Warum ich jetzt aus der SPD austrete
Die Berliner SPD hat ihren Anstand und damit auch einen Genossen verloren. Denn nach dem Mitgliederentscheid ziehe ich für mich die Reißleine und verlasse die Partei. Die Entscheidung, in die Koalition mit der Union einzutreten, ist meines Erachtens eine gravierende Fehlinterpretation oder – was schlimmer wäre – eine Missachtung des Wählerwillens. Mir ist unerklärlich, wie nach vier immer schlechter werdenden Wahlergebnissen hintereinander der Eindruck entstehen kann, dass sich die Berlinerinnen und Berliner eine Regierungsbeteiligung der SPD wünschen.
Keine Zustimmung zu diesem Partner und diesem Koalitionsvertrag!
Statt das Votum ehrlich anzunehmen und in die Opposition zu gehen, stimmten die SPD nun der Koalition mit der ungeliebten CDU zu. Dabei hatte sich diese bereits zum Jahresanfang mit ihrer plump-rassistischen Ansage („Wir wollen die Vornamen der Silvester-Randalierer“) diskreditiert. Als wären Probleme mit Jugendkriminalität eine Frage der Ethnie, statt Bildung, Armut oder gewaltlegitimierender Rollenbilder. Aufrichtige Sozialdemokraten dürfen einem Bündnis mit einer solchen Partei nicht zustimmen.
Auch der Blick in den Koalitionsvertrag hat meine Abneigung gegen dieses Bündnis nicht mildern können – im Gegenteil. Die Vorhaben im Themenbereich innere Sicherheit halte ich für alarmierend. So sind eine Ausweitung von Online-Durchsuchungen (Staatstrojaner), Taser-Einsatz und längere Präventivhaften geplant. Das sind illiberale Polizei-Vorhaben à la Bayern und Markus Söder (CSU). Das Klimaschutz-Programm ist daneben hoffnungslos unterbudgetiert (FB vom 23.03.2023), der große Wurf bei Mieten und Verwaltung bleibt aus.
Mehrheit folgt zweifelhafter Verantwortungsethik statt Grundsätzen
Die Berliner Genossen haben sich dennoch nicht getraut, die Sozialdemokarten in die Opposition zu führen. Sie haben sich von einer fragwürdigen „Verantwortung“ (die nicht bestand, schließlich hätte es arithmetisch auch für schwarz-grün gereicht) bei ihrer Entscheidung (ver)leiten lassen. Angetrieben wurde die massiv vom Parteivorstand um Franziska Giffey und Raed Saleh. Deren politische Karrieren hätten bei einem „Nein“ zum Koalitionsvertrag zur Disposition gestanden.