Merz mit Kanzler-Fehlstart
Das Kanzler-Duell im TV hat ein erschütterndes Bild gezeichnet. Kanzler Olaf Scholz (SPD) scheint Wahrnehmungsstörungen beim Blick auf die Realität in Deutschland zu haben. Wie ein trotziges Kind argumentiert er, dass es wirtschaftlich gut laufe, dass Deutschland ein starker Standort sei. Das erinnerte mich an Gerhard Schröder, der sich 2005 nach der gegen Angela Merkel verlorenen Bundestagswahl in der Elefantenrunde polternd und realitätsfern zum Wahlsieger erklärte. Ab dem 24. Februar wird die SPD vermutlich die Frage klären, ob Boris Pistorius ganz nach vorn tritt.
Auch Herausforderer Friedrich Merz (CDU) hat in meinen Augen aber keine gute Figur gemacht. Er war zwar faktensicher, in vielen Themen klarer als Scholz. Aber in der zentralen Machtfrage hat Merz keinen Plan, mit wem er Kanzler werden und den nötigen Politikwende für Deutschland umsetzen will.
Merz begibt sich in Geiselhaft
Merz schloss nun wieder jegliche Zusammenarbeit mit der AfD aus. Ich frage mich, wozu er den "Tabubruch" in der Migrations-Abstimmung begangen hat. Ohne Aussicht auf politischen Erfolg hat er sich und die Union angreifbar gemacht. Dass er schon in der eigenen Fraktion scheitert, war ihm vermutlich nicht klar. Dass er keine Mehrheit im Bundesrat bekommen würde, muss Merz aber gewusst haben.
Nach dem TV-Duell zwischen Scholz und Merz verpufft die Wirkung des Migrations-Manövers von Merz erheblich. Inzwischen zeigt sich: Er hat nicht überlegt und strategisch gehandelt. Merz hat im Angesicht des bestialischen Attentats von Aschaffenburg impulsiv und planlos agiert. Dabei hat er die politischen Folgen komplett falsch eingeschätzt.
Fehleinschätzung, wer sich in Koalitionsverhandlungen bewegen muss
Im TV-Duell legte er eine dann die nächste Fehleinschätzung offen. Merz meint, dass sich die SPD und die Grünen „in Koalitionsverhandlungen bewegen“ müssen. Was für ein Irrtum. Beide Parteien sind die Mehrheitsbeschaffer und können Merz vor sich her und weiter nach links treiben.
Nur die von Merz nun wieder kategorische ausgeschlossene Alternative wäre für die Union eine alternative Option zur arithmetischen Mehrheitsbeschaffung. Inhaltlich bleiben die Gräben zur AfD für die Union ohnehin nahezu unüberwindbar. Das wissen auch Scholz und der grüne Spitzenkandidat Robert Habeck. Während Scholz mit Blick auf Merz schon über ein „betreutes Regieren“ gesprochen hat, spricht im Habeck das „Kanzlertauglichkeit“ sogar komplett ab.
SPD und Grüne haben Merz in der Hand
Die Regierungsbildung nach der Wahl wird lange dauern und ein übel zähes Ringen werden. SPD und Grüne haben Merz in der Hand. In den Verhandlungen wird es darum um die kleinstmöglichen Kompromisse gehen. Einen Politikwechsel, wie ihn Merz verspricht, kann ich mir bei dieser Ausgangslage gar nicht vorstellen. Ein „Weiter so“ kann sich Deutschland aber auch unter einem Kanzler Merz nicht leisten.