Gendern steht auf der politischen Agenda ganz oben. Darum durfte das Thema auch beim ITS Weltkongress für die "Zukunft der Mobilität" nicht fehlen. Das Podium zum Thema "Gender und Inklusion: Mobilitätslösungen für alle" war allerdings ein Unfall mit Totalschaden. Schon beim Blick auf die Bühne war ich enttäuscht und wütend. Das Podium war ganz exklusiv besetzt - nur Frauen saßen dort. Die Hamburger Gleichstellungssenatorin Katharina Fegebank (Grüne) sprach mit Vertreterinnen verschiedener Frauennetzwerke über soziale Gerechtigkeit im Verkehr. Die argumentative Fahrtrichtung des nicht repräsentativen Podiums stimmte, argumentativer Gegenverkehr war nicht zu befürchten.
Mehr Gendern im Verkehr
"Mobilitätslösungen für alle", promotet von einer reinen Frauenrunde - ohne Diskussion und Kontroverse. Die Einigkeit war darum schnell ganz groß. Die "Bedürfnisse von Frauen sollten mehr berücksichtigt" werden. Es wurde belegfrei behauptet, dass "female mobility sichere und umweltfreundliche Mobilität" sei. Ich frage mich, was ist dem gegenüber "male mobility?" Es wurde auch behauptet, dass aktuelle Sharing-Angebote "nur zur linearen Mobilität von Männern" passen - sprich stumpf von A nach B fahren. Dem gegenüber hätten Frauen ganz andere Bedürfnisse, sie machten vielen "Begleitfahrten von Kindern" und hätten eine "anderen Sozialisation".
Wie muss ein Sharing Angebot für einen Roller oder ein Auto für Frauen sich von einem für Männer unterscheiden? Während der ganzen Debatte stand ich gedanklich im Stau. Die Fachfrauen konnten mir den Gender-Aspekt von Mobilität nicht im Ansatz klarmachen. Kann man Mobilität überhaupt sozial-geschlechtsbezogen verstehen? Die grüne Politikerin Fegebank verstieg sich sogar zu der Aussage, dass Verkehrsmittel wie das Auto vor allem auf Männer genormt seien. Sogar die Crashtest-Dummies bildeten männliche Proportionen ab, das gefährde Frauen.
Mobilität von Männern nur für Männer?
Gendern bei Crashtest-Puppen, ernsthaft? Richtig ist: Die Testpuppen sind 1,75m groß und 78 kg schwer. Das ist der 50-Perzentil-Mann. Die Hälfte der europäischen Männer ist größer, die andere Hälfte kleiner. Diese Puppen sind auf Mittelmaß genormte Testkörper, ohne Geschlecht, Religion, Rasse oder Weltanschauung. Es sind Plastikpuppen, die bei simulierten Unfällen Schwachstellen aufzeigen. Ziel ist: Insassen besser zu schützen. Die Unfallstatistik beweist übrigens, dass die Puppen ihren Job gut machen. Denn bei allen Unfällen im Jahr 2020 - über alle Altersklassen hinweg - waren stets deutlich mehr Männer als Frauen betroffen (Quelle: Destatis).
Ich denke, die Damen dieses Podiums sollten sich anschnallen und schnell nach dem Navi suchen. Gendergerechte Mobilität als Ziel - ich würde mich schon über normal funktionierende und verlässliche Mobilität freuen. In etlichen Städten (Berlin voran) ist Autofahren kaum noch gut möglich. Der ÖPNV - offen für mwd - ist nur selten eine gute Alternative. Die Bahn kämpft ständig mit der "umgekehrten Wagenreihung" und ist meilenweit von der legendären Schweizer Pünktlichkeit entfernt. Die Anzahl der Straßenbaustellen wird größer. Die Staus auf Autobahnen länger. Die gesamte Autobranche, eine der wichtigsten in Deutschland, ist gerade massiv im Umbruch. Es wäre schon ein Erfolg, wenn es kein Zusammenbruch wird.