzahl von Kunden geführt werden, liegt also neben der oben beschriebenen Tatsache, dass Rechtsschutzversicherungen oft nicht mehr greifen, insbesondere auch an diesen Punkten.

Wieso haben es Betrüger bei Geldwäsche so einfach?

Sehen Sie ungelöste technische Probleme durch die zunehmende Digitalisierung des Marktes, etwa bei der Identifikation von Neukunden?

Die Zahl der Betrugsfälle, die bei uns ankommen, hat in den letzten Monaten erheblich zugenommen. Meist werden Kunden auf vermeintliche Tradingplattformen geleitet und veranlasst, Geld zu überweisen. Hier haben wir das Problem, dass es praktisch immer um ausländische Banken geht, an die Geld überwiesen wird. Dennoch muss man natürlich die Frage stellen – gerade unter dem Gesichtspunkt der Geldwäsche – wie es denn sein kann, dass es Betrüger so einfach haben. Hier sehen wir insbesondere auch das Problem der Identifikation von Neukunden, aber das ist wie gesagt vorrangig ein Thema der betreffenden Empfängerbank, die regelmäßig im Ausland sitzt. Hier haben wir in einem Fall aber auch eine sehr positive Erfahrung machen können: Eine ortsansässige Sparkasse hat einem Kunden, der sich bezüglich einer solchen Anlage an sie gewandt hatte, ausdrücklich davon abgeraten und darauf hingewiesen, dass es sich mit Sicherheit um einen Betrug handelt. Dass der Kunde es dann trotzdem gemacht und über 100.000 Euro „angelegt“ hat, steht auf einem anderen Blatt...

Wir erkennen keine wesentlichen positiven Verhaltensänderungen

Verzeichnen Sie generell auch positive Verhaltensänderungen bei Banken und Vermögensverwaltern, etwa mit neuen Dienstleistungen?

Wesentliche positive Verhaltensänderungen bei Banken und Vermögensverwaltern können wir nicht erkennen. Bei der Frage des Angebots von Dienstleistungen gehe ich einmal von mir als Privatkunde aus: Ich bin selbst Kunde von vier Banken, kann aber bei keiner einzigen Bank erkennen, dass sich etwas an dem Angebot bezüglich der Dienstleistungen wesentlich geändert hat. Wobei ich als Kunde sowohl von Genossenschaftsbanken als auch von Privatbanken durchaus einen Querschnitt abdecke. Insbesondere bei den Privatbanken geht es regelmäßig darum, dass irgendwelche Fonds angeboten werden – das war es dann aber auch. Wirklich innovative und kreative Angebote habe ich bisher nicht erkennen können.

Innovative Angebote kommen künftig möglicherweise von Fintechs

Ehrlicherweise muss man natürlich auch die Frage stellen, welche Angebote das sein könnten. Inzwischen hat sich herumgesprochen, dass derzeit seriöse Geldanlagen insbesondere – wenn nicht gar ausschließlich – in Immobilien und Aktien sinnvoll sind. Bei Immobilienfinanzierungen verdient die Bank noch Geld (sie wird aber die Immobilie selbst in der Regel nicht vermitteln), bei der Aktienanlage jedoch so gut wie nichts. Mögliche innovative Angebote werden wohl künftig eher nicht mehr von den Banken kommen, sondern möglicherweise von Fintechs, wobei auch deren Bedeutung meines Erachtens überschätzt wird.

Herr Rechtsanwalt Witt, wir bedanken uns für das Gespräch. Das Gespräch mit dem Fachanwalt für Anlegerschutz, Hans Witt, führte Elke Pohl für die FUCHS | RICHTER PRÜFINSTANZ.
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