Trump zwingt Europa zum Umdenken
Der Eklat zwischen Donald Trump und Wolodymyr Selenskyj im Weißen Haus war ein Erweckungs-Ereignis für Europa. Der alte Kontinent hat brutal erkennen müssen, dass die USA in ihrer Politik knallhart und rücksichtslos neue Prioritäten setzen. Erstaunlich ist daran eigentlich nur, dass Europa davon noch immer derart überrumpelt ist und sich darum schwer tut, sich mit der neuen Realität zu arrangieren, meint FUCHSBRIEFE-Chefredakteur Stefan Ziermann.
Donald Trump hat mit dem Eklat im Weißen Haus allen Beteiligten klar gemacht, dass die USA nicht mehr bereit sind, die Ukraine "bedingungslos und unendlich" zu unterstützen und zwingt Europa zum Umdenken. Die Art, wie er das getan hat, war unstreitig undiplomatisch und demütigend. Die schroffe Art eines Gebrauchtwagenhändlers sollte Europa aber auch nicht überinterpretieren. Trump ist nicht zu Putin übergelaufen, wie viele europäische Kommentatoren suggerieren wollen.
Trump agiert als politischer Deal-Maker
Trump geht die Konfliktlösung wie ein rücksichtsloser Geschäftsmann an. Er hat gezeigt, dass es ihm nicht vorrangig um Demokratie oder westliche Werte geht. Er will einen wirtschaftlichen und politischen Deal machen, lotet aus, wer der Stärkere ist und pokert sich über Bande zum Ziel. Während Trump eine scharfe und imperialistische Position (America first) vertritt, erlitt Europa am Freitag einen moralischen Schock, fühlt sich und die Ukraine verraten.
Der EU-Krisengipfel von London zeigt mir aber, dass Europa aufgewacht und in der Realität angekommen ist. Es hat erkannt, dass die Ukraine kein starkes und souveränes Land ist. Es ist wirtschaftlich, finanziell und militärisch vollständig abhängig von westlichen Hilfen. Nun geht es nur noch darum auszuhandeln, wer diese Hilfen aufbringt. Dabei erkennt Europa, wie schwach und überfordert es ohne die USA selbst ist.
Erzwungener Gesinnungswandel in Europa
Darum haben Großbritannien und Frankreich schnell erklärt, jetzt sofort über einen Waffenstillstand mit der Ukraine zu beraten. Danach könne über Hilfen und Sicherheitsgarantien debattiert werden. Beide Länder hatten sich schon verständigt, Friedenstruppen entsenden zu wollen. Diese Frage wird auf Deutschland auch zukommen. Umgesetzt werden kann das aber erst, wenn die aktiven Kriegshandlungen eingestellt sind. Andernfalls droht das Risiko, direkter Kämpfe zwischen NATO und Russland, die unbedingt zu vermeiden sind. Das war im Kern stets die militärische Position von Trump.
Am Ende kommt Trump vielleicht an sein Ziel. Der Rauswurf von Selensky sendete das Signal: Die USA ist raus. Europa sagt darum unter hohem moralischen und zeitlichen Druck umfangreiche Hilfen zu. Die USA können ihre Hilfen reduzieren, Europa steht an der Seite der Ukraine, der Druck auf Russland bleibt bestehen. Selenskyj fliegt nach Washington, glättet die Wogen und macht einen Rohstoff-Deal. Die Europäer folgen, präsentieren einen moralisch schwierigen, aber pragmatisch nötigen Deal zum Ende des Krieges.
Wenn dies das Ergebnis des Eklats wäre, dann wäre es ein unbequemer, aber nicht der schlechteste Anfang einer Konfliktlösung. Und es wäre auch kein totaler Bruch mit den USA, meint Ihr Stefan Ziermann.