Massenklagen und Musterverfahren spielen eine größere Rolle
FUCHS|RICHTER Prüfinstanz: Welche regulatorischen Entscheidungen der letzten zwei, drei Jahre haben nach Ihrem Kenntnisstand größere Auswirkungen auf Bankkunden und wie spiegelt sich das in Rechtsstreitigkeiten wider?
RA Peter Mattil: In
den letzten Jahren gab es eine Reihe regulatorischer Änderungen im Vermögensanlagengesetz,
also auf dem sogenannten grauen Kapitalmarkt. Banken sind in diesem Bereich
kaum noch aktiv. Im Bankrecht würde ich besonders erwähnen: Die Rechtsprechung
zu Kreditverträge und Bearbeitungsentgelten, Vorfälligkeitsentschädigungen,
missbräuchlicher Verwendung von Karten und Online-Banking. Im BGB wurde hier
eine Reihe von Vorschriften aufgrund der PSD2 (Zahlungsdienstrichtlinie, Anm. d. Red.)
geändert bzw. ergänzt, die den Verbraucherschutz verbessern. Was die Widerrufe
von Darlehen betrifft, hat der Gesetzgeber nach der großen Welle der Widerrufe
gehandelt und die Widerrufsmöglichkeit gesetzlich beendet. Bei Bausparverträgen
beschäftigt sich die Rechtsprechung mit Kündigungen seitens der Bausparer und
Vertragsanpassungen. Das Thema Sittenwidrigkeit von SWAP-Geschäften dürfte
hingegen im Wesentlichen durch sein.
Individualklagen werden seltener
Wie hat sich das Aufkommen an Rechtsstreitigkeiten zu Anlage- und Kapitalmarktthemen aus Ihrer Sicht entwickelt?
Es wird immer noch viel geklagt, siehe Wirecard und P&R, wobei zunehmend die Anbieter mit Prozessfinanzierung in Erscheinung treten. Massenklagen und Musterverfahren spielen eine größere Rolle. Individualklagen sind seltener, auch wegen der Nicht-Deckung durch viele Rechtsschutzversicherungen.
Das sind die Top 3
Welche Themen verursachen die meisten Streitigkeiten?
Beratungsfehler, falsche Prospekte und Testate, Insolvenzen – das sind die derzeitigen Top 3.
Sicherheit steht im Mittelpunkt
Hat sich die Streitkultur verändert? Sind Kunden heute eher bereit, es auf einen Rechtsstreit ankommen zu lassen?
Nein, eher im Gegenteil. Und wenn, fragen sie nach finanziellen Sicherheiten wie Erfolgshonorare oder Prozessfinanzierung.
Ombudsleute bei Verjährungshemmung gefragt
Welche Rolle spielen die Ombudsleute bei der Streitbeilegung?
Ombudsleute
kommen hauptsächlich bei der Verjährungshemmung zum Einsatz, übrigens nicht nur
durch Anleger, sondern auch durch Emittenten. Einen Schiedsspruch gibt es
gelegentlich auch.
Kaum Mandanten zu Falschberatung
Sehen Sie eine positive Entwicklung bei den Banken, was Kundenzentrierung betrifft?
Das ist schwer zu sagen. In den letzten Jahren hatten wir kaum Mandanten, die eine Falschberatung durch Banken geltend machen. Viele Anbieter verkaufen direkt – was im Vermögensanlagenrecht seit neustem verboten ist – oder über Finanzanlagenvermittler.