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Der Fachkräfteverlust, über den niemand spricht

Die Deutschen wandern aus

© Foto: Verlag Fuchsbriefe
Deutschland nimmt einen Aderlass seiner Bildungselite einfach so hin. Seit dem Jahr 2005 wandern pro Jahr knapp 50.000 Deutsche mehr aus als ins Land zurückkommen. In der Regel sind es hochqualifizierte Fachkräfte. Offenbar läuft in der Arbeitsmarktpolitik etwas falsch, meint FUCHSBRIEFE-Herausgeber Ralf Vielhaber. Und sieht neue Vorwürfe auf die Industriegesellschaften zukommen.

Deutschland sorgt sich um seine Fachkräfte. Doch dabei ist das Land auf einem Auge blind. Seit 2005 lassen wir Tausende gut ausgebildeter und der Landessprache mächtiger Menschen ziehen. 2022 dürfte wieder ein Rekordjahr bei den Wegzügen werden. Nach vorläufigen Zahlen des Statistischen Bundesamtes (Destatis) verließen bis einschließlich November rund 81.000 mehr Deutsche das Land als aus dem Ausland zuzogen. Hochgerechnet dürften es rund 88.000 werden.

Das wird somit der zweithöchste Saldo seit dem Jahr 2016 sein; dem Jahr nach dem Deutschland die Kontrolle über seine Grenzen verlor – nach außen wie im Innern. Über Zusammenhänge kann man spekulieren. Untersucht werden sie nicht. Das Statistische Bundesamt führt diesen Statistikteil zur Migration unter „ferner liefen“ auf.

Die Ausbildungselite verlässt das Land

Ist das klug? Nein. Insgesamt werden der Wirtschaft zwischen 2022 und 2035 durchschnittlich pro Jahr über 397.000 Fachkräfte fehlen. Nimmt man den Mittelwert zwischen 2005 und 2022 könnte sich das Problem rechnerisch pro Jahr um 50.000 verringern. Nur rund 6% der deutschen Auswanderer sind Ruheständler (über 65 Jahre).

Untersuchungen des Statistischen Bundeamtes bestätigen das: Der Anteil der 25- bis 39-Jährigen liegt bei den Fortzügen ins Ausland mit 63 % deutlich über dem Anteil dieser Altersgruppe an der Bevölkerung Deutschlands (27 %). Deutsche Abwandernde sind überdurchschnittlich hoch qualifiziert: Während in der deutschen Gesamtbevölkerung nur jeder Vierte über einen akademischen Abschluss verfügt, sind es unter den Abwandernden über drei Viertel, so Destatis.

Experten sehen keinen Verlust hochqualifizierter Fachkräfte – die Zahlen sprechen dagegen

Für zwei Drittel der umgezogenen Personen ist der Auslandsaufenthalt allerdings nur zeitlich befristet für einige Jahre geplant, so die Autoren von Destatis. Sie schlussfolgern daher, dass diese Form internationaler Migration langfristig zu keinem Verlust von hochqualifizierten Fachkräften führt. Wie das angesichts des seit beinahe 20 Jahren andauernden Negativsaldos gehen soll, bleibt dabei ihr Geheimnis. Die Zahlen sprechen eindeutig dagegen.

Wir akquirieren die Zukunftschancen der Schwellenländer

Und ich sehe noch eine wunden Punkt. Die neuen „Lückenfüller“ für den deutschen Arbeitsmarkt will Bundesarbeitsminister Hubertus Heil vor allem in Drittstaaten, also von außerhalb der EU rekrutieren. So wie andere Industrieländer auch, die alle das gleiche Problem haben: zu wenige Fachkräfte.

Das heißt, die Industriestaaten werben die Bildungseliten der Schwellenländer ab. Damit haben auch Grüne offenbar kein Problem. Sie geben mit großem Gestus Artefakte zurück und akquirieren dafür, ohne mit den Wimpern zu zucken, die Zukunftschancen der Schwellenländer. Ja, auch davon werden viele wieder mit reichem Erfahrungsschatz in ihre Heimatländer zurückkehren. Aber solange wir einen Sog erzeugen, kann die Rechnung für diese Staaten nicht aufgehen.

Moderner Kolonialismus

Eines Tages wird man angesichts dieser Politik vielleicht vom modernen Kolonialismus sprechen. Dann wird möglicherweise wieder mea culpa intoniert – so wie heute in der Verteidigungspolitik, die gerade reich an 180-Grad-Wenden ist. Bis dahin aber machen wir erst mal weiter so, polemisch ausgedrückt: mit "feministischer" Außenpolitik und kolonialistischer Arbeitsmarktpolitik.

In der deutschen Arbeitsmarktpolitik läuft etwas grundfalsch. Wir sollten erst mal versuchen, hiesige Fachkräfte zu halten, bevor wir sie anderswo abwerben, wo sie ebenfalls dringend gebraucht werden, findet Ihr Ralf Vielhaber
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