Mehr Bildung per Dekret in China
Hatten wir letzte Woche noch eine gewisse Nervosität aus den Verlautbarungen chinesischer Regierungsmedien heraus gelesen, erkennt man einige Tage und verbale Rundumschläge später die schon länger geplante Strategie. China will von Technologie-Transfers unabhängig werden, die Top-Ingenieure sollen von den eigenen Universitäten kommen. China will nicht 80% seiner Industrie-Roboter importieren, sondern diese selbst herstellen und vor Allem das Personal, das sie bedient auch selbst ausbilden. Roboter sind die Schlüsselindustrie, um bestehende Lieferketten im eigenen Land durch Kostenvorteile zu schützen und zu verbessern. Denn sie machen den Rest der Welt von Chinas Kosten-günstiger Produktion abhängig. Eine gut funktionierende, regionale Lieferkette substituiert man nicht so leicht von Außen, wie wir in der Textilindustrie schon seit Jahrzehnten beobachten.
Hard-Tech bringt Kostenvorteile, Soft-Tech ist vulgär
Die im letzten Beitrag so gelobten Leistungen im Service-Sektor, wie das „Social Commerce“ Feuerwerk oder die innovative Lieferketten-Optimierung von SheIn interessieren den Staat ganz wenig. Sie wurden im 5-Jahres-Plan weder vorgesehen, noch vorhergesehen. Im Gegenteil, Ziel des neuen Bashings Regierungs-treuer Medien und der neuen Regulierungsmaßnahmen sind neben dem Nachhilfesektor für Reiche auch Billiglöhne, Videospiele und Such- und Empfehlungsdienste. Nervosität und Verärgerung über den Erfolg der "falschen", aber beim Volk leider populären Soft-Tech Industrie ist dann doch erkennbar. Der Staat aber wünscht sich massiven Einsatz von KI und Robotik, der nicht zu mehr Bequemlichkeit und einem Online-Prekariat führen soll, sondern bestenfalls zu noch mehr (Aus-)Bildung, Innovation und Hochtechnologie führt.
Strategie für den Bildungsstandort China
- Die South China Morning Post berichtet über Treffen mit den großen Nachhilfe-Anbietern bereits im März, allerdings scheinen diese eher auf Zeit gespielt zu haben.
- Die Regierung reguliert auch Lieferdienste wie Meituan stärker, um Billiglöhne abzuschaffen.
- Präsident Xi hat seine Vorbehalte gegen die Nachhilfe-Industrie bereits vor drei Jahren hier notiert. Im 14. Fünf-Jahres-Plan (hier analysiert und zusammengefasst) werden die für die chinesische Führung tatsächlich wichtigen Sektoren genannt (s. 7 oder hier): 1. Integrierte "next-gen" Chips, wie sie TSMC fertigt, 2. Robotics, 3. Raumfahrt (Mars), 4. High Tech Schiffe (Marine?), 6. Sparsame, vernetzte Elektroautos, ... Schienennetz ... Biotech u.s.w.
Videospielindustrie wird sich vorgeknöpft
- Das sind alles sog. "Hard-Tech" Industrien, die "Soft-Tech", wie die Internet und "BigTech" Branche ist nicht genannt. Der zweite Angriff der Regierung-nahen Medien zielte gestern auf die Videospiel-Industrie und ganz konkret auf den Marktführer Tencent, Videospiele seien wie geistiges Opium, bzw. "elektronischen Drogen" für Teenager.
- Formulierungen, wie Opium wurden in einem Update des Artikels dann entfernt und durch Formulierungen, wie "schädliche Wirkung" ersetzt und dass es "unmoralisch" sei, Schulen, Unternehmen oder Eltern allein dafür verantwortlich zu machen, dass Kinder lange Stunden mit Videospielen verbringen.
- Die Offiziellen in China wissen, dass die einmalige Äußerung in dieser Form ein ausreichender Warnschuss ist, die Erinnerung an die Opium-Zeit löst in China ähnliche Ängste aus, wie in Deutschland der Begriff "Inflation". Opium hat China im frühen 19. Jahrhundert auch finanziell ausgeblutet. Wegen der Geschäftsinteressen und militärischen Überlegenheit der Europäer konnte China den Vertrieb von Opium nicht unterbinden, was letztlich in den Opium-Kriegen mündete. Von Krieg will man angesichts der latenten Konflikte im südchinesischen Meer dann doch nicht reden, wenn Reformen anstehen. Aber ganz weglassen wollte die Führung das Zeichen nach außen dann doch nicht.
