Verantwortung unter Vorbehalt
Das kann mit der neuen Regierung aus CDU und SPD ja noch "lustig" werden. Die beiden Parteien haben gerade erst ihren Koalitionsvertrag "Verantwortung für Deutschland" ausgerungen. Die Tinte der Unterschriften ist kaum trocken, da gibt es schon den ersten Streit um die Auslegung der Vereinbarungen. Wenn das so weitergeht, wird die Regierung sich vielleicht bald aufführen wie der Gendarm von St. Tropez: Nein! Doch! Oh!.
Der Koalitionsvertrag "Verantwortung für Deutschland" ist noch keine 24 Stunden alt, schon kommt es zum Streit zwischen den beiden künftigen Regierungsparteien. Steine des Anstoßes waren der Mindestlohn und Steuersenkungen. Friedrich Merz (CDU) und Kanzler in Spe zweifelte öffentlich an der Erhöhung des Mindestlohns auf 15 Euro pro Stunde. Er erinnerte die Genossen daran, dass es "keinen gesetzlichen Automatismus" zur Erhöhung gebe. Es sei vereinbart, dass die Mindestlohnkommission "in Richtung 15 Euro denken" solle.
Auch in der Steuerfrage widersprach der designierte Kanzler den über ihren Erfolg jubelnden Sozialdemokraten. Auch die Steuersenkung für kleine und mittlere Einkommen sei "nicht fix", so Merz. Man werde das umsetzen, wenn es der Haushalt hergebe, bremste Merz das Pretigeobjekt der SPD aus.
Abfangjäger "Finanzierungsvorbehalt" und Kassenlage
Der Haushaltsvorbehalt ist ohnehin der große "Abfangjäger" im Koalitionsvertrag. Der Koalitionsvertrag „Verantwortung für Deutschland“ zwischen CDU/CSU und SPD enthält zahlreiche politische Vorhaben, die jedoch sämtlich unter einem Finanzierungsvorbehalt stehen. Das bedeutet, dass die Umsetzung dieser Maßnahmen von der Verfügbarkeit entsprechender Haushaltsmittel abhängig ist.
Der Finanzierungsvorbehalt betrifft auch zahlreiche andere Pläne. Dazu zählen die Erhöhung des Elterngeldes, die Anhebung der Pendlerpauschale, Müttter- und Frühstart-Rente, Kindergeld-Erhöhung, steuerfreie Überstunden, den sozialen Wohnungsbau, die Förderung von E-Autos, Subventionen des Agrar-Diesels und auch die Senkung der Körperschaftsteuer ab 2028.
Koalitionsvertrag: Nix ist fix
Die neue Qualität ist, wie umfassend der Finanzierungsvorbehalt in diesem Koalitionsvertrag ist. So ausdrücklich und breit wie im Vertrag „Verantwortung für Deutschland“ wurde der Finanzierungsvorbehalt bislang selten formuliert. Ein derart pauschaler Vorbehalt wurde bisher nicht vorgenommen. Das zeigt ein Vergleich mit anderen Koalitionsverträgen der Vorgänger-Regierungen, den FUCHSBRIEFE vorgenommen hat.
Der Vertrag „Verantwortung für Deutschland“ enthält eine generelle Erklärung, dass alle Vorhaben unter Finanzierungsvorbehalt stehen. Das kann gut, aber auch schlecht sein. Einerseits gibt es der Regierung maximale Flexibilität zu priorisieren. Auf der anderen Seite ist auch die Unverbindlichkeit für Versprechen maximal.
Ich hoffe, dass der Finanzierungsvorbehalt nicht dazu führt, dass die neue Regierung die Verantwortung für Deutschland nur unter Vorbehalt übernimmt. Zudem sehe ich das Risiko, dass die Koalition den ebenfalls abgewählten Politik-Stil des permanenten internen Streits fortsetzt. CDU und SPD könnten dann bald regieren wie Louis de Funès - nach dem Muster: "Nein? Doch! Oh!" Aber lustig wird das auf Dauer für Deutschland nicht, meint Ihr Stefan Ziermann.