Trump: Der nächste Brexit
Nach Trumps Wahlsieg muss die Welt - vor allem Europa - komplett umdenken. Und die Kirche im Dorf lassen.
Trump hat gewonnen – aber die Welt geht nicht gleich unter. Auch als Reagan 1981 die Wahl gewann, schien für die Medien der Weltuntergang unmittelbar bevorzustehen. Was dann unterging, war die Sowjetunion. Und das war auch gut so. Die USA sind nicht die Türkei. Trump wird aus den USA keine Autokratie machen (können). Aber er hat das Repräsentantenhaus und den Senat hinter sich. Ein Sieg der Republikaner auf ganzer Linie. Trump hat selbst die eigene Partei besiegt. So mancher im Politikbetrieb wird jetzt zurückrudern müssen. Wie der europäische Parlamentspräsident Martin Schulz und viele andere. Es gilt, die Kirche im Dorf zu lassen. Trump ist Instinktmensch. Er hat offenbar ein hundertmal besseres Gefühl für Stimmungslagen als das Establishment an Ost- und Westküste der USA. Da leben auch die Zeitungsleute, die schon seit Monaten Clintons Sieg suggerierten. Unsere Leser wissen, dass wir das so nicht gesehen haben, ohne in Anspruch nehmen zu wollen, wir hätten gewusst, dass Trump gewinnt. Wie dumm Trump tatsächlich ist - auch da wären wir vorsichtig. Er sagt das, von dem er glaubt, dass es die Menschen hören wollen. Er sagt es, um zu siegen. Nun wird man sehen müssen, welches Ziel er nun vor Augen hat. Unterschätzen darf man ihn da nicht. Trumps Sieg wird zunächst innenpolitisch Kräfte entfesseln, die man gerne domestiziert sieht. Die Bevölkerungsgruppen könnten aufeinander losgehen. Weiße, Schwarze, Latinos. Man wird ihn daran messen können, wie er damit umgeht. Lässt er’s laufen? – Dann wird es wirklich kritisch. Kann er es bannen, hat er die Chance, die USA positiv zu verändern. Niemand weiß, was jetzt kommt. Vermutlich nicht einmal Trump selbst. Die Börsen fallen aus Unsicherheit, aber das taten sie auch nach der Brexit-Entscheidung, um dann wieder auf Normalniveau zurückzuschwingen. Politische Börsen haben kurze Beine.
Fazit: Es dürfte recht schnell zu einem Praxistest Trump’scher Politik kommen. Aber auch Europa muss für sich klären: Können wir das Zusammenleben von unterschiedlichen Bevölkerungsgruppen besser organisieren als die US-Amerikaner?