Kunst in Kriegszeiten
Die Welt scheint aus den Fugen. Spätestens seit dem Anschlag auf das New Yorker World Trade Center am 11. September 2001 erleben wir eine Vielzahl diverser Erhebungen nationaler Minderheiten, fundamentalistische Verirrungen und seit dem Angriff Russlands auf die Ukraine am 24. Februar 2022 auch wieder einen realen Krieg in Europa. In jedem Krieg gibt es stets Gräuel, Zerstörung und auch Entmenschlichung. Das ist nicht neu und wurde von Künstlern in der Vergangenheit als Mahnung mannigfach dargestellt. Denken wir an Picassos Gemälde Guernica, Goyas Grafikzyklus Die Schrecken des Krieges oder auch an Franz Radziwills apokalyptische Vorhersehung U-Boot-Krieg/Der totale Krieg/Verlorene Erde im Münchner Lenbach-Haus.
2022 erreichen uns medial viele Eindrücke aus den ukrainischen Kriegsgebieten. Das wird - wie immer - auch Auswirkungen auf Kunstinstitutionen, Sammler und den Kunstmarkt richten. Zur aktuellen Situation der bedeutenden ukrainischen Museen ist wenig bekannt. Ob wichtige Sammlungsobjekte gesichert, verlagert bzw. vernichtet wurden, entzieht sich unserer genauen Kenntnis. Besonders die großen musealen Einrichtungen, wie das Nationale Kunstmuseum in Kiew, das Kunstmuseum in Charkiw (eines der ältesten Museen) stehen im internationalen Fokus. Mit Sicherheit sind viele der kleinen und mittleren regionalen Gedenkstätten, Stadtmuseen, technische Sammlungen durch Bombardements und Beschuss beschädigt worden. Was nicht zerstört wurde, ist möglicherweise Plünderungen anheim gefallen. Es bleibt abzuwarten, welche Museumsstücke in Zukunft auf den internationalen Kunstmärkten auftauchen werden.
Oligarchen und Kunst
Mit dem Untergang der Sowjetunion und der Formierung Russlands sind auf den internationalen Kunstmärkten eine große Zahl Oligarchen als Kunstkäufer und Sammler aktiv geworden. Superreiche, deren Herkunft ihres Kapitals oftmals im dunklen Verborgenen blieb, gibt es nebenbei bemerkt in fast allen osteuropäischen Staaten. Sie haben über die Jahre hinweg beachtliche Sammlungen mit einzigartigen Objekten zusammengetragen. Der Vorteil ihrer Investitionen in wertigste Kunstobjekte, Schmuck, Uhren und Sammlerobjekte liegt in der Mobilität des Investitionsgutes. Ein leichter Transport, die innere Werthaltigkeit und eine stete internationale Nachfrage nach Spitzenobjekten sprechen für diese Investitionsgüter. Mit Sicherheit gelingt es nur bedingt solche Vermögenswerte, nach regionaler Herkunft und politischer Einordnung der Betroffenen unter Sanktionen bzw. Arrest zu stellen.
Eine Reihe von Staaten (China, Indien, Venezuela, Brasilien, Iran, Syrien etc.) setzen die Sanktionen gegen Russland nicht bzw. nur bedingt um. Diese Staaten repräsentieren aber 50% der Weltbevölkerung und auch in ihnen gibt es genug superreiche Kunstfreunde und Sammler. Im internationalen Kunstmarkt ist China mittlerweile auf einen führenden zweiten Platz vorgerückt. Die Sanktionspolitik des Westens wird ein Ausweichen in diese Märkte weiter befördern. Es ist zu befürchten, dass dies über kurz oder lang auch für andere Asset-Klassen wie Rohstoffe, Energie und Fertigprodukte passieren wird.
Auktionshäuser werden weniger Geschäft machen
Im internationalen Auktionsmarkt haben sich in den vergangenen Jahren spezielle Formate für russische Kunden etabliert. In London halten die führenden Auktionshäuser im Frühjahr und Sommer sogenannte russische Wochen ab. Denn gerade dort deckten sich die Magnaten mit Spitzenware ein. Keiner kann abschätzen, ob die teilweise gesperrten Bankkonten der Sanktionierten merklichen Einfluss auf künftige Umsätze haben werden. Negative Auswirkungen der Embargomaßnahmen dürften eher viele kleinere und mittlere deutsche Auktionshäuser zu spüren bekommen.
Zu einer beachtlichen und wichtigen Käufergruppe haben sich Kunstfreunde aus dem russischen Mittelstand entwickelt. Sie kaufen zumeist Kunst, Porzellan, Teppiche, Möbel etc.. Die Beschränkungen des internationalen Zahlungsverkehrs treffen diese Kunden mit Sicherheit. Je nach Dauer des Konfliktes zwischen der Ukraine und Russland wird auch der deutsche Kunst- und Auktionsmarkt stärker betroffen sein.
Viele Leidtragende
Ein Opfer der Sanktionspolitik steht heute schon fest: der internationale, kulturelle Austausch. Zu befürchten ist, dass die zaghaft nach 1989 in Gang gekommene Zusammenarbeit deutscher und russischer Kulturinstitutionen, der Austausch von Sammlungsgegenständen, gemeinsame Ausstellungsprojekte usw. dauerhaft beschädigt wurden. Die finanziellen Folgen des Krieges werden für jeden Bürger, die Unternehmen und auch den Staat spürbar werden. Allgemeine Unsicherheit, erhöhte Inflation und ein gemindertes Verbraucherverhalten führen zu einer Entreicherung.
Ausstellungsempfehlungen:
Bernried, Buchheim-Museum
- „Brücke & Secession“
- bis 26. Juni 2022
Chemnitz, Schlossbergmuseum
- „Von Göttern, Menschen und Heldensagen“
- bis 26. Juni 2022
Wiesbaden, Museum-Wiesbaden
- „Hundert Jahre Jawlensky in Wiesbaden“
- bis 26. Juni 2022
Fazit: Der Krieg wird zu diversen Wohlstandsverlusten führen. Am Kunstmarkt ist mit Zurückhaltung der Käufer und einer Rezession zu rechnen. Zu hoffen bleibt grundsätzlich, dass alle Konfliktparteien unverzüglich zu einer friedlichen Lösung finden.