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Aufsehenerregender Cum-Ex-Prozess ohne Urteil

Ein schwarzer Tag für den Rechtsstaat

FUCHSBRIEFE-Herausgeber Ralf Vielhaber
Der 24. Juni war ein guter Tag für den Hamburger Bankier Christian Olearius, aber ein schwarzer Tag für das deutsche Rechtssystem und den deutschen Rechtsstaat. In einem der aufsehenerregendsten Strafprozesse der letzten Jahre zum Cum-Ex-Betrug bei der Hamburger Privatbank M.M. Warburg gab es kein Urteil. FUCHSBRIEFE-Herausgeber Ralf Vielhaber hält den Verfahrensausgang für inakzeptabel.
Das Landgericht Bonn erklärte den Angeklagten für verhandlungsunfähig und stellte das Verfahren ein. Den vorläufigen Schlusspunkt setzte die Zurückweisung des Ansinnens der Staatsanwaltschaft, 43 Mio. Euro an vermeintlichen „Taterträgen“ von Olearius einzuziehen. Geht nicht, sagte das Landgericht Bonn, denn die Ermittlungen hierzu seien noch nicht abgeschlossen gewesen. Jetzt ist die Staatsanwaltschaft mit ihrem erneuten Versuch gescheitert. Das OLG Köln hat die „sofortige Beschwerde“ der Staatsanwaltschaft gegen den Kammerbeschluss des Landgerichts Bonn als „unzulässig verworfen“.

Grund für die Einstellung war die gesundheitliche Verfassung des 82-Jährigen, die angeblich eine Fortsetzung des Verfahrens unmöglich machte. Das Gericht berief sich auf ein medizinisches Gutachten, das feststellte, dass Olearius nur eingeschränkt verhandlungsfähig war. Eine Fortsetzung des Prozesses hätte 146 Wochen, also über drei Jahre, gedauert.

Mutmaßlicher Steuerschaden von 280 Mio. Euro

Olearius war angeklagt, in 15 Fällen besonders schwere Steuerhinterziehung im Rahmen von Cum-Ex-Geschäften begangen zu haben. Dadurch soll ein Steuerschaden von rund 280 Millionen Euro entstanden sein. Die Schuldfrage bleibt jedoch aufgrund der Verfahrenseinstellung ungeklärt.

Verfahrenstechnisch mag das in Ordnung sein, das müssen andere beurteilen. Die Wirkung auf die Bürger aber ist verheerend. Von einer Wiederherstellung der Gerechtigkeit, wie sie im deutschen Rechtssystem verankert ist, kann keine Rede sein. Und das in einer Zeit, in der die Zweifel an den demokratischen Institutionen ohnehin wachsen. Nur noch 36% der Deutschen vertrauen dem Staat und seinen Institutionen voll oder weitgehend, förderte gerade ein OECD-Studie zutage. Das ist noch weniger als die erschreckend niedrigen 39% im OECD-Durchschnitt.

Inakzeptabler Verfahrensausgang

Dieser Verfahrensausgang ist schlicht inakzeptabel, und das hat mehrere Gründe. Nicht nur der Einstellungsgrund wirkt auf den juristisch nicht geschulten Beobachter fragwürdig. Andere Strafprozesse mit sehr alten und erkrankten Angeklagten werden weitergeführt, wenn auch nur in kurzen Verfahrensabschnitten.

  • Der 100-jährige Josef Schütz wurde wegen seiner Beteiligung an den Verbrechen als Wachmann im Konzentrationslager Sachsenhausen angeklagt und verurteilt. Trotz seines hohen Alters und gesundheitlicher Probleme wurde der Prozess weitergeführt, und Schütz wurde 2022 wegen Beihilfe zum Mord in 3.518 Fällen zu einer Haftstrafe verurteilt. Schütz verstarb im April 2023 noch vor Haftantritt.
  • Der ehemalige KZ-Wächter John Demjanjuk wurde im Alter von 89 Jahren vor Gericht gestellt und 2011 im Alter von 91 Jahren wegen Beihilfe zum Mord in 27.900 Fällen verurteilt. Auch er hatte gesundheitliche Probleme.
  • Der 93-jährige Bruno Dey, ein ehemaliger SS-Wachmann im KZ Stutthof, wurde 2020 wegen Beihilfe zum Mord in mehreren hundert Fällen verurteilt. Sein Alter und seine gesundheitlichen Probleme führten gleichwohl nicht zur Einstellung des Verfahrens.

In ähnlich gelagerten Fällen wurde weiterverhandelt: Der Rechtsstaat fragt nicht nach Effizienz

Warum sollte das hier, in einem von der Öffentlichkeit so stark beachteten Strafverfahren, nicht möglich sein? Hat der Rechtsstaat neuerdings nach Effizienz zu fragen? Nein, das hat er nicht und er tut es auch für gewöhnlich nicht.

