Mehr Demut und Germany first
Der Brückeneinsturz von Dresden ist ein Sinnbild für den aktuell erbärmlichen Zustand von Deutschland. Der Crash zeigt mir, wohin eine Politik führt, die über lange Jahre die Augen vor der Realität verschließt, aber so tut, als würden wir noch stark sein und im besten Deutschland aller Zeiten leben. Der Einsturz ist ein Weckruf für mehr Demut, schonungslose Ehrlichkeit und sollte ein Umsteuern auslösen, meint FUCHSBRIEFE-Chefrdakteur Stefan Ziermann.
Der Brückeneinsturz von Dresden ist ein Sinnbild für den aktuell erbärmlichen Zustand Deutschlands. Während vor kurzem noch hohe deutsche Militärs darüber debattiert haben, wie sie am besten die Krim-Brücke zerstören könnten, die so stabil und modern ist, dass es "mehrere große direkte Treffer" bräuchte, fallen hierzulande inzwischen Brücken ohne Fremdeinwirkung zusammen.
Der Brücken-Crash zeigt, wohin eine Politik führt, die über lange Jahre die Augen vor der Realität verschließt, aber weiterhin ständig so tut, als würden wir "im besten Deutschland aller Zeiten" leben. Es gibt vier grundsätzliche Probleme, deren Zusammenspiel den Einsturz ausgelöst haben.
Vier existenzielle Probleme Deutschlands
Problem 1: Wir werden inzwischen auf vielen staatlichen Ebenen von Politikern regiert, die keinerlei Erfahrungen im praktischen Berufsleben mehr gemacht haben. Berufspolitiker, mit den Karriere-Stationen Kreißsaal, Hörsaal, Plenarsaal haben aber offensichtlich oft nicht genügend Wissen und Erfahrungen, um fachlich gute Entscheidungen zu treffen. Dresdens Baubürgermeister Stephan Kühn hatte vielleicht das richtige Parteibuch, als studierter Soziologe aber offensichtlich nicht genügend Fachkenntnis. Auch auf fachkundigen Rat hörte er offenbar nicht.
Problem Nr. 2 ist die Bürokratie. Die Carolabrücke wurde bereits seit Jahren saniert, die Sanierung des eingestürzten Teils war für 2025 geplant. Diese Zeiten, von der Problemanalyse, über die Planung bis zur Umsetzung der Lösung, sind viel zu lang. Deutschland kann nichts mehr zügig umsetzen.
Geld ist kein Problem
Das liegt - Problem 3 - auch an den Arbeitskräften. Die Mühlen der Verwaltung mahlen ohnehin extrem langsam. Das spiegelt sich aber auch auf den Baustellen. Ich fahre immer wieder an Baustellen vorbei, die teilweise seit Monaten (manche seit Jahren) unverändert existieren. Dort stehen Maschinen, manchmal sehe ich dort auch Arbeiter - nur sie arbeiten kaum und in den Sommermonaten wird das lange Tageslicht nicht genutzt, um zügig voran zu kommen. In anderen Ländern gibt es viel weniger moderne Maschinen, aber tausende Hände, die Infrastruktur in Rekordzeit aufbauen.
Das Geld ist kein Problem, sondern - Nr. 4 - die Priorisierung, wofür unser Steuergeld ausgegeben wird. Solange man stark ist, kann man auch anderen helfen. Deutschland ist aber an einem Punkt angekommen, sich jetzt erst einmal wieder selber helfen zu müssen. Wir sollten auf internationale Hilfsprojekte verzichten, die uns nicht direkt weiterbringen und das Geld dorthin kanalisieren, wo es gebraucht wird.
Mehr Germany first
Ich wünsche mir etwas mehr "Germany first" als ein ständiges Romantisieren darüber, wo "wir die Welt retten" können. Das betrifft diverse Hilfsprojekte an den anderen Enden der Welt genauso wie Milliardenhilfen für die Ukraine. Mir wären ein Investment von 12,5 Mrd. Euro in die gut 125.000 Brücken in Deutschland lieber, als dieses Geld in Sekundenschnelle in der Ukraine verpuffen zu lassen.
Einstürzende Bücken sind ein größeres Problem als Protestwähler rechter Parteien und einstürzende Prozentzahlen bei anderen Parteien. Deutschland lebt seit Jahren von der Substanz, kann sich das aber ganz offensichtlich nicht mehr leisten. Insbesondere Politiker brauchen einen schonungslosen und realistischen Blick auf die Lage in Deutschland, mehr Demut für das Ergebnis und endlich den Mut, entscheidende Weichenstellungen für das Land vorzunehemen.