Friedrich Merz spielt mit der Demokratie
„Die Lüge ist eine Verletzung der Pflicht gegen sich selbst“ (Immanuel Kant). „Nicht dass du mich belogen hast, sondern dass ich dir nicht mehr glaube, hat mich erschüttert“ (Friedrich Nietzsche). „Die Lüge ist nicht das Gegenteil der Wahrheit, sondern ihr absichtlicher Ersatz“ (Hannah Arendt).
Die Doppelmoral der deutschen Politik
Als personifizierte Lüge gilt in Deutschland der neue US-Präsident Donald Trump. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äußerte sich am 7. Januar 2021, einen Tag nach dem Sturm auf das US-Kapitol, in einer eindringlichen Rede zur politischen Lage in den USA. Steinmeier machte deutlich, dass die Ausschreitungen in Washington das Ergebnis von „Lügen und noch mehr Lügen“ seien. Der Bundespräsident warnte vor den Gefahren, die von der systematischen Missachtung der Wahrheit in der Politik ausgehen, und betonte die Bedeutung demokratischer Institutionen und freier Wahlen. Seine Äußerungen wurden als Appell verstanden, demokratische Werte entschlossen zu verteidigen.
Wenn Donald Trump mit der Wahrheit spielt, läuten die Alarmglocken deutscher Politiker. Tun sie es selbst, wird die Lüge zu „neuer Erkenntnis“. Schon in der Frühzeit der Bundesrepublik soll Kanzler Konrad Adenauer (CDU) sinngemäß gesagt haben: „Meine Herren, es kann mich doch nicht interessieren, was ich gestern gesagt habe. Nichts hindert mich, weiser zu werden.“
Wortbruch als Teil des politischen Systems
„Verdammt noch mal, wir hängen an unseren Werten, und die müssen wir verteidigen“, meinte Markus Söder (CSU) unlängst im Bundestagswahlkampf. Was er darunter versteht, wird nun sichtbar: Der Wortbruch der Politiker, vor allem auch bürgerlicher Politiker, gehört zur DNA des westlichen Wertesystems. Worin sie sich unterscheiden, ist der Grad der Unverfrorenheit, mit dem sie ihre Wähler betrügen, um an die Macht zu kommen.
Um das klarzustellen: Das ist keine Rechtfertigung für und schon gar kein Loblied auf Autokratien. Die Demokratie ist und bleibt, frei nach Winston Chruchill, die schlechteste aller Regierungsformen – abgesehen von all den anderen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert wurden. Aber ich will zeigen, in welcher Gefahr sie gerade schwebt – und die geht nicht nur von Donald Trump aus.
Wenn Lügen zur Notwendigkeit werden
Am klarsten ausgesprochen hat es im Jahr 2010 der luxemburgische Regierungschef Jean-Claude Juncker: „Wenn es ernst wird, muss man lügen.“ Und Wahlen sind das Ernsthafteste, mit dem sich Politiker befassen müssen, denn es geht um ihre Karriere.
Helmut Kohl wurde 1980 von der konservativen Bild-Zeitung bereits knallhart als „Umfaller“ tituliert, weil er eine große Steuerreform angekündigt hatte, die eine radikale Vereinfachung des Steuersystems vorsah, von der er sich unter dem Druck der eigenen Partei – immerhin noch vor der Bundestagswahl 1980 – schrittweise distanzierte.
Steuerreformen und Wortbrüche
Auf dem Leipziger Parteitag 2003 verabschiedete die CDU ein umfassendes Steuerreformkonzept, das unter der Leitung von Friedrich Merz entwickelt wurde. Diese Reform sollte das Steuerrecht erheblich vereinfachen und die Steuerlast senken. Heraus kam eine Erhöhung der Mehrwertsteuer unter Kanzlerin Angela Merkel von 16 auf 19 %. Zugleich ließ sie ihren Mann für die „Bierdeckel-Reform“, Ex-Verfassungsrichter Prof. Paul Kirchhof, fallen wie eine heiße Kartoffel.
Merkels Widersprüche in der Flüchtlingspolitik
Dieselbe Kanzlerin betrachtete im Jahr 2010 den Versuch, eine multikulturelle Gesellschaft in Deutschland aufzubauen, als „völlig gescheitert“. Sie betonte damals, dass das Konzept des Zusammenlebens ohne Integration nicht funktioniere und forderte von Migranten, die deutsche Sprache zu erlernen und die Werte Deutschlands zu akzeptieren.
„Wenn wir jetzt sagen: 'Ihr könnt alle kommen, ihr könnt alle aus Afrika kommen, ihr könnt alle kommen' – das können wir auch nicht schaffen“, war sich Merkel am 15. Juli 2015 auf einer Bürgersprechstunde in Rostock noch sicher. Am 31. August 2015 öffnete sie dann alle Tore, erklärte die Grenzen Deutschlands als faktisch nicht zu sichern, und behauptete einfach: „Wir schaffen das.“
Friedrich Merz und das Spiel mit der Wahrheit
Den höchsten Grad der Unverfrorenheit legt allerdings Friedrich Merz an den Tag: „Die Schuldenbremse zu lösen ist keine Option. Sie zu lockern, dafür gibt es keinerlei Rechtfertigung, keine Grundlage. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt“, meinte er noch wenige Tage vor dem 23. Februar, dem Tag der Bundestagswahl (siehe dazu die Zitatesammlung weiter unten).
