Beamte rein, Probleme raus? Die trügerische Rentenreform der Bärbel Bas
Die neue Bundesministerin für Arbeit und Soziales, Bärbel Bas (SPD), will die Rente reformieren. Das ist ein richtiger, wichtiger und seit Langem überfälliger Schritt. Leider schlägt sie dabei die falsche Richtung ein. Beamte und Selbstständige sollen in die gesetzliche Rentenversicherung einbezogen werden. Das löst das Problem nicht, sondern verschiebt es – mal wieder – in die Zukunft.
Zwar kommt für einige Zeit etwas mehr Geld in die Kasse. Doch dafür fließt in einer Generation auch deutlich mehr wieder ab. Denn die Beitragszahler von heute sind die Leistungsbezieher von morgen.
Demografie schlägt Solidarität
Das System der solidarischen Rente haben die Mitglieder dieser Gesellschaft längst „entsorgt“. Das Prinzip lautet: Die Generation der Kinder versorgt die der Eltern. Doch seit Jahrzehnten bekommen zu wenige junge Paare genügend Kinder, um die Solidarsysteme zu erhalten. Wenn sich junge Menschen oftmals eher für ein Hündchen als ein Kindchen entscheiden – aus welchen Gründen auch immer – ist das legitim, aber dann funktioniert dieses System nicht mehr. Es ist faktisch die Kündigung des Solidarprinzips. Nicht durch den Staat, sondern durch die Bürger.
Übrigens ist das kein Phänomen der Babyboomer, die jetzt die Rentenkasse in Anspruch nehmen werden, sondern eines, das auch in den jüngeren Generationen weit verbreitet ist. Im Jahr 2023 – aus diesem Jahr stammt die jüngste verfügbare Zahl, die die Statistiker liefern – betrug die Geburtenrate in Deutschland 1,38 Kinder je Frau. 2,1 müssten es sein, um die Solidarsysteme dauerhaft am Laufen zu halten. An diesem Negativtrend haben weder mehr Kita-Plätze, noch monatelanges Elterngeld etwas geändert.
Lebensarbeitszeit verlängern hilft nicht wirklich
Die Lebensarbeitszeit zu verlängern, ist am Ende auch nur weiße Salbe. Es entlastet die staatlichen Kassen kurzfristig, löst aber nicht das Grundproblem: Keine Generation ersetzt mehr vollständig die vorangehende. Deshalb sollte das Umlagesystem abgeschafft und durch ein kapitalgedecktes System ersetzt werden, bei dem jeder für sich selbst vorsorgt. Das entspricht dem modernen Gesellschaftsbild, in dem Männer und Frauen in der Regel für sich selbst Verantwortung übernehmen.
Freiheit zur Vorsorge erhalten
Selbstständigen das „Privileg“ zu nehmen, selbst vorsorgen zu dürfen, ist ein Treppenwitz der Reformgeschichte. Im Gegenteil: Dieses „Privileg“ sollten alle erhalten. Die kapitalgedeckte Rente, die Ex-Finanzminister Christian Lindner (FDP) mit großer Mühe eingeführt hat, sollte zum Regelprinzip der Vorsorge werden. In vielen Ländern funktioniert das ausgezeichnet. Beispiele sind Chile, Mexiko, Kolumbien, Costa Rica, Australien, Dänemark, Israel, Island, Lettland, Estland, Schweden oder Litauen. Zumindest sollte die Teilnahme freigestellt sein (Opt-out). Auch dafür gibt es in der westlichen Welt mit Neuseeland, Großbritannien, der Türkei, Litauen, Polen, Kanada, Italien oder den USA zahlreiche Beispiele.
Ein Umstieg ist folgerichtig. Aber er löst nicht alle Probleme und schafft neue. Natürlich müssen wir uns dann Gedanken darüber machen, wie stark wir jene alimentieren, die keine Eigenvorsorge betreiben können oder betreiben wollen. Natürlich muss eine Gesellschaft, die fortbestehen will, junge Familien unterstützen. Doch das ist eine andere Diskussion.
Die Rechnung für alte Fehler
Dass der Übergang langwierig und schwierig wird, lässt sich nicht vermeiden. Dass es so teuer wird, war jedoch nicht notwendig. Politiker von Rot und Schwarz haben dies maßgeblich zu verantworten – sie sind der Bock, der sich nun als Gärtner tarnt.
Das Zurückdrehen der Müntefering-Reformen („Rente mit 67“), die Aussetzung des Nachhaltigkeitsfaktors (Berücksichtigung des Verhältnisses zwischen Beitragszahlern und Rentenbeziehern bei der jährlichen Rentenanpassung), die Ausweitung der Mütterrente und damit Zusatzbelastungen für ein System, aus dem sich die Gesellschaft seit Generationen verabschiedet, geht auf ihre Kappe. Dass sie die staatlichen Reserven, die sich aus der Politik der „schwarzen Null“ ergeben hatten, für größtenteils unsinnige Coronamaßnahmen verpulverten – ebenfalls.
Wahlgeschenke statt Verantwortung
Mit dieser Politik des Wählerkaufs haben sie für die kommenden Jahre eine Allianz mit der Wählermehrheit – den (kommenden) Rentnern – geschmiedet, die Änderungen im Hier und Jetzt unmöglich macht. Denn die Ruheständler sind das letzte treue Klientel der beiden großen Parteien der alten Bundesrepublik. Sie nehmen nicht nur zahlenmäßig zu, sie gehen auch regelmäßig „brav“ zur Wahlurne.
Sie haben der CDU den Wahlsieg beschert und der SPD das politische Überleben gesichert. Über 40% der über 60-jährigen wählten die Unionsparteien, 23% die SPD. Jede Diskussion über eine Rentenreform werden sie als Angriff auf ihren „wohlverdienten“ Ruhestand verstehen – und bei der nächsten Wahl mit „Fremdgehen“ quittieren.