Wie viel Diplomatie verträgt das europäische Projekt und wie viele Tabus will sich die deutsche Politik im Verhältnis zu Frankreich erlauben? Diese Fragen stellen sich immer dringender. Gerade hat die EU-Kommission vorhergesagt, dass Frankreich beim Haushaltsdefizit den vereinbarten Grenzwert von 3,0% auch 2015 nicht einhalten wird. Paris ist bereits in einer Wohlwollensphase und hat von der Kommission zwei Jahre Aufschub für die Haushaltssanierung erhalten. Die Schonfrist läuft Ende 2015 aus. Dann müsste die Punktlandung gelungen sein, sonst muss die Kommission handeln. Maximale Strafe: eine Geldbuße.
In der Debatte um die Sanierung der Staatsfinanzen zeigt sich, dass die Grundauffassungen von Frankreich und Deutschland inkompatibel sind. Paris ist felsenfest davon überzeugt, dass sich die Staatsschuldenprobleme am besten durch die Formel Wachstum plus Inflation beseitigen lassen – mit dem Augenmerk auf Inflation. Die Größenordnungen der akzeptierbaren jährlichen Geldentwertung werden in Frankreich mit 5 bis 15% angegeben. Die deutsche Auffassung, dies sei asozial, da es gerade ältere Menschen mit Sparguthaben und geringen Altersrenten massiv einschränkt, sieht man in Paris so nicht.
Fazit: Kenner der französischen Szene wissen, dass ein ganz großer Teil der dortigen politischen Elite den von Deutschland vorgegebenen Sparkurs nur zum Schein mitgeht. Kommt es also zum Schwur, wenn Frankreich ein weiteres Mal Europas Haushaltsregelwerk bricht? Wohl nicht. Die Kommission will keinen Zoff, die Bundesregierung auch nicht. Paris zu isolieren, ist für Berlin tabu. Paris wiederum schmiedet an einer Koalition der Willigen gegen Berlin in der Finanz- und Währungspolitik. Das aber ist nicht die Grundlage für eine dauerhaft lebensfähige Währungsunion. Die Bundesregierung muss das deutlich aussprechen, meint Ihr
Ralf Vielhaber (Chefredakteur Verlag FUCHSBRIEFE)