Als sein Parteifreund und Verteidigungsexperte Roderich Kiesewetter sagte, der Krieg in der Ukraine lasse sich nur mit Schulden gewinnen und dass es ein verdreifachtes Sondervermögen bräuchte, um die Dimension unserer Verteidigung, die Bundeswehr als auch diesen Krieg zu finanzieren, tat Merz dies als „eine Einzelmeinung in der Bundestagsfraktion“ ab, „die von uns …, auch von mir persönlich nicht geteilt wird.“ Kurz darauf will er uns weismachen, die Weltlage habe sich grundsätzlich geändert, um das Gegenteil dessen zu tun, was er vor der Wahl zigfach betont und versprochen hatte. Unfug! Wer so rasch agiert wie Friedrich Merz, hatte nie vor, sein Wort zu halten.
Das schwindende Vertrauen in die Demokratie
„Mehrheit ist Mehrheit“, ist ein Bonmot in der Politik. Man braucht sie, um Entscheidungen durchzusetzen. Wie man sie erlangt, interessiert am Ende nicht, glauben viele Politiker. Wäre dem so, wäre das Vertrauen in die westliche Demokratie und insbesondere ihre Protagonisten, die beinahe täglich „unser Wertesystem“ beschwören, nicht da, wo es ist: am Boden.
Was bleibt von den Versprechen?
„Der Wähler will betrogen werden.“ Das Zitat wird häufig Franz Josef Strauß, dem legendären bayerischen Landesvater, zugeschrieben. Oft wird es verwendet, um zu behaupten, dass Wähler bereit seien, sich von schönen Versprechen täuschen zu lassen oder unbequeme Wahrheiten nicht hören wollten.
Ein Fehlschluss. Der Wähler lässt sich so lange „gern“ betrügen und verdrängt, dass er belogen wurde, wie die Politik für ihn gute Ergebnisse erzielt. Das war im zurückliegenden Jahrzehnt immer weniger der Fall. Seit der völlig verfehlten und übergriffigen Corona-Politik, in der bereits die erste bürgerliche Schuldenwelle über die Republik hereinbrach, windet sich Deutschland in Agonie.
Zitate von Friedrich Merz zur Schuldenbremse vor der Bundestagswahl am 23. Februar 2025
- „Die Schuldenbremse ist nicht obsolet, sondern die Schuldenbremse steht im Grundgesetz. Es ist auch nicht der Prinzipienreiterei an der Schuldenbremse festzuhalten, sondern sie steht mit gutem Grund im Grundgesetz. Ich bin mit dem Bundesfinanzminister völlig einig, dass wir an der Schuldenbremse festhalten sollten.“
- „(Die Schuldenbremse) zu lösen ist keine Option. Sie werden von uns keine Zustimmung bekommen, wenn Sie denn ernsthafterweise jetzt vorschlagen sollten, die Schuldenbremse des Grundgesetzes zu lockern. Dafür gibt es keinerlei Rechtfertigung, keine Grundlage. Die Voraussetzungen sind nicht erfüllt.“
- „Die Bundesregierung muss jetzt das erste Mal in ihrer Amtszeit etwas tun, was sie bis jetzt sorgfältig vermieden hat: Sie muss mit dem Geld auskommen, das im Bundeshaushalt der Bundesrepublik Deutschland vereinnahmt wird.“
- „Bevor wir über neue Schulden sprechen und über die Aufhebung der Schuldenbremse, würde ich gerne einmal darüber sprechen: Wie können wir eigentlich das Potenzial, das wir in den öffentlichen Haushalten haben, ausschöpfen?“
- „Wir müssen unseren Kindern und Enkelkindern auch noch politische Gestaltungsspielräume hinterlassen, und deswegen hat die Schuldenbremse schon ihren Sinn.“
- „Ich schließe eine Zustimmung meiner Fraktion zu einer Aufweichung der Schuldenbremse des Grundgesetzes heute von dieser Stelle aus hier erneut aus. Damit können Sie nicht rechnen.“
- „Wenn es einen Bundeskanzler Friedrich Merz gäbe, würde er an der Schuldenbremse, so wie sie heute ist, nichts ändern.“
- „Wir brauchen die Schuldenbremse. Die Länder haben eigene Probleme, sind allerdings von der Schuldenbremse des Bundes stark abhängig. Aber für den Bund muss das gelten, was im Grundgesetz steht.“
- „Die Schuldenbremse, so wie sie im Grundgesetz angelegt ist, ist richtig. Sie hat bis heute dafür gesorgt, dass wir eben nicht zu hohe Schulden machen.“
Aussagen (nach der Wahl)
- „Lassen Sie mich einmal auf die gegenwärtige Schuldenlage zu sprechen kommen: Wir müssen ja noch einen Nachtragshaushalt 2024 machen und noch einen Bundeshaushalt 2025. Mit der bestehenden Schuldenbremse könnten wir noch mal 50 Milliarden Euro zusätzliche Schulden für das Jahr 2024 machen, noch einmal 50 weitere Milliarden für den Bundeshaushalt 2025. Das heißt in zwei Jahren 100 Milliarden Euro zusätzliche Schulden – ungefähr der Landeshaushalt von Nordrhein-Westfalen – auf die bestehenden Schulden oben drauf für zwei Haushaltsjahre.“
- „Wie weit wollen wir das eigentlich noch treiben mit unserer Verschuldung?“
- „Deshalb wollen wir ein kreditfinanziertes Sofortprogramm, ein Sondervermögen in Höhe von 500 Milliarden Euro für die nächsten zehn Jahre errichten, aus dem diese notwendigen Investitionen erbracht werden.“