Der Unternehmer, der im komplizierten deutschen Steuerrecht Fehler macht, wird schnell vom Betriebsprüfer an die Wand genagelt. Sogar Rudolf Mellinghoff, ehemaliger Präsident des Bundesfinanzhofs (BFH), hält das deutsche Steuerrecht für unverständlich und inkonsistent. Doch dem Fiskus und den Finanzgerichten ist das egal: Was Recht ist, muss Recht bleiben, Versehen oder schlicht Unverständnis auf Seiten eines Angeklagten hin oder her.

Es ging nicht um ein Versehen sondern Vorsatz

Im Cum-Ex-Prozess von Christian Olearius ging es nicht um ein Versehen, sondern um Vorsatz. Hier wurde bewusst eine Gesetzeslücke ausgenutzt, um Millionen zu kassieren. Das Geld aber bleibt bei der Bank, deren Miteigentümer Olearius noch immer ist. Die Kleinen hängt man, die Großen lässt man laufen – wem wollte man es verdenken, wenn dieser Eindruck zurückbleibt.

Das alles könnte man noch unter Unfähigkeit der Staatsanwaltschaft und schieres Glück für den Angeklagten verbuchen, was schon weh genug täte. Doch damit würde man es sich zu einfach machen. Anne Brorhilker, die leitende Oberstaatsanwältin, die die Ermittlungen ursprünglich geleitet hatte, warf bereits das Handtuch, weil sie sich von den zuständigen Behörden und der Politik nicht hinreichend unterstützt fühlte. Man hört, dass sich mehr Richter um die 26 angeklagten Reichsbürger-Opas und Omas kümmern als um die Aufarbeitung des Cum-Ex-Skandals mit seinen mehr als 1.700 Beschuldigten und einem Steuerschaden von mutmaßlich 28,5 Milliarden Euro. In den Mammutprozessen gegen die Reichsbürger, die unter anderem vor den Oberlandesgerichten in Frankfurt, Stuttgart und München stattfinden, sind insgesamt über 20 Richter im Einsatz, in den Cum-Ex-Prozessen inzwischen wohl zehn. Wem das verhältnismäßig erscheint, hat zumindest ein anderes Rechtsbewusstsein als ich.

Der wichtigste Zeugen mit schwer erklärlichen Erinnerungslücken

Einer der wichtigsten Zeugen im Prozess gegen den Bankier Olearius, Bundeskanzler Olaf Scholz, „macht den Biden“. Der damalige Bürgermeister der Stadt Hamburg kann sich beim allerbesten Willen nicht an die Inhalte eines Gesprächstermins mit dem Warburg-Banker in seiner Zeit als Oberhaupt der Hansestadt am 10. November 2016 erinnern, in dessen Folge die Finanzbehörde eine Steuerforderung gegen die Warburg-Bank fallen ließ und die Ansprüche verjährten. Der Kanzler weiß aber ganz genau, dass es keinen ursächlichen Zusammenhang gibt. Na, sowas.

Warum ein Urteil wichtig gewesen wäre

Spricht man mit Juristen über den Ausgang des Verfahrens, verweisen diese gern auf die Komplexität des Rechtsgeschehens in einem modernen demokratischen Staat. Das mag berechtigt sein, wenn es um die Einhaltung von Verfahrenswegen geht, aber das Argument hat seine Grenzen. Die Juristerei ist nicht für die Juristen da.

Der deutsche Rechtsstaat verfolgt beim Sprechen von Urteilen mehrere zentrale Ziele, die über das bloße Bestrafen hinausgehen. Durch Urteile soll die Geltung des Rechts sichergestellt und der Respekt vor den Gesetzen gestärkt werden. Sie sollen einen Zustand der Gerechtigkeit wiederherstellen, indem Unrecht erkannt und geahndet wird. Dies umfasst auch die Bestrafung der Täter. Urteile sollen künftiges Fehlverhalten verhindern. Die Abschreckung vor Rechtsverstößen gehört dazu. Und nicht zuletzt soll die öffentliche Verkündung und Begründung von Urteilen das Rechtsbewusstsein in der Gesellschaft fördern. Die Bürger sollen verstehen, warum bestimmte Handlungen rechtswidrig sind und welche Konsequenzen daraus resultieren. Nichts davon hat die Justiz erreicht. Der Schaden ist somit gewaltig, weit über die in Rede stehende Millionensumme hinaus.

Somit hat der Prozess am Ende einen eindeutigen Verlierer: den Rechtsstaat, meint Ihr Ralf Vielhaber

Lesen Sie den ausführlichen Standpunkt auf fuchsbriefe.de.

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