Das Ende ist alternativlos
Großbritannien ist das erste Land, das seinen Bürgern in der Corona-Krise auch finanziell „reinen Wein“ einschenkt. Zur neuen Post-Covid-Normalität gehören deutlich höhere Steuern. Das hat der UK-Schatzkanzler Rishi Sunak in der Haushaltsplanung deutlich gemacht. Ausgabenkürzungen werden nicht reichen. Als erstes werden Unternehmenssteuern erhöht. Sie steigen 2023 von 19% auf 25%.
Die EU-Kommission wird dagegen im Mai beschließen, die Schulden- und Defizitregeln auch im Jahr 2022 auszusetzen. Nach dem Einstieg in die Haftungsunion ein gewaltiger Schritt. Außerdem sollen „länderspezifische Besonderheiten“ berücksichtigt werden. In Einzelfällen sollen also Ausnahmen für europäische Problemstaaten auch über 2022 hinaus gemacht werden.
Finanz-Nebelkerzen
In Deutschland werfen die Politiker angesichts der bevorstehenden Bundestagswahl finanzielle Nebelkerzen. SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz drückt sich wortreich um eine Aussage zu Steuererhöhungen, mit denen die SPD schon lange liebäugelt. Kanzlerin Angela Merkel und die beiden potenziellen K-Kandidaten Armin Laschet und Markus Söder wollen von Steuererhöhungen „derzeit nichts wissen“.
Erst einmal wird ausgereizt, was geht. Neue EU-Schulden, verlängerte Aussetzung der Schuldenbremse. Und immer wieder gibt es den Verweis auf das Nullzinsniveau an den Finanzmärkten, was eine Finanzierung erleichtere und ein Herauswachsen aus den Schulden möglich mache. Allein der Tilgungsplan für die neuen Schulden des Jahres 2021 läuft von 2026 bis einschließlich 2042. Nach der bisherigen Rechnung muss der Bund zusammen mit den diesjährigen Schulden pro Jahr rund 15 Milliarden Euro zurückzahlen – allerdings nur bei Null-Zinsen.
Corona wird noch teuer
Die Politik beruhigt mit den selbst geschaffenen Rahmenbedingungen des billigen Geldes, verkennt aber, dass in der Praxis der Finanzmarkt entscheidend ist. Die Corona-Milliarden müssen bezahlt werden – wahrscheinlich sogar mit Zinsen. Wie schnell am Markt der Wind drehen kann, zeigt ein Blick auf die Rendite-Entwicklung in den USA. Dort sind die Zinsen für 10-jährige Staatsanleihen binnen Jahresfrist von 0,75% auf 1,5% gestiegen. Explodierende Staatsschulden werden dann schnell teuer, unter Umständen sogar untragbar.
Darum werden auch in Deutschland bald die Steuern steigen (Einkommensteuer, Unternehmenssteuer). Außerdem werden die Freibeträge zur Debatte stehen, höhere Krankenkassenbeiträge wird es ebenfalls geben. Und zahlreiche Ausgabenkürzungen auch.
Corona vom Ende her denken
Das zeigt mir auch, wie Generationen-ungerecht die Corona-Politik ist. Denn die Corona-Rechnung werden nicht die Alten, sondern Unternehmen und Arbeitnehmer bezahlen. Das sind diejenigen, die sich jetzt zum Schutz der vulnerablen Gruppen einschränken, um ihre Existenzen fürchten. Das ist zwar Solidarität. Aber „Solidarität ist keine Einbahnstraße“, wie es aus der Politik selbst oft heißt – und ich fürchte, sie wird in den nächsten Jahren überstrapaziert.
Merkel wird nachgesagt, sie denke alles „vom Ende her.“ Damit rechtfertigt sie Alternativlosigkeit. Aber eigentlich hat sie es nie getan. Beim Atomausstieg nicht, bei der Abschaffung der Wehrpflicht nicht. Und auch in der Corona-Krise ist sie mindestens jetzt weit „hinter der Kurve“.
Das Einzige, was jetzt alternativlos wäre, ist Corona auch vom finanziellen Ende her zu denken und zu akzeptieren, dass Politik nicht allmächtig ist. Der Finanzmarkt wird die Rechnung präsentieren und saftige Steuererhöhungen sind sicher. Dann stehen uns in Deutschland scharfe Verteilungskonflikte und im international zurückfallenden Europa heftige Zerreißproben bevor. Ihr Stefan Ziermann