Der unterschätzte Laschet
Armin Laschet stimmt mit Bundeskanzlerin Angela Merkel nicht nur weitgehend in der politischen Ausrichtung überein. Sie haben noch etwas anderes gemeinsam: Sie werden unterschätzt. Feurige Reden hält der in Aachen geborene Jurist nicht. Auf den Tisch zu hauen, traut man ihm kaum zu (obwohl er es kann). Und im Direktvergleich der Alphatiere wirkt er wie das Mauerblümchen, das sich in die Wandnische drücken lässt.
Bisher haben ihn so auch die Wähler wahrgenommen. Bei der Sonntagsfrage rangiert er am Ende der Kandidatenskala, erst recht fürs Kanzleramt: Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU), die Nummer 2 Partner im Bewerberduett Laschet-Spahn, landete gestern noch – vor der Wahl – mit 14% auf Platz zwei. Dicht gefolgt von Friedrich Merz (CDU) mit 13%. Abgeschlagen auf dem letzten Rang kam NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) mit 8%. Bei der Kanzlerfrage liegt Markus Söder aus Bayern mit 46% weit vorne.
Auch Merkel war 2005 nicht beliebt und wenig geachtet
Und man sollte nicht vergessen: Auch Merkel startete in der Wählergunst aus einer Außenseiterposition. Die Wirtschaft, so hieß es noch 2004, habe sich von der Union unter Merkel abgewendet, 2006 meinten 65% der Wähler, dass die CDU in wichtigen politischen Fragen nicht hinter der Parteichefin stehe. damals trat der Bayer edmun Stoiber, der 2002 Gerhard Schröder und Joschka Fischer nur knapp unterlgen war, noch wie der eigentlich bestimmende Kopf in der Union auf.
Basta-Mann gegen Leise(r)treter
Was 2005 das Duell Schröder – Merkel war – hier der robuste, mehr als selbstbewusst auftretende Niedersachse, dort die in gemeinsamen Talkshows beinahe eingeschüchtert wirkende Merkel – wiederholt sich diesmal in gewisser Weise im Kanzlerkandidatenduell Söder – Laschet: Basta-Mann gegen Leise(r)treter; vorausgesetzt, der NRW-Ministerpräsident kann sich an die Spitze der CDU setzen.
Den nötigen Rückenwind hat ihm erst mal die Kommunalwahl vom Wochenende im Stammland der SPD, NRW, gegeben. Die CDU unter Laschet überraschte positiv und holte 34,3% der Stimmen (2014: 37,5%).
Laschet kann Schwarz-Grün
Für die Union dürfte aber noch ein anderer Aspekt wichtig sein: Laschet regiert zwar mit der FDP; er kann aber auch mit den Grünen auf Bundesebene und notfalls auch Jamaica. Besser jedenfalls als Friedrich Merz und Markus Söder. Norbert Röttgen ist bei der Vorsitzendenauswahl ohnehin nur Zählkandidat. Das Projekt Rot-Rot-Grün wiederum hat mit der NRW-Wahl und dem miesen Abschneiden der Sozialdemokraten in ihrem einstigen Stammland einen kräftigen Dämpfer (24,3%; 2014: 31,3%) erhalten. Auch die Linke schmierte ab (3,8%, 2014: 4,7%). Die FDP präsentiert sich mit 5,6% nur als drittes Rad am Wagen, egal in welcher Konstellation sie als Mehrheitsbeschaffer gebraucht würde.
Somit ist die Spannung vor der Kandidatenkür Anfang November, bei dem Parteitagsdelegierte nach anderen Kriterien abstimmen als der Wähler, noch einmal gestiegen, meint Ihr Ralf Vielhaber