Grüner Anstrich für ungebremstes Schuldenmachen
Nachhaltigkeit ist grün: Kaum eine Schuldenmilliarde, die gerade nicht mit diesem attraktiven Etikett versehen wird. Und es ist so flexibel: ethisch, ökologisch, sozial – darunter fällt alles und jedes, wenn man nur will. Die Finanzindustrie ist regelrecht geil auf die neuen Schulden, die unter diesem Stichwort aufgenommen werden (sollen). "Green Bonds" verkaufen sich gut. Das Motto: Alles wird grün, alles wird gut.
Grünes Schuldenmäntelchen
Dabei machen die Regierungen unter dem Beifall eines wachsenden Teils der Ökonomenzunft gerade das Gegenteil. Sie fahren einen Kurs, der das Wort Crash schon beinhaltet. 11 Billionen – so hoch sind die Ausgaben der Staaten weltweit zur Pandemiebekämpfung. Und der IWF als eine supranationale Organisation ermahnt die Regierungen, ihre "Stabilisierungsausgaben" nicht zu früh zurückzufahren. Die EU fightet gerade um ein Paket über 750 Mrd. Euro. Und versieht es mit den Aufklebern "green deal" und "NextGenerationEU". Ja, die kommenden Generationen müssen dafür blechen.
In Deutschland bremsen die Länder die verfassungsgemäße Schuldenbremse aus und sichern sich Schuldenvorräte auf Jahre hinaus. Kostspielige politische Projekte auf Länder- und kommunaler Ebene werden angeschoben, die mit der Pandiemie nichts zu tun haben: auch ihnen wird gerne ein grünes Mäntelchen umgehängt.
Teure (unhaltbare) Versprechungen
Neben den direkten Schulden laufen auch die indirekten völlig aus dem Ruder. Nach den Analysen des Freiburger Wissenschaftlers Prof. Dr. Bernd Raffelhüschen für die Stiftung Marktwirtschaft entspricht Deutschlands Nachhaltigkeitslücke in absoluten Zahlen jetzt einem Gesamtschuldenstand der öffentlichen Hand von 11,9 Billionen Euro.
Der deutlich größere Teil – rund vier Fünftel – entfällt dabei auf die implizite, d.h. heute noch nicht direkt sichtbare, Staatsschuld. Diese beträgt 285,2% des BIP (9,8 Billionen Euro). Dahinter verbergen sich alle durch das heutige Steuer- und Abgabenniveau nicht gedeckten staatlichen Leistungsversprechen für die Zukunft, nicht zuletzt diejenigen der Sozialversicherungen. Sie werden zwar über viele Jahre hinweg fällig. Aber durch die Rentenzeit der Babyboom-Generationen werden sie zu einer neuen Belastungsqualität der öffentlichen Haushalte führen.
Wenn der Königsweg nicht funktioniert, wird es schwierig
Die neuen Schulden brauchen eine Deckung. Und die kann nur durch Wachstum entstehen. Gerade jetzt aber wird von einer Art inklusiven (nachhaltigen) Reform des Kapitalismus geträumt, die die Umwelt schont, die Arbeiterschaft ebenfalls, einen gewaltigen und stetig wachsenden Sozialstaat finanziert und das bei schrumpfendem Erwerbspotenzial qualitativ wie quantitativ.
Ifo-Chef Fuest, der die staatliche Konjunkturstützung für grundsätzlich richtig hält, bringt es auf den Punkt: Wenn wir aus den Schulden nicht herauswachsen („Königsweg“), wird es schwierig. „Ein Schuldenschnitt (für Italien und andere überschuldete Staaten) wäre denkbar“. Bei uns eine temporäre Vermögenssteuer, möglicherweise beschränkt auf Immobilien, um eine Kapitalflucht zu verhindern.
EZB lässt sich vor den politischen Karren spannen
Die EZB tut wiederum nicht nur als Finanzier ihren Teil dazu. Sie lässt sich auch anderweitig vor den politischen Karren spannen. Die Europäische Zentralbank stellt sich mittlerweile hinter die Bemühungen der EU-Kommission, die internationale Bedeutung des Euros gegenüber dem Dollar zu stärken. Dazu muss der Euroraum wachsen. Als voraussichtlich künftige Mitglieder des Euroraums sind Kroatien und Bulgarien aufgerufen. Dabei steht Bulgarien weit oben auf den internationalen Korruptionsindizes. Good governance – gute "Unternehmensführung" als Nachhaltigkeitsprinzip der EU? Wohl kaum. Merke: Je inflationärer ein Begriff gebraucht wird, desto geringer ist dessen Substanz.