Von "Faulheit" und Fehlanreizen: Die wahren Ursachen der Rezession
Deutschlands Wirtschaft tritt seit Jahren auf der Stelle. Seit 2019 ist sie so gut wie nicht mehr gewachsen. Und die niedrigen Auftragseingänge lassen erahnen, dass sich daran vorerst nichts ändern wird. Dabei ist die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten seitdem von 33,4 auf 34,7 Millionen gestiegen.
Corona dafür verantwortlich zu machen, fällt aus, denn anderen entwickelte Volkswirtschaften, darunter die USA, haben diese Zeit längst hinter sich gelassen. Es wäre einfach, die Bundesregierung dafür zur Verantwortung zu ziehen. Da ist viel dran, und zwar mindestens seit der völlig unambitionierten letzten Regierungszeit von Angela Merkel (CDU) der Jahre 2017 bis 2021. Diese wird von der Regierung Scholz (SPD) und insbesondere Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck und seinem grünen Team auf der nach unten offenen Dilettantenskala jetzt noch einmal deutlich unterschritten. Doch auch das greift zu kurz.
Deutschland ist faul geworden
Ein Blick auf die Zahlen zeigt: Deutschland ist „faul“ geworden – zumindest in den Bereichen, die gesamtwirtschaftlich in Daten erfasst werden und in heutiger Messung einen Wachstumsbeitrag leisten. Die Arbeitszeit pro Erwerbstätigem ist deutlich gesunken. Im ersten Quartal 2024 lag sie bei 336,2 Stunden; im ersten Quartal 2019 waren es noch 345,5 Stunden. Im Jahr 2023 war Deutschland das OECD-Land mit den geringsten durchschnittlichen jährlichen Arbeitsstunden: 1.349 Stunden pro Jahr pro Arbeitnehmer. Der OECD-Durchschnitt liegt bei 1.716 Stunden pro Jahr.
Während die Beschäftigten im ersten Halbjahr 2014 ein Arbeitsvolumen von 28,7 Milliarden Stunden erbrachten, waren es im ersten Halbjahr 2024 ganze 29,5 Milliarden Stunden – ein Plus von gerade mal 2,8%. Zum Vergleich: Die Anzahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten stieg im gleichen Zeitraum um 15%. Kurz gesagt: Im weltweiten Vergleich arbeitet niemand so wenig wie wir Deutschen.
Arbeitnehmer sind nicht produktiv genug
Die Arbeitsproduktivität pro Stunde ist in den letzten fünf Jahren in Deutschland insgesamt nur um knapp 1% gestiegen. Zur besseren Einordnung: Von 1997 bis 2023 stieg die Arbeitsproduktivität um 1% pro Jahr. Das Ergebnis: Die Arbeitsproduktivität pro Erwerbstätigen ist jetzt niedriger als vor fünf Jahren. Oder anders ausgedrückt: „Um die gleiche Wertschöpfung zu erzielen, werden jetzt mehr Erwerbstätige als noch vor fünf Jahren benötigt“, so Prof. Oliver Holtemöller vom Halle Institute for Economic Research (IWH).
„Dass sich der Produktivitätszuwachs verlangsamt, ist international kein neues Phänomen. Aber dass die Arbeitsproduktivität absolut sinkt, ist schon außergewöhnlich“, sagt er weiter. Bei der Produktivität liegen wir auf Rang 14 der Weltrangliste (nach den Daten der Internationalen Arbeitsagentur): Selbst Guyana ist produktiver.
Zu viel Freizeitpark
Work-Life-Balance, immer neue Vergünstigungen für junge Eltern und zahllose Auszeiten bremsen das Wachstum. Obwohl jeder Einzelne im Schnitt weniger arbeitet, steigt die Zahl der Krankheitstage. Im Jahr 2014 lag sie durchschnittlich pro Arbeitnehmer bei 10,5 Tagen. Im Jahr 2023 betrug diese Zahl 15,2 Tage – ein Anstieg um fast 50 %.
Die durchschnittliche Anzahl bezahlter Urlaubstage lag 2014 bei 28 pro Arbeitnehmer, 2023 waren es 29. Im Jahr 2014 nahmen etwa 10,8 % der Eltern, deren jüngstes Kind unter 6 Jahren war, Elternzeit in Anspruch, 2023 waren es 11,9 %. Der Anteil der Väter blieb gering. Aber daran arbeiten die grünen Ideologen ja bereits. Zudem verlängerte sich die Elternzeit von durchschnittlich 12 Monaten auf 14,6 Monate. Auch das muss man sich leisten können.
Ein Heer von Alimentierten
Zusätzlich leisten wir uns ein Heer von Alimentierten. Nach den aktuellsten verfügbaren Zahlen erhielten im Jahr 2024 bis Juni durchschnittlich rund 4 Millionen erwerbsfähige und circa 1,5 Millionen nicht erwerbsfähige Personen (Kinder) Bürgergeld; insgesamt also etwa 5,5 Millionen. Die Zahl der Leistungsempfänger liegt damit das zweite Jahr in Folge auf dem höchsten Stand seit 2018. Von den rund 4 Millionen Bürgergeldempfängern waren etwa 20 % erwerbstätig, während rund 40 % für den Arbeitsmarkt verfügbar waren und die übrigen 40 % aufgrund von Ausbildung, Kindererziehung, Pflege von Angehörigen oder Krankheit nicht zur Verfügung standen.
Womit die geringe Arbeitsleistung kompensieren?
Keine Frage: Das alles ist wünschenswert und "schön". Und es wäre vielleicht noch finanzierbar, würden wir es mit Erfindungsreichtum und Intelligenz ausgleichen oder besser noch überkompensieren. Doch auch da sieht es mau aus. Bei der Zahl der gemeldeten Patente ist Deutschland auf Rang drei abgerutscht (nach China und USA). Die letzten deutschen Empfänger eines naturwissenschaftlichen Nobelpreises liegen schon etliche Jahre zurück. Und über (Aus-)Bildung wollen wir besser nicht sprechen, denn wir alle kennen die jüngsten Pisa-Ergebnisse. Die mag man methodisch (zu Recht) in Zweifel ziehen, aber völlig daneben liegen sie nicht. Jeder Arbeitgeber und jeder Hochschullehrer kann ein Lied von den Qualifikationen der Mitarbeiter und Studenten singen.
Unentgeltliche Leistungen würdigen
Viele unentgeltliche und freiwillige Leistungen werden in Erziehung, Pflege und anderen Sozialen Diensten erbracht. Hier tun sich insbesondere auch Ruheständler hervor, deren Anzahl kräftig wächst. Auch manche "Auszeit" eines Arbeitnehmers hat hier ihre Begründung. Das ist "Fleiß", der (m)eine Würdigung verdient. Doch für die Entwicklung einer wettbewerbsfähigen Wirtschaft und anspruchsvollen Gesellschaft ist das viel zu wenig. Diese Dienste müssten, um im internationalen Wettbewerb am Ball zu bleiben, zusätzlich und nicht statt der regulären Arbeit erfolgen.
Am Ende läuft doch alles auf eine einfache Formel hinaus: mehr beanspruchen, aber weniger leisten – das kann auf Dauer einfach nicht funktionieren. Die Wirtschaftsentwicklung spiegelt das wider, meint Ihr Ralf Vielhaber