Nebelkerzen in der Nordstream-Debatte
Die inzwischen von Deutschland geführten Ermittlungen zum Terror-Angriff auf die Nordstream-Pipelines schlagen einmal mehr Wellen. Es gibt neue Erkenntnisse, viele Fragen werden gestellt, zahlreiche Spekulationen in den Medien debattiert. Doch auch das sind alles Nebelkerzen, die dabei helfen sollen, die einzige politisch relevante Erkenntnis aus den Ermittlungen zu verschleiern, meint FUCHSBRIEFE-Chefredakteur Stefan Ziermann.
Derzeit tauchen viele neue Fragen zum Nordstream-Anschlag auf. Auslöser sind Ermittlungsergebnisse der deutschen Behörden, die sogar einen ersten Haftbefehl vollstrecken wollten. Seither geistern viele Fragen durch die Medien. War es die Ukraine? Was wusste der Präsident der Ukraine Wolodymyr Selenskyj? Welche Rolle spielt Polen? Hat das US-Militär und Washington seine Finger mit im Spiel?
Nebelkerzen in der Nordstream-Debatte
Das alles sind Nebelkerzen, die meine Sicht aber nicht verschleiern. Meine entscheidende Erkenntnis ist: Höchstwahrscheinlich wurden die Anschläge von unseren Verbündeten durchgeführt. Entgegen allen Behauptungen führt keine einzige Spur nach Russland. Wäre das so, dann wüssten wir das längst. Selbst das kleinste Indiz hätten wir als große Medien-Geschichte vor die Nase gehalten bekommen. Zudem müssten sich die ermittelnden Behörden dann auch nicht hinter der Aussage verschanzen, dass sie "aus Gründen der nationalen Sicherheit" keinerlei Kommentare zu den laufenden Ermittlungen abgeben können.
Fakt ist: Bisher führen alle bekannten Spuren in die Ukraine und nach Polen. Freilich weist die Ukraine jede Schuld von sich, wobei entlarvend ist, dass es zuvor hieß, der Anschlag sei eine "Schnaps-Idee" ukrainischer Militärs gewesen. Auch Polen weist jede Schuld von sich. Auf X giftete Polens Regierungs-Chef Donald Tusk zu dem Verdacht, dass Kiew und Warschau bei dem Anschlag kooperiert hätten, dass "Deutschland dazu besser schweigen" sollte.
Keine Antwort auf Verbündeten-Terror
Für Deutschland ist diese Erkenntnis des vermutlichen Verbündeten-Terrors ein Offenbarungs-Eid. Den entscheidenden Akteuren - Kanzler Olaf Scholz (SPD), Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne), Justizminister Marco Buschmann (FDP), Wirtschafts- und Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) und Verteidigungsminister Boris Pistorius - fehlen sämtliche Worte. Es gibt nicht einmal ein Statement mit dem Tenor, dass dies ein "ungeheuerlicher Verdacht ist, der sich zu erhärten scheint." Nicht einmal zu einer solche wachsweichen Diplomaten-Formel kann sich auch nur einer der Regierenden aufraffen.
Berlin hat keine politische, ökonomische oder juristische Antwort auf den Verbündeten-Terror. Harte Reaktionen und Strafmaßnahmen (Schadenersatz) gegen die Ukraine und Polen sind unwahrscheinlich. Ebenso, dass sich Berlin gegen Washington positioniert oder emanzipiert. Eine Normalisierung gegenüber Russland ist aber auch ausgeschlossen. Denn ein großer Teil der für die deutschen Unternehmen wichtigen Infrastruktur ist zerstört. Hier wurden Fakten geschaffen.
Die Stationierung von US-Langstreckenwaffen in Deutschland passt perfekt dazu. Diese einsame Entscheidung von Kanzler Scholz macht Deutschland zwar nicht zu einem Angriffsziel für Russland. Sie verstellt aber für Jahrzehnte die Tür, zwischen Deutschland und Russland zu deeskalieren und langsam neues gemeinsames Vertrauen aufzubauen, fürchtet Ihr Stefan Ziermann.