Japan-Modus 2.0
Die Börse wäre nicht die Börse, wenn es keine Überraschungen gäbe. Das schrieben wir an dieser Stelle zu Jahresbeginn (FK vom 2.1.). Und wir waren auf einiges Ungemach und negative Überraschungen eingestellt. Das Virus aus Wuhan hatten wir dabei zwar nicht im Blick. Unsere grundsätzlich sicherheitsorientierte Positionierung hatten wir daraus abgeleitet, dass die Aktienkurse nahe historischer Marken notierten, die Wirtschaftszahlen sich aber bereits seit September eintrübten und der Zollkonflikt der USA mich China weiter schwelte. Darum hatten wir uns mit relativ viel Cash und engen Stopp-Kursen positioniert. Das hat sich nun natürlich auch in der Corona-Krise bewährt.
Unsere Befürchtungen für eine kräftige Korrektur wurden weit übertroffen. Die Börsen haben nicht nur einen Teil ihrer Überbewertung bezüglich der Fundamentaldaten abgebaut. Die Marktteilnehmer müssen jetzt auch plötzlich ein globales Rezessions-Szenario einpreisen. Ausgelöst wird das durch den nahezu weltweiten Lockdown weiter Teile große Volkswirtschaften. Das soll helfen, die rasante Ausbreitung der Lungenkrankheit zu verlangsamen.
Suche nach einer fairen Bewertung
Das akute Problem der Investoren besteht darin, dass sie momentan keine Grundlage dafür haben, halbwegs sicher faire Werte für Unternehmen kalkulieren zu können. Wenn Unternehmen aufgrund von Abschottungen über Nacht praktisch kein Geschäft mehr machen, ist die Kalkulation künftiger Gewinne schlicht nicht möglich. Auch die Kalkulation von Kosten fällt extrem schwer. Fakt ist lediglich: Hohe Fixkosten (Personal, Lager) und hohe Schulden sind ein akutes Problem.
Die Billionen von Dollar, Euro und Yen, die rund um den Globus von Notenbanken und Politik mit dem Füllhorn ausgeschüttet werden, helfen dabei wenig. Denn noch ist nicht klar, wie lange der wirtschaftliche Stillstand überhaupt andauern wird. Genau das ist aber die Gretchenfrage. Erst wenn Szenarien absehbar werden, wann sich die wirtschaftlichen Aktivitäten wieder normalisieren, gibt es neue Rechengrundlagen. Erst dann wird sich in der Breite der Unternehmen zeigen, welche Kosten der Stillstand kurzfristig verursacht hat - und wie zügig und erfolgreich die Firmen zurück in die Spur finden.
Strategische Ableitungen für Anleger
Die strategische Ableitung für Anleger ist in der aktuellen Gefechtslage dennoch relativ einfach. Kurzfristig bleiben die Börsen angezählt und kippelig. Darum bleiben auch die Schwankungen groß. Die Märkte werden sich in Abhängigkeit des Corona-Verlaufs entwickeln. Hier deutet sich an, dass Asien das Tal bereits durchschritten hat. In China zieht die wirtschaftliche Aktivität spürbar an. Die Lage normalisiert sich. In Europa wird die Dynamik der Neuinfektionen vermutlich schon Mitte April deutlich nachlassen. Die Bremsen werden spätestens Anfang Mai vorsichtig gelöst. Die USA werden den Corona-Peak Ende April/Anfang Mai erreichen. Wobei noch nicht absehbar ist, wie lange dort das Leben "eingefroren" wird. Für Anleger ergeben sich daraus kurzfristig eher Trading-Gelegenheiten. Die Börsen könnten durchaus noch einmal in Richtung der jüngsten Tiefs rutschen. Dort bieten sich Käufe an, mit der Perspektive schneller Kursgewinne. Auf dem aktuellen Niveau würden wir schon nicht mehr "blind" kaufen, denn ein nächster Rücksetzer könnte schnell hohe Verluste bringen.
Langfristig ist entscheidend, dass es weder für "Geldhüter" noch für Politiker Begrenzungen zu geben scheint, Geld zu drucken und auch auszugeben. Der Japan-Modus, den wir ausführlich in unserem aktuellen Buch "Anlagechancen 2020" analysiert haben, ist global in Phase 2 angekommen. Mit überbordender Liquidität werden die Märkte geflutet, Kapazitäten erhalten. Das drückt auf die Produktivität und auch auf die Gewinne. Das Wachstum wird marginal bleiben, in Japan und Europa - zunehmend aber auch in China - ausgebremst durch die Demographie.
Aktien werden immer alternativloser
Der Nebeneffekt, dass Anleihen als Anlageklasse komplett ausfallen, wird den Aktien Schwung geben. Daneben werden alle Realwerte profitieren. Dazu zählen auch Edelmetalle, zum Teil auch Immobilien. Bei denen besteht jedoch das Risiko, dass sie in einigen Jahren zur Finanzierung der Staatsschulden herangezogen werden (z. B. über Steuern).