Unterhaltung wird staatlich weiter kontrolliert
- Einen weitereren Regulierungsschritt deutet ein unveröffentlichtes Strategiepapier an, dieser reguliert die künstliche Intelligenz und trifft z.B. das Unternehmen Bytedance und deren Plattform "TikTok". Auf deren China-Version "Douyin" täglich 600 Mio. User gesehen werden, also fast alle Chinesen. Die Plattformen sollen die "Erforschung von Algorithmen im Cyberspace verstärken, eine umfassende Kontrolle der Empfehlungen von Algorithmen auf Internet-Plattformen durchsetzen und keine Kanäle für die Verbreitung fehlerhafter Inhalte bereitstellen". Konkret richtet sich das gegen die sehr beliebten "niedrigen, vulgären und anbiedernden Inhalte oder Quasi-Unterhaltungsinhalte". China möchte nicht, dass seine Bürger "Sklaven des Online-Verkehrs werden oder zulassen, dass kommerzielle Standards künstlerische Standards übertrumpfen". Stattdessen werden alle chinesischen Autoren und Vertreiber von Inhalten aufgefordert, "die richtige Richtung einzuschlagen, die marxistische Literaturtheorie und -kritik zu stärken und auf die sozialen Auswirkungen der Literaturkritik" zu achten.
China in der Wohlstands-Falle
Jeder Chinese soll durch all diese Maßnahmen begreifen, dass die Heranwachsenden trotz intensiver Bemühungen in Summe nicht gut genug ausgebildet sind und im Übrigen die Internet- und Spiele Industrie schädlich sei. Die Regierung verfolgt den Plan, den Kindern der unteren Schichten die Bequemlichkeit einfacher Jobs zu verleiden, leicht zu konsumierende Inhalte und das exzessive Online-Spielen abzugewöhnen.
Die Regierung forciert intelligentere Inhalte (marxistische Lektüre: Das Kapital) auf Plattformen und ermöglicht den Zugang zu besseren Universitäten für Jedermann unabhängig vom Wohlstand. Das Ziel ist, möglichst bald hinreichend viele, ausreichend intelligente Ingenieure für die Erfüllung des 14. Fünf-Jahres-Plans zu haben.
Wenn Täuschung, die für andere bestimmt ist, zur Selbsttäuschung wird
Man darf gespannt sein, was in den nächsten Tagen noch an Maßnahmen kommt und wie schnell das chinesische Volk diese vielen Anweisungen richtig versteht und umsetzt. Als vorsichtige Investoren haben wir uns letzte Woche aus China zurückgezogen, weil die nun folgende Unsicherheit einen Börsenzyklus viel Zeit benötigt.
Der Vorstoß von Xi war den Umständen entsprechend unausweichlich, weitere "Ideen" werden folgen. Tief im Herzen weiß Xi Jinping und wissen wir, dass Bildung per Diktat eher als typische chinesische Selbsttäuschung enden wird.
Ausrüster für geografisch diversifizierte Lieferketten
Wir sehen uns lieber außerhalb von China nach Zulieferern für Lieferketten Optimierung um, ob es sich nun um Fabrikausrüster, Robotik oder Cloud-Anbieter für SME-Unternehmen handelt. Denn Corona hat die Lieferketten nachhaltig unterbrochen, also steht für sehr viele internationale Produzenten die geografische Diversifizierung und die Stärkung der Lieferantenbeziehungen an oberster Stelle. TSMC baut vorausschauend Fabriken in Japan und Deutschland auf und stärkt so die Stellung Taiwans als internationaler Partner.
Investments der Woche
Investiert wird in den Depots NiP Kapitalerhalt und NiP Ausschüttend nach dem Konzept der Risiko-Budgetierung:
- Fanuc (WKN: 863731 / ISIN: JP3802400006) und SMC (WKN: 874794 / ISIN: JP3162600005) stellen Werkzeuge für die Fabrikautomatisierung her, so wie Honeywell (WKN: 870153 / ISIN: US4385161066 / Symbol: HON) als Hersteller elektronischer Geräte für Fabriken ebenfalls unerlässlich ist.
- Citron Research hat kürzlich - wie längst Jeder weiß - Digital Ocean empfohlen (WKN: A2QRZ4 / ISIN: US25402D1028 / Symbol: DOCN), die durch die Parallele zu Shopify eine Art Strategie-Diversifizierung im Depot sind, d.h. klappt das eine nicht, hat das Andere bessere Chancen.
Underperformer verlässt Depot
- Im Depot Kapitalerhalt wird für etwas Liquidität der Lloyd Fds-Europ.Hidden Champions Fonds (DE000A2PB598) verkauft, die Rendite war gering positiv und die künftigen Champions haben wir ja nun von selbst gefunden.
Wir bleiben sehr skeptisch für die Börsen in China, da die Struktur nun zunehmend Schwächen offenbart, zeitgleich aber die Regierung - wenn auch experimentell - die Weichen für die Zukunft stellt. Doch die dafür notwendige geistige und kulturelle Elite formt sich nicht nach ein paar Jahrzehnten Wohlstand neu, so wenig wie im Westen alles Gold ist, was glänzt. Christian Libor, Quanvest GmbH, Bad Homburg