Die Botschaft von Olympia
Wenn Olympioniken ebenso wie die Nationalmannschaft Botschafter des Sportes sind, dann sollten wir noch mal über die Botschaften reden. Beide Top-Ereignisse haben kein Feuer entfacht, keine Verbundenheit, kein Gemeinschaftsgefühl, erst recht kein Hochgefühl geweckt. Nicht mal Enttäuschung. Eher gepflegtes Desinteresse. Und das lag nicht nur an leeren Stadion-Rängen.
Der Mannschaftssport versagte. Wenige Individualisten glänzten. Die Medaillenausbeute war mager. Und eingebrannt hat sich vor allem eins: Echte Emotionen sind im Profigeschäft Sport gefährlich geworden.
Unverzeihliche Entgleisungen?
Wir erlebten einen Radsport-Funktionär, der Konkurrenten in einer hoch emotionalen Situation als „Kameltreiber“ titulierte. Das war daneben. Aber er hat sich entschuldigt. Vergebens. Wegtreten, raus.
Wir sahen eine weinende Fünfkämpferin, die wegen eines seltsamen Reglements um ihre Goldmedaillenhoffnung gebracht wurde. Die darüber den Kopf verlor und die Gerte gebrauchte. Sie hat danach ihren Instagram-Account deaktiviert, um die Reaktionen nicht mehr lesen zu müssen. Wir erlebten eine Trainerin, die wegen des kräftig formulierten Aufrufs zum Gebrauch der Gerte zur Tierquälerin abgestempelt wurde.
Profisportler müssen auch ihre Seele verkaufen
Die soziale Kontrolle im virtuellen globalen Dorf ist konsequenter, brutaler als jene in den realen Siedlungen. Nur gibt es für exponierte Persönlichkeiten im Netz keine virtuelle Stadtluft, die frei macht, in die sie fliehen könnten.
Im Profigeschäft von heute muss man nicht nur seinen Körper verkaufen, sondern auch seine Seele. Man muss Medaillen abliefern und wenn das schon nicht gelingt, dann wenigstens Haltungen. Sportler werden zu Kunstfiguren erzogen, zu Sprechpuppen. Die Fußball-Nationalmannschaf hat es mit Kniefall und Regenbogen vorgemacht.
Angepasste Sprechpuppen gewünscht
Unsere Gesellschaft, die Inklusion, Empathie und Achtsamkeit predigt, verzeiht faktisch nichts. Sie brandmarkt und grenzt aus. Sie schafft Leistungsmaschinen, denen das Menschliche ausgetrieben wird. So wie wir das früher von den Athleten des Ostblocks kannten, die als Staatssportler körperlich ausgebeutet wurden und die wir bedauerten, weil sie als Individuen abgemeldet waren. Die vorgestanzte Sätze in Mikrofone sprachen, die von aufgenötigter Angepasstheit nur so strotzten. Und die ganz schnell weg vom Fenster waren, wenn sie dem vorgegebenen Kanon nicht folgten. Der Profisport nähert sich dem an.
Sport ohne echte, auch mal unkontrollierte und ungekünstelte Emotion aber ist wie tote Materie. Davon werden wir jetzt immer mehr bekommen. Das ist die Botschaft von Olympia, meint Ihr Ralf Vielhaber